Seite 4: Diablo 3 im Test - Aus der Asche

Keine Boss-Runs mehr

Ebenfalls nicht zu unterschätzen sind die Folgen der entfallenen Levelaufstiege. Es mag in Diablo 2 ewig gedauert haben, von Stufe 75 auf Stufe 76 aufzusteigen, trotzdem empfanden es Langzeit-Spieler als motivierend, den Level- Fortschrittsbalken in jeder Partie ein paar Pixel wachsen zu sehen – schließlich versprach er die nächste Belohnung in Form von Attributs- und Talentpunkten.

Story-Bossgegner wie der Schlächter werfen vergleichsweise schwache Item-Beute ab. Story-Bossgegner wie der Schlächter werfen vergleichsweise schwache Item-Beute ab.

Durch die vergleichsweise früh erreichte Maximalstufe entfällt in Diablo 3 der Antrieb, wirklich jedes Karteneck zu erkunden und jede Monstergruppe umzupusten. Denn Erfahrungspunkte gibt’s keine mehr, und gute Beute hinterlassen die Normalo-Monster sowieso viel zu selten.

Und nicht nur die, auch Quest-Bosse und Kapitel-Endgegner werfen größtenteils Schrott ab. Die in Diablo 2 beliebten »Boss-Runs« auf Mephisto & Co. sind damit nun sinnlos, stattdessen muss man sich zur Beutesuche durch reguläre Spielabschnitte kämpfen und darin auch noch ständig störende Quest-Dialoge wegklicken – ein Nachteil der dichter inszenierten Handlung.

Unbesiegbare Elite

Die wichtigsten Beutelieferanten auf »Inferno« sind Elite- und Champion-Ungeheuer. Wer die besiegt, lädt nämlich den bis zu fünfmal steigerbaren »Nephalem-Buff« auf, eine passive Verzauberung, die die Beutechance für Gold und magische Ausrüstung deutlich erhöht. Das braucht man auch, ohne Nepahlem-Hilfe fällt die Beute schließlich noch magerer aus als sowieso schon.

Diese Monster hinterlassen ein Flammenmeer, das Helden binnen Sekunden abfackelt. Diese Monster hinterlassen ein Flammenmeer, das Helden binnen Sekunden abfackelt.

Und selbst dann finden wir immer noch Massen niedrigstufiger Items, mit denen wir in »Inferno« nichts anfangen können – da könnte uns das Spiel auch einfach Gold vor die Stiefel werfen, weil wir den Kram sowieso verkaufen. Noch dazu wollen selbst die Nephalem-Belohnungen hart verdient sein.

Elite-Monster entpuppen sich nämlich zugleich als die größten Frustklötze von Diablo 3, dnn die Superbestien teilen nicht nur übel aus und stecken viel ein, sondern haben auch noch vier ausgewürfelte Spezialfähigkeiten. Und hier gibt’s Kombinationen, die normal ausgerüstete Helden einfach nicht besiegen können.

Ein Beispiel: Gehörnte Rammbestien sind an sich schon gefährlich genug, weil sie auf Helden zustürmen und dabei heftigen Schaden anrichten. Eine Elite-Bestie vervielfacht nun nicht nur diesen Schaden, sondern hat auch noch diverse Untergebene dabei, die natürlich ebenfalls fleißig drauflos rammen. Das alleine wäre schon eine Herausforderung.

Und nun stelle man sich zusätzlich vor, dass die Bestienmeute auf dem Boden Flammenspuren hinter sich herzieht, Giftlachen ausspuckt und flüchtende Helden per »Vortex« immer wieder in Ramm-, Flammen- und Gift-Reichweite heransaugt. Reicht nicht?

Klar, es fehlt ja noch die vierte Eigenschaft »Unverletzliche Diener«: Nur das (hammerstarke) Elite-Monster kann angegriffen werden, alle anderen hüllen sich in undurchdringliche Schutzschilde.

