Seite 3: Nachdenken, statt Mitmachen - Teil des Problems

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Macht das Töten Spaß?

Was in dem jungen Mann wirklich vor sich ging, werden wir nie erfahren. Houston hat ihn nicht gefragt. Vielleicht wollte er nur alle spektakulären Exekutionsmanöver sehen, die das Spiel bereithält. Vielleicht faszinierten ihn die Bluteffekte. Vielleicht wollte er sehen, ob es denn kein Limit gibt, ab dem der Entwickler einschreitet und ihn das Spiel durch ein "Game Over" oder Ähnliches bestraft.

Die Gewaltdarstellungen in 'Dishonored' sind nichts für den schwachen Magen, keine Frage. Die Gewaltdarstellungen in 'Dishonored' sind nichts für den schwachen Magen, keine Frage.

Was einen Spieler fasziniert und den anderen nicht, ist extrem vielfältig. Gerade das macht Spielen als Hobby ja so fantastisch. Gut möglich ist übrigens auch, dass der betreffende Spieler tatsächlich Spaß hatte am virtuellen Sadismus. Denn was natürlich auch gern unter den Teppich gekehrt wird: Wir Menschen erfreuen uns mitunter in Fantasieszenarien an Dingen, die wir als Gesellschaft ächten müssen. Das sinnlose Abschlachten wehrloser Spielfiguren kann schlicht und ergreifend auf eine überaus boshafte Art Spaß machen. Die Anzahl der Personen, die sich an der Darstellung von Grausamkeiten in Filmen, Spielen, der Malerei oder dem Theater weiden können, ist mit Sicherheit nicht winzig klein.

Ich persönlich erinnere mich noch sehr gut daran, mit welcher Freude ich das erste "Mortal Kombat" gespielt habe. Mit welch boshafter Inbrunst ich mitunter die Pixelklötze von "Teacherbusters" auf dem C64 in meinem Kopf zu realen Physik- und Sportlehrern umgedeutet habe. Der Grund, dass ich nicht mal im Ansatz zu einer realen Gewalttat fähig wäre, hat weder im Guten noch im Schlechten mit meinem Spielekonsum zu tun, sondern mit meiner Erziehung und mit meiner genetischen Disposition. Weil ich feste Werte vermittelt bekam, widert mich reale Gewalt an. Weil ich nicht mit einem fatalen Fehler in meinem Stoffwechsel oder Ähnlichem auf die Welt kam, neige ich nicht zum Wahnsinn.

Worüber wir eigentlich reden sollten, sind zwei Dinge: Was die Schulmassaker anbelangt, ist es überfällig sich zu fragen, warum diese denn überhaupt an Schulen stattfinden. Meine Vermutung: Zum einen, weil die Medienberichterstattung jedem, der seinem Leben mit einem großen "Fuck you all!" ein Ende setzen will, inzwischen quasi Vorbilder und Ziele inklusive Tötungs-Highscore auf dem Silbertablett serviert. Viel, viel mehr aber noch müssen wir uns fragen, ob das nicht mit dem Schulsystem der heutigen Zeit zu tun hat. Ob unsere Leistungsgesellschaft nicht an dem Punkt angelangt ist, wo einige Schüler am Druck und ihrer Position am Ende der Nahrungskette im Mikrokosmos Schule zugrundegehen. Ob nicht ein kleiner Teil dieser Menschen, die das Schulsystem als einzige Demütigung erleben, eben moralisch und geistig auf Tragödie gestrickt sind.

Ein zurückgebliebenes Medium

Zum zweiten, was Spiele angeht, sollten wir uns fragen, wann dem Geschwafel über das "wichtigste Medium des 21. Jahrhunderts" denn mal Taten folgen sollen. Spiele machen niemanden zum Attentäter. Aber Spiele vermitteln in ihrer Gesamtheit in unvorstellbarem Maße idiotische Wertesysteme, die das Soldatentum im Krieg als moderne Heldensage darstellen. Sie degradieren Frauen auf so billige Art und Weise, wie es Filme jenseits der Porno-Industrie selten tun. Sie weigern sich aktiv dagegen, den Spieler zum Denken anzuregen. Sie propagieren Selbstjustiz und stellen das Leben des Kriminellen so erstrebenswert dar, wie ein Rap-Video. Kurz: Dieses Medium, das die Kindheit ganzer Generationen prägt, ist auf dem Niveau eines Neandertalers, hält sein Publikum oft erkennbar für blöd und zeigt außerhalb einiger weniger Ausnahmen nicht den geringsten Willen, sich fortzuentwickeln.

Im Falle des Attentäters Adam Lanza wurde vor allem 'Call of Duty' als gehirnzersetzender Shooter zitiert. Auch das typisch: Das populärste Produkt, steht im Vordergrund. Im Falle des Attentäters Adam Lanza wurde vor allem 'Call of Duty' als gehirnzersetzender Shooter zitiert. Auch das typisch: Das populärste Produkt, steht im Vordergrund.

Selbst die Indie-Szene ist randvoll von lieblosen Kopien und beschränkt ihre Kreativität lieber auf Grafikstil und spielmechanische Gimmicks. Darüber, liebe Entwickler in aller Welt, dürft ihr gern und viel nachdenken. Wenn der Terminplan zu voll ist, schlage ich vor, nutzlose Debatten mit dem Vize-Präsidenten zu streichen. Der ist eh nur zur Eröffnung der ersten Sitzung dabei und nach dem Foto schnell verschwunden. Garantiert.

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