Meuchelmörder im Entscheidungszwang

Stumme Helden sind keine Helden - so oder so ähnlich trieb und treibt immer noch ein redeunwilliger Hauptpart eines Spiels die Diskussionen voran. Auch...

von TheVG am: 13.11.2012

Stumme Helden sind keine Helden - so oder so ähnlich trieb und treibt immer noch ein redeunwilliger Hauptpart eines Spiels die Diskussionen voran. Auch Corvo Attano, der Held des neuen Arkane Studios-Spieles "Dishonored", muss sich mit diesem Vorwurf auseinandersetzen. Ob die Maske des Zorns nun dem Schweigen ein Ende bereitet und sich die Mut zur neuen Marke wirklich lohnt, lest Ihr im Folgenden.

Verraten und gehetzt

Im viktorianisch angehauchten Kaiserstädtchen Dunwall hängt der Haussegen gewaltig schief. Zuerst wurde die Stadt von einer massiven Rattenseuche befallen, die die Bürger schnell dahinrafft, dann überbringen wir als Corvo, dem Leibwächter der Kaiserin, unserer Herrin nur schlechte Nachrichten. Damit aber nicht genug, denn kurz darauf erscheinen Attentäter aus dem Nichts, töten die Kaiserin und verschleppen ihre Tochter Emily. Des Mordes verdächtigt landen wir auch schon im Kerker, werden gefoltert und müssen miterleben, wie sich Meisterspion Hiram Burrows zum Lordregenden ernennen lässt. Unser Held wäre aber kein Held, wenn er sich nicht hätte aus der Gefangenschaft befreien könnte, so fliehen wir durch die Kanalisation, unterstützt  von einigen Kaisertreuen, die den neuen Herrscher stürzen wollen.


So erlernen wir im Zuge der Flucht auch unseren Helden zu steuern, der sich trotz der konsoligen Ausrichtung auf dem PC ziemlich gut anfühlt. Zwar ist die Steuerung kein Vorbild á la "Dark Messiah", in dem die Bedienung geradezu fühlbar gewesen war, aber trotz allem macht die Portierung Sinn und wurde entsprechend angepasst. Daher sind Zweifel daran, dass "Dishonored" auch auf XBox und der PS3 zu Lasten der Bedienung abgespeckt sein würde, größtenteils ausgemerzt worden. Dass die Menüführung etwas besser durchdacht sein könnte, lässt sich hierbei auch leicht verschmerzen. Es macht nämlich einfach Spaß, an Deckungen vorbeizulugen und von den Gegnern nicht entdeckt zu werden, sie umschleichen und ins Land der Träume zu schicken.


Etwas komplizierter wird es dann, wenn die Kräfte zum Einsatz kommen. Corvo lernt alsbald nämlich, wie man sich teleportiert oder seinen Gegner zu beherrschen, um unerkannt ins Feindgebiet einzumarschieren. Zwar ist der Einsatz einer einzelnen Macht keine komplexe Sache, aber das Umschalten und Benutzen verschiedener nimmt der Bedienung und folglich dem Spielspaß ein wenig den Fluss. So passierte es mir öfter, dass ich zuerst die Nachtsicht verwendete, um meine Gegner durch Wände zu sehen, mich danach hinter einen zu teleportieren, um ihn von hinten bewusstlos zu würgen. Wenn man sich Zeit mit der Planung lassen kann, ist das kein Problem, aber in hektischen Momenten ist diese Umschalterei vielleicht etwas ungünstig portiert worden. Schade, denn gerade später im Spiel kann das zu ständigem Neuladen führen.

Kommt Zeit, kommt Rat

Ein bisschen Rollenspielpart ist auch vorhanden, der aber die Kräfte nur in zwei Stufen erhöht. Das ist insofern schade, als dass die Nutzung dieser eine Menge Spaß macht. Zwar wollte Arkane damit wohl verhindern, dass Corvo zu übermächtig wird, aber man hätte sich hier mehr Mühe geben können, mehr Stufen mit gewissen Vorteilen auszuarbeiten. Um überhaupt die Kräfte zu nutzen, bekommen wir sozusagen Besuch aus einer mythischen Parallelwelt. Hier erfahren wir von den Runen und Knochenartifakten, mit denen wir unseren Corvo pimpen können, entweder mit aktiven oder passiven Fähigkeiten. Dazu haben wir eine Art mechanisches Herz im Inventar, mit dem wir uns versteckte Artifakte anzeigen lassen können - was aber nicht heißen soll, dass es einfach wäre, sie dadurch mal schnell abzugreifen.