Oh, und haben wir erwähnt, dass sich Boss-Ungeheuer nach wenigen Minuten in den »Enraged«-Modus versetzen und dem Helden rasant schnell die Lebensenergie absaugen? Man sollte sie also nicht ewig hinter sich herziehen (»kiten«), sondern rasch besiegen. Nur wie? WIE?! Wer da nicht vor Frust mehrere Mauskabel durchbeißt, hat sich verdammt gut im Griff. Oder eine Funkmaus.

Ein Mönch und ein Dämonenjäger treffen auf einen Elite-Ziegenmann, der sie nicht nur in Mauern sowie Magie-Gefängnisse einsperrt, sondern auch noch mit Eis- und Feuerbomben traktiert. Ein Mönch und ein Dämonenjäger treffen auf einen Elite-Ziegenmann, der sie nicht nur in Mauern sowie Magie-Gefängnisse einsperrt, sondern auch noch mit Eis- und Feuerbomben traktiert.

Ausrüstung gegen Frust

Noch dazu ist das nur eine von vielen übermächtigen Monster-Kombinationen (Hat jemand »Feuerketten« gesagt?), besonders in engen Räumen und Gängen bedeuten Elite-Monster oft den sicheren und mehrfachen Tod samt hohen Ausrüstungs-Reparaturkosten.

Mit seinem Talent »arkanverzaubert« beschwört dieses Champion-Trio tödliche Energiestrahlen. Mit seinem Talent »arkanverzaubert« beschwört dieses Champion-Trio tödliche Energiestrahlen.

Das einzige wirksame Gegenmittel bleibt bessere Ausrüstung. Wer seinen Schaden und seine Elementar-Resistenzen nicht immer weiter hochschraubt, geht auf »Inferno« schneller ein als eine Gehirnzelle am Ballermann – da greift wieder Cureleas Frustspirale.

Noch dazu offenbaren sich auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad Abgründe in der Klassenbalance, fernkämpferische Dämonenjäger sind leichter zu spielen als Haudrauf-Helden wie Mönche und Barbaren.

Immerhin sind fast alle Talente nützlich, es gibt unzählige Möglichkeiten, den eigenen Helden zu spielen und auf »Inferno« zu überleben – zumindest, solange man nicht auf ein übermächtiges Bossmonster trifft.

All das heißt soll nicht heißen, dass das Endgame von Diablo 3 schlecht ist, anders als in den niedrigen Anspruchsstufen kann man sich eben nicht mehr mühelos durchschnetzeln, sondern muss wirklich überlegen, mit welcher Taktik man welchen Gegner angeht und welches Monster man wie zuerst ausschaltet.

Nicht umsonst wünschen sich die meisten Diablo 3-Spieler in unserer Umfrage eine höhere Beutechance statt einem niedrigeren Schwierigkeitsgrad. Wobei die »Inferno«-Schlachten im Koop-Modus ab drei Spielern schon so schwer werden, dass allenfalls gut abgestimmte und ausgerüstete Gruppen eine Chance haben – schließlich steigt die Monsterstärke mit der Anzahl der Helden. In öffentlichen Partien mit mehr als zwei Helden enden die Gefechte fast zwangsläufig im tödlichen Chaos.

Wenig Item-Tiefgang

Gleichzeitig wird mit steigender Spieldauer immer deutlicher, dass es dem Item-System von Diablo 3 an Tiefgang fehlt. So werden zwar die Zahlenwerte von der Angriffsgeschwindigkeit bis zu den Resistenzen immer wichtiger und komplexer, mit den Gegenständen selbst lässt sich aber nur wenig anfangen.

Mönch und Dämonenjäger bekämpfen eine Champion-Gruppe. Mönch und Dämonenjäger bekämpfen eine Champion-Gruppe.

Dass Blizzard vor dem Verkaufsstart die Mystikerin gestrichen hat, bei der sich Ausrüstung aufrüsten ließ, hat uns in den niedrigeren Schwierigkeitsgraden nicht gestört, auf »Inferno« hingegen sehr wohl. Schließlich hätte sie immerhin eine weitere Möglichkeit eröffnet, das Beutesuch-Einerlei zu durchbrechen.

