Großes Kino trotz einiger Schwächen

Vergleicht man Crysis 2 nur anhand der Fakten mit dem ersten Teil der Serie, so kommt schnell das Gefühl auf, als wären viele der Elemente, die Crysis einst so...

von Kerl42 am: 25.03.2011

Vergleicht man Crysis 2 nur anhand der Fakten mit dem ersten Teil der Serie, so kommt schnell das Gefühl auf, als wären viele der Elemente, die Crysis einst so besonders machten auf dem Altar der Casualisierung geopfert worden...

Einleitung

Nur einen Tarn- und Panzerungsmodus anstatt der vier Modi aus dem Vorgänger? Eindampfen der taktischen Möglichkeiten!

Enge Häuserschluchten anstatt dem bekannten weitläufigen Dschungel? Beschneiden der spielerischen Freiheit!

Kein DX-11 zum Release? Eine simple Konsolenportierung!


Aber ist dem wirklich so, oder sind das alles voreilig gezogene Schlüsse?
Hier ein (wohl gemerkt sehr subjektiver) Erfahrungsbericht, wie ich den Singleplayer von Crysis 2 erlebt habe.

Story

Nachdem die Ceph im ersten Teil lediglich auf der Lingshan Inselgruppe ihr Unwesen trieben, verfolgen sie in Crysis 2 nun deutlich ambitioniertere Ziele. In New York ist eine bisher unbekannte Seuche ausgebrochen und Manhattan – der neue Schauplatz in Crysis 2 – wurde kurzerhand unter Quarantäne gestellt. Sowohl Regierung, als auch Militär scheinen macht- und die Situation aussichtslos...
Wäre da nicht Alcatraz, der Held wider Willen, den wir in Crysis 2 durch die Straßen New Yorks steuern.

Die Story rund um eine gefährliche Killer-Spore, eine skrupellose Söldnertruppe und diverse Aliens, die die Menschheit an den Rand der Vernichtung drängen mag weder sonderlich innovativ noch tiefgründig sein. Allerdings brauche ich bei einem Ego-Shooter nicht zwingend eine ausgeklügelte Story, wie ich sie beispielsweise von einem RPG erwarte, um mich bestens unterhalten zu fühlen.

Was ich allerdings sehr wohl brauche, ist eine gute Inszenierung und ein paar glaubhafte Gründe, warum ich das tun sollte, was das Spiel von mir verlangt. Genau das gelingt Crytek allerdings nur bruchstückhaft.
Besonders zu Beginn des Spiels bleibt größtenteils unklar, warum Alcatraz genau das tut, was das Spiel mir vorsetzt.
Zwar bekommt man regelmäßig Anweisungen über Funk, allerdings ist weder klar, wer meine selbst ernannten Befehlshaber genau sind, noch welche Ziele sie verfolgen. Das Grundgerüst der Story – die ausgebrochene Seuche und die darauf folgende Quarantäne – werden sehr schnell deutlich, allerdings scheint trotzdem der rote Faden zu fehlen.
Meiner Meinung nach ein Rückschritt im Vergleich zu Crysis 1, wo wir stets wussten was wir zu tun hatten: wir waren Elitesoldat und hatten unseren Befehlen zu gehorchen.


Zwar versucht Crytek in Crysis 2 diesem blinden Gehorsam einen persönlichen Antrieb zu geben, dieser Versuch geht allerdings größtenteils nach hinten los und führt eher zu Ziellosigkeit denn zu zusätzlichem Antrieb.

Gameplay

Im Vergleich zum Vorgänger verfügt der Nano-Suite in Crysis 2 nur noch über einen Panzerungs- und einen Stealth-Modus. Bedenkt man nun noch, dass der aus Teil eins bekannte, weitläufige Dschungel durch die engen Häuserschluchten Manhattans ersetzt wurde könnte man leicht auf die Idee kommen, die spielerische Freiheit, die Crysis einst so von anderen Shootern abgrenzte, könnte darunter gelitten haben. Ein Trugschluss wie ich finde.


Der Nano-Suite wurde entschlackt, das stimmt. Allerdings geht die Bedienung nun deutlich einfacher von der Hand, da wir anstatt des Radialmenüs nun nur noch die Tasten Q und E benötigen, um zwischen den verschiedenen Modi zu wechseln. Zwar stehen uns Stärke und Geschwindigkeit nun nicht mehr als einzelne Modi zur Verfügung, allerdings sind deren Funktionen größtenteils immer noch vorhanden.

