Im Namen des Vaters und des Sohnes

In wenigen Tagen steht die nächste große Erweiterung für den Dauerbrenner im Globalstrategie-Genre Crusader Kings 2 an. In »Horse...

von Nimlod am: 05.07.2015

In wenigen Tagen steht die nächste große Erweiterung für den Dauerbrenner im Globalstrategie-Genre Crusader Kings 2 an. In »Horse Lords« führt Publisher und Entwickler Paradox die namensgebenden  Reiterhorden aus der asiatischen Steppe als mit eigener Mechanik spielbare Völker ein. Grund genug für mich, einen allgemeinen Blick auf dieses mir lieb gewonnene Spiel zu werfen. Dabei gehe ich weder mit der erklärenden Akribie eines richtigen Tests noch mit dem Anspruch auf Vollständigkeit vor, sondern möchte euch einen unterhaltsamen Einblick gewähren. Vielleicht gibt es ja den ein oder anderen, der danach die Faszination oder Ablehnung dem Spiel gegenüber besser verstehen kann.

Vorsicht: Dieser Beitrag behandelt das durch alle inhaltlichen DLCs erweiterte Crusader Kings II.

Die Welt von Crusader Kings II ist eine hässliche. Und dabei spreche ich nicht von dem feudalen Mittelalter und nicht von den planbaren Intrigen und Mordaufträgen, sondern, meine Güte, von dem grafischen Gewand, in dem sich mir dieses Spiel präsentiert. Wären früher alle Menschen von so bescheidenem Aussehen gewesen, wie mir die Charakterporträts weißmachen wollen, so wären die Amtsinhaber der Kirche wenigstens nicht der dritten Todsünde, der Wollust anheimgefallen.

Und damit wären wir beim Thema des Spiels. Während die meisten Grand Strategy-Titel die Verwaltung der eigenen Nation und die Kriegsführung auf den blutgetränkten Schlachtfeldern der Geschichte in den Vordergrund stellen, stehen bei Crusader Kings die Herrscher als Person im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, ganz so wie es sich seit jeher ein jeder Alleinherrscher nur wünschen kann.

Als Graf von Niederbayern ist man zur Jahrtausendwende ein Fürst unter vielen in Mitteleuropa.

Weniger erstrebenswert sind jedoch viele der möglichen Charakterzüge, mit denen der Genpool von Crusader Kings II auffährt. Mit ein wenig Pech wird der eigene Herrscher – und damit wir als Spieler – zu einem feigen, willkürlichen Irren, der zum Zählen seine Berater braucht. Ist das der Fall, stehen auch schon die Titelanwärter, Ehrgeizigen und Verschwörer mit einem fiesen Lächeln vor den Schlosstoren und fordern seichtere Gesetze oder gar unsere Absetzung.

Geht das Reich dabei nicht vor die Hunde, dann nur weil wir Unsummen von Gold als „Geschenke“ an unsere Untertanen verteilen, sie von unseren Agenten erpressen lassen, in den Kerker werfen oder ihnen auf diplomatischem Wege von unsere Größe und Weisheit berichten lassen. Anschließend freuen wir uns darauf, dass dieser mit Sicherheit von Gott gewollte Herrscher, also wir, endlich das Zeitliche segnet. Sollte allerdings das Reich doch den bereits erwähnten Hunden (widerliche, geifernde Tölen) zum Opfer fallen, so hilft einem die KI wenigstens dabei, das verhasste Selbst loszuwerden, indem sie uns freundlicherweise in den Kerker wirft, was unsere Lebenserwartung ein schönes Stück mindert.

Hätten wir bei unserem Tod keinerlei Erben unserer Dynastie in der engeren oder entfernteren Verwandtschaft, wäre das Spiel beendet und wir hätten verloren. Doch glücklicherweise lässt sich der Stammbaum in aller Regel recht leicht erweitern. Sollte uns ein Ehepartner einmal partout keine Nachkommen liefern, können wir bei einem uns wohlgesonnenem Kirchenoberhaupt schlicht die Scheidung erwirken. Andernfalls zählen Straßenräuber, zusammenbrechende Balkone oder bestochene Wachen zu den probaten Mitteln der Freizügigkeit.

Der Lehnsherr ruft und die Knechte folgen, wenn Papst und Kaiser das Heilige Land erobern möchten. Die Früchte des Sieges fallen bisweilen jedoch in seltsame Hände...

Um anschließend keine Zeit zu verlieren, schwingt man sich eben schnell zum König der neuen Länderein auf. Und das nur, weil der bayerische Graf als Kanzler des Kaiser die eroberten Gebiete im Namen seines Lehnsherrn an die würdigsten Vasallen verteilen sollte. Na und wer wäre wohl würdiger als wir selbst?