Denn man kann das Leveldesign als durchaus gelungen bezeichnen. Nicht nur, dass uns die Möglichkeit eröffnet wird, auf verschiedenen Wegen zu unserem Ziel zu gelangen, sondern gibt es immer wieder mal den Drang, vom eigentlichen Weg abzuschweifen, um möglichst alle Ecken durchsucht zu haben. Dort sind dann auch die Runen sowie viele sammelbare Items, die unsere Statistiken verbessern. So können wir unter anderem auch Gemälde oder Kuperdraht klauen, um das Münzkonto ordentlich aufzustocken. Entdecker werden also sicherlich ihren Spaß haben, auch wenn "Dishonored" beileibe kein "Skyrim" ist...

Verhaltensauffällig

Nun ist es nicht nur wichtig, alle Abschnitte so ausführlich wie möglich durchzecht zu haben, sondern auch die Herangehensweise, wie wir Corvo mit unseren Gegnern umspringen lassen. Wir können uns gerne mit gezückten Waffen den Wachen entgegenstellen und sie mit blutigen Stichen in den Tod treiben (was auch das Finale des Spiels beeinflusst). sondern auch komplett umgehen. Hier entfaltet "Dishonored" seine wahre Stärke, wenn man in klassischer "Thief"-Manier die gesamte Gefolgschaft lediglich schlafen legt - sei es mit rar gesäten Betäubungspfeilen oder schlicht durch hinterlistiges Anschleichen. Man kann das Spiel auch komplett als "Geist" absolvieren, also tötet dabei keinen einzigen Gegner - auch nicht die storyrelevanten Figuren. Hier hat Arkane ganze Arbeit geleistet, und auch die Spielweise verlangt vom Spieler ganze Arbeit.

Zwar ist es sicherlich nicht einfach, die Wachen ins Land der Träume zu schicken, aber ehrlich gesagt auch nicht wirklich schwer. Die Laufwege der Gegner sind zu berechenbar, aufgeschreckte rennen teils sogar in ihr Verderben oder erschießen sich gegenseitig. So kann es passieren, dass die so genannten Lichtwände als Verbrennungsfalle für die Wachen dienen, die werden dann dummerweise einfach gegrillt. Auch sonst verhalten sich die Gegner wenig nachvollziehbar, man fühlt sich nie richtig unter Druck, da sie sehr schnell wieder in ihr altes Muster zurückfallen. Einzig noch die stylishen Tallboys sind da ein anderes Kaliber, die erstens viel hartnäckiger angelegt wurden und auch sonst schwerer zu bekämpfen sind.

Ein Strich in der Landschaft

Genügsamer ist da die Technik, die zwar nach dem Laden unschöne Nachladeaktionen vollführt, aber in voller Pracht ein stilvoller Genremix ist. Das altertümliche Stadtdesign im viktorianischen Baustil vermischt sich mit beim Steampunk abgeguckten Metallwanddesign, so wirkt "Dishonored" wie ein Mix aus "Dark Project" und "Half-Life 2". Ob das nun stimmig ist, muss jeder für sich selbst entscheiden, und auch ich bin in dieser Hinsicht noch recht unschlüssig. Dafür passt der leichte Comicanstrich ganz gut, auch wenn manche Schwammtexturen den Eindruck ein wenig trüben mögen. Dafür passen die Effekte und vor allem die Licht-/Schattendarstellungen sehr gut ins Bild.

Beim Sound gibt es indes rein gar nichts zu beanstanden. Die Effekte sind einprägsam und von guter Qualität, das reicht vom Hintergrundrauschen bis hin zu Waffengeräuschen. Auch bei den Sprechern ist das Niveau weit oben angesiedelt, da hört man im englischen Original Hollywood-Größen wie Susan Sarandon oder Michael Madsen oder in der deutschen Version bekannte Synchronsprecher.

Fazit

Ich habe mich schon im Vorfeld auf "Dishonored" gefreut, und meine Erwartungen sollten in Bezug auf die Schleichmöglichkeiten keineswegs enttäuscht werden. Zwar wird mir die Story nicht wirklich im Gedächtnis haften bleiben, aber bietet sie rein spielerisch die vielen Möglichkeiten, mich auch anderweitig an einen zweiten Anlauf zu wagen. Wer also Brachialaction verabscheut und die "Thief"-Reihe auf allen Schwierigkeitsgraden regelrecht verschlungen hatte, kommt an "Dishonored" wohl nicht vorbei.


Wertung
Pro und Kontra
  • Stimmiger Comic-Stil
  • Super Sounddesign
  • Gute Sprecher
  • Mit Abstrichen gelungene PC-Portierung
  • Offenes und vielfältiges Leveldesign
  • Texturenmatsch
  • Inkonsequentes KI-Verhalten
  • Story eher belanglos

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(2)
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