Alcatraz sprintet deutlich schneller als üblich, verbraucht dafür aber Anzugenergie und wollen wir Sachen durch die Gegend werfen oder Nahkampfangriffe ausführen können wir diese auf Kosten von Energie durch ein simples gedrückt halten der entsprechenden Taste immer noch verstärken – eher ein Fortschritt denn ein Rückschritt wie ich finde, da der Spielfluss deutlich von dieser Vereinfachung profitiert, während dabei kaum taktische Tiefe verloren geht.


Auch das Leveldesign steht dem seines Vorgängers meiner Meinung nach in Crysis 2 in Nichts nach. Zugegeben: die Level sind meist deutlich kleiner und Enger als der weitläufige Dschungel der Lingshan Inseln, den taktischen Möglichkeiten tut das allerdings keinen Abbruch. Die einzelnen Abschnitte sind stets so designt, dass man entweder wild um sich ballernd eine Schneise durch die Gegner schlagen kann, getarnt von Deckung zu Deckung schleicht und jeden Gegner einzeln ausschaltet oder gar das Level nahezu ganz ohne Kampf hinter sich bringt.

Eine nicht unwichtige Rolle spielt dabei das in den Anzug integrierte Fernglas, mit dessen Hilfe man nicht nur wie im ersten Teil Gegner Markieren kann, sondern nun auch Stellen von besonderem taktischen Interesse angezeigt bekommt. So sehen wir etwa, wo wir eine prall gefülltes Munitionslager finden oder eine stationäre Waffe bemannen können – meiner Meinung nach ein zweischneidiges Schwert:

Einerseits weiß man so stets welche taktischen Möglichkeiten bestehen, andererseits fühlt man sich hin und wieder ein wenig bevormundet und in seiner spielerischen Freiheit eingeschränkt. Ich hätte mir in den Einstellungen eine Option zur Deaktivierung dieser taktischen Hilfen gewünscht. Diese sucht man allerdings vergebens.


Ebenso ist die KI meist auf gewohnt hohem Niveau. Zwar gibt es an einigen wenigen Stellen Aussetzer, bei denen sich Gegner oder Fahrzeuge an Kanten verfangen, doch diese kleinen Schwächen fallen nicht weiter ins Gewicht gegenüber dem was die KI im Normalfall leistet: Gegner versuchen uns zu flankieren und in den Rücken zu fallen, gehen in Deckung und feuern blind um sich nicht unserem Kugelhagel aussetzen zu müssen. Haben sie uns einmal entdeckt suchen sie weiter nach uns – und auch wenn wir uns mit der Tarnfunktion unseres Anzugs ihren Blicken entzogen haben kommt es nicht selten vor, dass sie uns in die Enge treiben und wir nur mit Mühe unentdeckt entkommen können.

Technik

Wenn ich die Qualität der Grafik eines Spiels beurteilen soll, geht es mir nicht so sehr um die technischen Details der Grafikengine, als vielmehr um das was schließlich auf meinen Bildschirm gezaubert wird. Zwar sind hochauflösende Texturen mit drölftausend Pixeln durchaus eine nette Sache, ebenso wichtig ist mir allerdings das, was schließlich auf meinem Bildschirm erscheint wenn Engine und Leveldesign ineinander greifen. Eine Grafik-Engine mag auf dem Papier noch so beeindruckend sein, doch wenn sie nicht richtig eingesetzt wird schafft sie noch lange kein gut aussehendes Spiel.


Crysis 2 legt zugegebener Maßen nicht den Quantensprung in Sachen Grafik zurück, wie es Far Cry oder Crysis seiner Zeit taten, dennoch ist das, was mir das Spiel letztendlich auf dem Bildschirm präsentiert beeindruckend und sucht meiner Meinung nach momentan seines Gleichen. Besonders in Sachen Beleuchtung und Partikeleffekten hat sich gegenüber dem Vorgänger einiges getan – und das (zumindest auf meinem System) bei deutlich besseren Frameraten.


