Seite 5: Crytek erklärt Stereoskopie - Der S3D-Modus der CryEngine 3

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Objektanpassungen für 3D

Die zweite Gruppe der HUD-Elemente, im Raum platzierte Objekte, wirkt vollkommen unnatürlich, wenn man ihre Position in der Tiefe nicht korrigiert. Verlegt man diese HUD-Elemente näher an die korrekte Position, entfernen sie sich natürlich von der Spielerposition und müssen entsprechend vergrößert bzw. ihre Größe unabhängig von ihrer räumlichen Entfernung gerendert werden. Ein Kompromiss ist, die Größe in Abhängigkeit zu ihrer Entfernung zu variieren, sie aber nicht unter einen bestimmten Wert fallen zu lassen, damit das Element noch zu sehen ist. Diese HUD-Elemente werden auch nicht an der tatsächlichen Tiefenposition des Objekts platziert, sondern nur räumlich angepasst, um ihre Relation in der Tiefe zu unterstreichen. Tatsächlich liest ein Mensch die Position in der Tiefe nur zu einer Entfernung von vielleicht 50 Metern. Alles dahinter wird nicht räumlich in der Tiefe erkannt, sondern durch unser Verständnis von Größe und Relation zu anderen Objekten korrekt in der Tiefe eingeordnet.

HUD-Elemente im Raum stellen eine besondere Herausforderung dar. HUD-Elemente im Raum stellen eine besondere Herausforderung dar.

Probleme tauchen dann auf, wenn etwa Objekte in der Spielwelt markiert werden, die Markierung korrekt im Raum dargestellt wird, aber das eigentliche Objekt plötzlich hinter einem anderen (z.B. einer Mauer) verschwindet. Wenn man nun die Markierung tiefenkorrekt darstellt, liegt diese im räumlichen Sehen hinter der Mauer, sie durchdringt sie auf unnatürliche Weise.

Eine Option ist es, die HUD-Markierung dann nicht darzustellen – doch häufig ist das Anzeigen eines Objekts hinter einer Mauer genau der Grund, warum es eine solche Markierung gibt. Spätestens hier muss man sich im Design entscheiden, welchen Weg man einschlagen möchte. Eine perfekte Lösung, die für alle Spiele gilt, gibt es wohl nicht. In Crysis 2 wird zum Beispiel die 3D-Position des Fadenkreuzes dynamisch angepasst, sodass es immer vor demjenigen Objekt zu schweben scheint, das dem Spieler am nächsten ist. Auch bei der Umstellung der HUD-Objekte von 2D-Grafiken auf 3D-Objekte existiert kein Königsweg – inwieweit hier ein optischer Zugewinn mit der dezenten Darstellung von Informationen harmoniert, muss ein Entwicklungsteam von Fall zu Fall entscheiden.

Performance-Tricks der CryEngine

Sobald diese Hürden genommen waren, ging es wieder um das Thema Nr. 1 – die Performance, vor allem auf den Konsolen, die unsere Engine ebenfalls unterstützen muss. Es war keine Option, für die Xbox 360 und die Playstation 3 eine doppelte Anzahl an Frames zu berechnen, wie es die obige Methode beschreibt. Es musste also eine Berechnung eingesetzt werden, die annähernd so schnell ist wie unter 2D. Hier hört es auch schon auf mit den Gemeinsamkeiten zu einem CGI-Workflow, bei dem Berechnungen in Echtzeit kein Thema sind. Wobei man erwähnen muss, dass auch Produktionen im Filmbereich von Echtzeitberechnungen profitieren können, sofern die Qualität stimmt. Spiele hingegenmüssen kategorisch in Echtzeit berechnet werden. Dazu wurden schon immer eine Menge Tricks während der Entwickklung angewendet, um Einsparungen geschickt zu nutzen, die faktisch keinen Unterschied machen.

Crysis 2 - Screenshots ansehen

Um sich nun also zwei Bilder zum Preis von einem zu erkaufen, nutzt die CryEngine 3 die Tatsache, dass man für ein stereoskopisches Bild auch mit einem Bild auskommen kann, wenn zusätzlich die Tiefeninformation der Objekte oder der einzelnen Pixel bekannt ist. Dazu wird nach der Berechnung des Bildes jedes Pixel entsprechend seiner Tiefe für die beiden finalen Bilder nach links bzw. nach rechts verschoben. Das Ergebnis sind zwei stereoskopische Bilder, die einen überzeugenden 3D-Effekt erschaffen – für den Preis von gerade mal 2% Performance- Einbuße (und ein bisschen mehr Speicher). Leider gibt es auch einen Wermutstropfen: Bei Objekten, die sehr nah an der Kamera sind, fehlt die korrekte Parallaxe, weil die beiden Kameras nicht wirklich aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln aufnehmen. Weil dieser Effekt aber hauptsächlich im vom Crysis 2 nicht genutzten negativen Parallaxenbereich sichtbar – und in der Tiefe faktisch nicht mehr wahrnehmbar – ist, wird diese Einschränkung nicht erkannt.