Auch der Schmied böte viel mehr Potenzial, das Blizzard aber nicht ausschöpft. Ursprünglich war geplant gewesen, dass man ihn durch die Dauerproduktion der immer gleichen Items (etwa von Äxten) weiter verbessern und so spezialisieren kann. Das hätte zur Motivation beigetragen.

In seiner aktuellen Form bringt der Schmied nahezu nichts, weil man zu viele Ressourcen und Goldmünzen investieren muss, bis er endlich mal einen brauchbaren Gegenstand ausspuckt. Da geht man besser gleich ins Auktionshaus, das spart Zeit und Gold, kann aber auch Geld kosten.

Schnelle Erfolge kosten Geld

Was uns zum letzten Punkt bringt: den Echtgeld-Auktionen, für die Blizzard viel Schelte hat einstecken müssen. Und das ist nur verständlich, schließlich mögen es die Spieler nicht, wenn ein Entwickler aus ihrem Frust auch noch Profit schlagen möchte.

Wer auf das Auktionshaus verzichtet, muss noch mehr Frustmomente in Kauf nehmen. Wer auf das Auktionshaus verzichtet, muss noch mehr Frustmomente in Kauf nehmen.

Denn das Kalkül hinter dem Echtgeld-Auktionshaus liegt auf der Hand: Wer schnelle Erfolge sucht, kann neben Spielgold auch reale Euromünzen investieren, um bessere Ausrüstung zu ersteigern – und daran verdient Blizzard natürlich mit.

Dass Blizzard Diablo 3 komplett auf die Echtgeld-Auktionen ausgerichtet hat, stimmt allerdings nicht. Denn weil es auch im Gold-Auktionshaus jederzeit brauchbare Ausrüstung (wenn auch teils nur gegen Millionenbeträge) gibt, ist letztlich kein Spieler gezwungen, Echtgeld zu investieren. Er muss dann eben nur länger Beute und Gold sammeln – so wie seinerzeit in Diablo 2.

Denn auch beim Vorgänger wurden Items und sogar komplette Helden versteigert, nur eben auf EBay statt in einem internen Auktionshaus. Wer schnelle Erfolge wollte, konnte schon damals in die Tasche greifen.

Diesmal verdient Blizzard zwar daran mit, liefert aber auch eine eigene Auktionsplattform. Wie gesagt das muss man nicht mögen, es dürfte dem Ruf des Entwicklers schwer geschadet haben. Eine Abwertung rechtfertigen die Echtgeld-Auktionen aber nicht.

Wertungsabzug

Die anderen Probleme von Diablo 3 sind hingegen sehr wohl wertungsrelevant. Für den Frustfaktor von »Inferno« ziehen wir einen Balance-Wertungspunkt ab. Aufgrund der zu schwachen legendären Items, der in hohen Stufen zunehmend sinnlosen Schmiede-Produkte und der generell schlechten Beute-Balance büßt Diablo 3 zwei Zähler in der Item-Wertung ein. Die Charaktersystem-Wertung verliert ebenfalls einen Punkt, weil die Levelaufstiege zu früh als Motivationsmotor wegfallen. Und einen letzten Punkt, diesmal in der Umfangswertung, kostet das teils ermüdende Gold- oder Beute-Farming.

Unterm Strich sinkt die Gesamtwertung also auf 85, Diablo 3 bleibt ein sehr gutes Action-Rollenspiel. Für ein ausgezeichnetes fehlt ihm jedoch der Feinschliff. Wer hätte gedacht, dass wir das über ein Spiel sagen müssten, das zehn Jahre lang in der Entwicklung war.

Achtung: Ursprünglicher Test & Wertung
Auf den folgenden Seiten lesen Sie den ursprünglichen Test zum Release von Diablo 3. Die aktuelle Wertung steht im Wertungskasten. Einen neuen Meinungskasten zum Nachtest lesen Sie im Fazit.

4 von 10

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