Doch das ist nicht der Hauptgrund, warum mir Crysis 2 im Gegensatz zu seinem Vorgänger in Sachen Grafik und Atmosphäre deutlich besser gefällt. So schick der Dschungel in Crysis auch aussah und so sehr mich der vereiste Teil der Insel damals ins Staunen versetzt hat, so war mir die grafische Präsentation auf die Dauer doch etwas eintönig.
In Crysis 2 ist das anders. Wer bei dem Setting New York an eintönige Häuserschluchten denkt, der wird eine Überraschung erleben. Das durch die Angriffe der Aliens zerstörte New York ist grafisch so Abwechslungsreich und liebevoll designt, wie ich es bisher bei so gut wie keinem Spiel erlebt habe. Mal durchqueren wir bedrückt Quarantänezelte voller medizinischer Gerätschaften und Leichen, dann wieder kämpfen wir uns durch verlassene Straßenzüge, springen von Hochhaus zu Hochhaus, betreten die U-Bahn oder andere Gebäude oder durchqueren zwanzig Meter tiefe Gräben, in denen ganze Straßenzüge samt Häusern versunken sind.

Dabei gleicht keine Location der anderen und die immer wieder und zum Ende des Spiels immer häufiger auftretende Alien-Architektur setzt immer wieder Akzente die einen einfach Staunen lassen. Durchweg ganz großes Kino!

Sound

Zwar konnten mich die deutschen Synchronsprecher nicht ganz überzeugen, dennoch bietet Crysis 2 ein rundum gutes Sounderlebnis. Ein gutes 5.1 System vorausgesetzt können sich sowohl Umgebungsgeräusche, als auch Waffen- und Explosionssounds durchaus sehen lassen, auch wenn das Schlachtfeld-Gefühl eines Battlefield: Bad Company 2 nicht ganz erreicht wird.

Fazit

Zugegeben, Crysis 2 weist eindeutig einige Schwächen auf. Die Story ist mehr als flach und die Charaktere bleiben austauschbare Hüllen, aber dennoch war das Spiel für mich ein Erlebnis und konnte mich den gesamten Spielverlauf über an den Bildschirm fesseln.


Das liegt zum einen an den taktischen Möglichkeiten, die sich aus dem überragenden Leveldesign und den Möglichkeiten des Nano-Suite ergeben und an dem daraus resultierenden Gameplay, zum anderen aber auch an der Bildgewalt, die Crysis 2 einem immer wieder förmlich entgegen schleudert.

An der Stelle, an der man das erste Mal ans Tageslicht tritt und über das sonnenüberflutete New York blickt ist eine Gänsehaut quasi vorprogrammiert und auch sonst wird man immer wieder Zeuge von Augenblicken, die man in einem Videospiel nicht allzu oft zu Gesicht bekommt:
Nur Meter vor einem zerbröseln ganze Highways in ihre Einzelteile, begraben Hochhäuser ganze Straßenzüge unter sich, stürzen Brücken in die Tiefe oder erheben sich ganze Parks von Alien-Architektur getragen in die Lüfte.


Bei einem Preis von rund 39 Euro und einer Spielzeit von 12-14 Stunden – ich habe 16 gebraucht, dabei aber auch jede Bordsteinkante bestaunt ;-) - war mir das gebotene jeden Cent wert.

Crysis 2 ist meiner Meinung nach die neue Shooter-Referenz sowohl in Sachen Gamplay, Präsentation und Grafik (auch bereits ohne DX-11). Eine klare Kaufempfehlung für alle Shooter-Fans!


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: Beeindruckende Licht- und Partikeleffekte
  • Sound: Gute Waffen- und Umgebungssounds
  • Balance: Nie unfair
  • Atmosphäre: Liebevoll designte Locations
  • Bedienung: Gute Nano-Suite Steuerung
  • Umfang: Wiederspielwert durch taktische Tiefe
  • Leveldesign: Viele taktische Möglichkeiten
  • KI: Clever
  • Waffen & Extras: Überschaubare aber gute Waffenauswahl
  • Story: -
  • Grafik: Texturen nicht immer gestochen scharf
  • Sound: Mittelmäßige deutsche Synchronsprecher
  • Balance: Kein freies Speichern
  • Atmosphäre: Unglaubwürdige Charaktere
  • Bedienung: Konsolen-Menüs
  • Umfang: -
  • Leveldesign: begrenzte Areale
  • KI: wenige Aussetzer
  • Waffen & Extras: Einige Nanosuite-Upgrades nutzlos
  • Story: Schwache Story und Charaktere

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(4)
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