Doch selbst wenn wir einen Nachfolger in petto haben, wer garantiert uns, dass dieser zu keinem paranoiden, grausamen Schwächling heranwächst, der von der Wahrheit gekränkt den Henker kommen lässt? Nun, das sind zu einem großen Maße – wir.

In den ersten Lebensjahren von den Eltern beeinflusst, geben wir den Sprössling mit sechs einem Vormund in die Obhut, wahlweise uns selbst, unserem Ehepartner oder jedem anderen NPC der bekannten Welt, mit dem Hinweis, dass bei Ausländern die Gefahr besteht, dass unser Kind mit sechzehn als glühender Anhänger der Religion oder Kultur seines Lehrmeisters an den Hof zurückkehrt, was ihm eines Tages als Herrscher böse Mali bei seinen Untertanen einbringen wird.

Mit der Wahl dieses Vormunds können wir viele der großen Brocken auf dem steinigen Weg unseres Sprosses hinein in die Annalen der Weltgeschichte beiseite räumen, indem dieser einige der Eigenschaften und Fähigkeiten seines Lehrers übernehmen wird. Nicht zuletzt gibt dieser sein Hauptattribut an das Kind weiter. Von diesem Attribut kann jeder Charakter nur eines haben, das er Zeit seines Lebens höchstens verbessern kann. So kann unser Spross als Fähiger Taktiker, Graue Eminenz oder auch als naiver Beschwichtiger oder amateurhafter Ränkeschmied in das Erwachsenenleben starten. Diese Einstufung beeinflusst maßgeblich die Charakterwerte, derer es in CK2 fünf gibt. Diplomatie, Kriegsführung, Verwaltung, Intrige und Bildung, mit den mehr oder weniger zu erwartenden Folgen hinsichtlich Meinung, Armeeführung, Einnahmen et cetera.

Durch verschiedenen Tabellen, in der wir alle Stärken und Schwächen der potentiellen Erzieher angezeigt bekommen, können wir also versuchen, einen Wunderknaben heranzuzüchten, der jeden ehrgeizigen DNA-Forscher in eine depressive Phase versetzt.

Der Kaiser war unser Freund. Aber da wir gerade als Nachfolger auf sein Reich gehandelt wurden, musste er eben vorzeitig sterben - ganz zufällig.

Abseits der Familie

Natürlich besteht Crusader Kings II aus mehr als einem Familiensimulator. Es gilt Kriege zu führen, Provinzen auszubauen und sich mit dem Klerus herumzuschlagen, was bisweilen mühsame Arbeit sein kann. Seine Stärken offenbart das Spiel dabei wieder im Umgang mit den anderen Mächtigen der Zeit. Wir können über Heirat, Intrigen und Kreuzzüge an den historischen Grenzen unseres Reiches feilen. Es entwickeln sich Freundschaften und Rivalitäten, was genretypisch über Textfenster vermittelt wird.  Auf diese Weise kann ein unbedeutender Graf schon einmal innerhalb weniger Jahre vom Kanzler des Kaisers, zum Kreuzfahrer-König und anschließend zum Kaiser selbst aufsteigen, indem er seinen früheren Gönner gefangen nimmt und hinrichten lässt.

Diese Eigenleben, diese Ungewissheit, was als nächsten passiert, birgt einen Großteil der Faszination, die den geneigten Spieler bei der Stange hält.

Die Schwächen

Wie so oft wirft das Licht aber auch Schatten und das Spiel überfährt uns mit unverständlichen und nirgendwo richtig aufgeführten Regeln, die besonders hinsichtlich verschiedener Erbsituationen  häufig für ratlose Momente sorgen.

Die größte Schwäche von Crusader Kings ist daher das oftmals viel zu rudimentäre Feedback, das einem das Spiel über Geschehnisse und Handlungen gibt. Man stößt auch nach etlichen Stunden Spielzeit immer wieder auf Situationen, in denen man einfach probieren und hoffen muss. Spielt man im Ironman-Modus, in dem man nicht frei speichern, dafür aber Steam-Achievements ergattern kann, muss man auf Tricks zurückgreifen, um nicht unverschuldet in die nächste Krise zu schlittern.