Übertragungsverfahren bei Crysis 2

Der letzte Schritt für das Bild ist der Weg über einen Standard hin zum Monitor oder TV. Da es für die Playstation 3 bereits den »HDMI 1.4a«- Standard gibt, liegt es nahe, ein passendes Format zu unterstützen. Crysis 2 nutzt hier einen »S3D 720p«-Modus«. Dafür wird ein Stereobild aus einem 1280x720 Pixel großen linken Bild, einer 30 Pixel hohen Lücke und abschließend vom rechten Bild (ebenfalls 1280x720) erstellt. Dieses Paket wird als ein Frame über HDMI an den Fernseher übermittelt, der es dann entsprechend dekodiert und darstellt. Für die Xbox 360 gibt es leider noch keinen internen Standard, sodass hier auf einen sogenannten »frame-compatible stereo mode« zurückgegriffen werden muss. Das zu übertragende Bild ist damit kompatibel zu herkömmlichen Bildstandards (720p, 1080p etc.) und wird von den involvierten Geräten nicht als Stereobild erkannt. Erst die Umschaltung am Fernseher auf den 3D-Modus macht aus dem Bild ein 3D-Bild.

Am PC liefern 120-Hertz-Monitore in Kombinationen mit Nvidias Shutter-Brille das derzeit mit Abstand beste 3D-Erlebnis. Am PC liefern 120-Hertz-Monitore in Kombinationen mit Nvidias Shutter-Brille das derzeit mit Abstand beste 3D-Erlebnis.

Mit Crysis 2 unterstützen wir unter anderem Verfahren wie Side-by-Side oder auch Interlaced, die von fast allen gängigen 3D-TVs der neuen Generation verstanden werden. Zu beachten ist hier, dass bei Geräten, die nativ das Stereobild im »vertically interlaced«-Verfahren darstellen, die vertikale Auflösung der Frames auch der nativen Auflösung des Fernsehers exakt entsprechen muss. Ansonsten wird das Bild im Fernsehgerät auf die volle Größe gestaucht oder gestreckt, was den Zeilenwechsel und damit das Stereobild zerstört. Beim »Checkerboard«-Verfahren muss darüber hinaus zwangsläufig die vertikale mit der horizontalen Auflösung übereinstimmen.

Auf dem PC existiert zurzeit eine dominierende Lösung für S3D von Nvidia, die mit aktiver Shutterbrille und einem 120-Hz-Monitor stereoskopes 3D erzeugt. Die CryEngine nutzt hier zwar die Hardware, baut aber auf ihr eigenes 3D-Rendering auf. Andere Systeme werden ebenfalls unterstützt – aber für eine finale Liste ist es derzeit noch zu früh. Zurück zum Start – obwohl Crysis 2 den Tiefeneindruck hauptsächlich hinter der Projektionsebene nutzt, muss unsere Engine auch den Effekt mit negativer Parallaxe beherrschen. Dieser Effekt kann unter kontrollierten Umständen sehr gut auch in Cutscenes eingesetzt werden. Für qualitativ hochwertige Ergebnisse hilft also die Umschaltung auf das übliche Render-Verfahren, um anschließend zwei komplette Bilder korrekt zu berechnen.

Wen betrifft S3D?

Welche Entwicklungsabteilungen müssen sich mit den neuen Herausforderungen, ein Spiel in S3D zu produzieren, in besonderem Maße auseinandersetzen? Wie oben erwähnt, sind dies zu allererst die Programmierer, sowohl auf Seiten der Engine als auch im Game Code. Vor allem das GUI kann ohne Anpassung nicht einfach übernommen werden. Ein Spiel einfach zu »dreidimensionalisieren« reicht bei weitem nicht aus, wenn man ein echtes S3D-Game entwickeln will. Hier sind auch die Designer gefragt, die neuen Elemente sinnvoll einfließen zu lassen. Gerade an diesem Punkt sehe ich noch längere Lern- und Entwicklungsphasen, bis Spiele die neue Bildsprache umfassend einsetzen und sich auch diverse Konventionen etablieren, die Spieler verstehen und zu nutzen wissen.

Der 3D-Tiefeneffekt verändert sich in seiner Stärke mit zunehmender Bildgröße – ein Trailer, der auf einem Monitor einen intensiven 3D-Effekt zeigt, kann auf der großen Leinwand schon zu viel sein, oder umgekehrt. Auf der anderen Seite stehen unsere Konsumenten: So wie es Menschen gibt, die farbenblind sind, verhält es sich leider auch mit dem stereoskopischen Sehen. Nicht jeder Gamer sieht den Effekt gleich gut beziehungsweise. einige sehen ihn überhaupt nicht. Manchen Spielern wird bei S3D auch übel, was auf den gleichen Effekt wie bei der Seekrankheit zurückzuführen ist. Dieser Anteil der Bevölkerung ist nicht groß, aber man sollte beachten, dass ein Spiel auch ohne S3D spielbar bleibt. Auf reine S3D-Titel werden wir wohl noch eine Weile warten müssen.

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