Im Gegensatz zu Paradox‘ Schwesterprodukt Europa Universalis 4 kann das Spiel vor allem für erfahrene Grand Strategie-Fans relativ schnell langweilig werden, weil es ähnlich einem Total War: Rome II keine Balancekeule schwingt und man als große Nation Narrenfreiheit genießt. Der einzige ernstzunehmende Feind ist schon bald der eigene Thronfolger, wenn dieser überaus inkompetente Züge in sich vereint und das Reich an inneren Unruhen zu zerbrechen droht. Mit etwas Voraussicht jedoch spart man sich immer einen nicht unerheblichen Goldvorrat an, der fast alle Probleme bei der Titelübergabe ausgleichen kann.

Beschäftigt man sich intensiv mit Crusader Kings II, fällt außerdem bald auf, dass manche Mechaniken deutlich mächtiger sind als andere und einige komplett ignoriert werden können, was insbesondere gemächlicheren Spielweisen kaum Abbruch tut, Perfektionisten aber ein unrundes Gefühl vermittelt.

So gelungen sich auch die Rollenspiel-Elemente in das Spielsystem integrieren, bei den Grundtugenden der komplexen Globalstrategie weist CK2 Mängel auf.

 

Tipp: Paradox verfolgt auch bei CK2 eine sehr, um es freundlich auszudrücken, umfangreiche DLC-Politik. Abseits der rein optischen Gimmicks, bemüht sich der Entwickler jedoch, das Spiel über Jahre hinweg zu verbessern. Im Gegensatz zur weitverbreiteten Herangehensweise dem Spieler einfach mehr vom Selben zu geben anstatt bereits eingebaute Mechaniken anzufassen, verbessert Paradox seine Spiele tatsächlich grundlegend, was diese DLCs häufig zu einem Pflichtkauf macht, der sich lohnt. Durch den langjährigen Support und damit einhergehenden DLCs entstehen dabei jedoch erhebliche Kosten für Neueinsteiger.

Es gilt also einen Sale abzuwarten, in dem man das Gesamtpaket zwischen fairen 20-30€ erwerben kann.

Im Multiplayer braucht nur der Host über alle DLCs zu verfügen, sodass man bei entsprechenden Kontakten die Online-Erfahrung als Demo-Möglichkeit nutzen kann wie auch als Einstiegshilfe, wenn der Freund bereits Erfahrung aufweisen kann.

Multiplayer

Abseits des für Paradox-Spiele typischen,  schwachen Netcodes  und den damit einhergehenden Verbindungsproblemen bietet Crusader Kings II ein enormes Suchtpotential für alle Multiplayer-Freunde. Durch seine Sandbox-Mechaniken spielt sich keine Partie gleich und es macht großen Spaß mit einer eingefleischten Runde die eigene Dynastie durch die Jahrhunderte zu führen.

Für eine gelungene Erfahrung ist allerdings Geduld und Durchhaltevermögen gefragt. Denn da bei mehreren Spielern wenig Rücksicht genommen werden kann, wird standardmäßig auf einer mittleren Geschwindigkeit gespielt, sodass sich kritische Situationen stressig und Ruhephasen überaus zäh gestalten können.

Von großem Vorteil ist auch eine sympathische Mitspieler-Crew, mit der man die Erfahrung wahlweise in TeamSpeak teilen kann, denn gerade da wird vor Freude oder Verzweiflung schon mal laut aufgestöhnt, der Kontrahent verflucht oder ausgelacht.

Fazit

Crusader Kings II ist eine besondere wenn auch im Vergleich zu Europa Universalis 4 weniger runde Spielerfahrung, die es zu spielen lohnt, wenn man wie ich ein Faible für komplexe Strategie mit immensem Wiederspielwert hat. Wie bei Europa Universalis ist die Hürde für Neueinsteiger hoch gelegt und ungeeignet für die Kaffeepause zwischendurch. 

Letztlich kommt es auf den persönlichen Geschmack an, ob man sich mit dem Setting im tiefen Mittelalter wie auch dem Fokus auf die Rollenspielelemente anfreunden kann. Meine Endwertung liegt im Hinblick auf meine EU4-Einschätzung bei 83. Spieler, die einen ähnlich liebevollen Hang wie ich zum Strategie-Genre hegen, sollten sich aber eher an einer 88 orientieren.

 

Wenn ihr Fragen oder Anregungen zu diesem Beitrag habt, immer her damit, auch über Kritik freue mich wie immer.

Für den Senat und das Volk Roms!

 

 

 

 

 

 


Wertung
Pro und Kontra
  • Wiederspielwert
  • Rollenspielelemente
  • Sandbox-Mechaniken
  • Herausforderung auch für Strategie-Veteranen
  • Balance
  • Schlechter Netcode im MP
  • Hohe Einstiegshürde
  • Geringes Feedback des Spiels

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(14)
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