Action statt Taktik bringt frischen Wind...

- KURZTEST -   VORWORT Viel wurde geschrieben, viel wurde diskutiert - Dragon Age 2 sei kein echtes Rollenspiel mehr. Als misslungenes Ergebnis einer...

von - Gast - am: 18.08.2012

- KURZTEST -

 

VORWORT

Viel wurde geschrieben, viel wurde diskutiert - Dragon Age 2 sei kein echtes Rollenspiel mehr.

Als misslungenes Ergebnis einer Mainstream-Politik des Publishers Electronic Arts, welcher sich der einst so beliebte Entwickler Bioware habe unterordnen müssen, wurde es durch die Straßen - der RPG-Liebhaber von vor einem Jahrzehnt - getrieben und mit faulen Eiern beworfen.

Aber geschah das zurecht? Oder verhält es sich ähnlich wie bei der ein oder anderen Punk-Band, die sich einfach weiter entwickelt hat?

Ist Dragon Age II kein Rollenspiel mehr oder sind die alteingesessenen Fans einfach nicht bereit, Veränderungen an 'ihrem' Lieblingsgenre zu akzeptieren?

 

BERECHTIGTE KRITIK

Zunächst mal gibt es sicherlich Kritikpunkte am Spiel, die absolut berechtigt sind.

Zum einen sind da die sich, durchschnittlich bei jeder dritten oder vierten Mission, wiederholenden Geländesets. Ob man nun ein paar Kräuter für einen Trank sammelt oder ein paar Abtrünnige verfolgt, man wird häufig in genau das gleiche Levelkonstrukt 'verladen'.
Selbst jemandem, der absolut nichts mit Spielen am Hut hat (in meinem Fall war es mein ergrauter Vater), fällt auf, dass hier massiv Grafik-Recycling statt gefunden hat (O-Ton - '...da warst du doch grad schon mal.').

Zum anderen wurden, wenn man sich den Vorgänger ansieht, im Grunde sämtliche Freiheiten im Hinblick auf das Erkunden von Gegenden (Wälder, freie Ebenen, große Städte) gestrichen, bzw. erst garnicht eingebaut.
Selbst in der (einzigen) Stadt Kirkwall gibt es diverse Ladebildschirme beim Wechsel zwischen einzelnen Stadtteilen.

Wer da nicht jedes Fitzelchen an Vorinformationen zum Nachfolger gelesen oder gesehen hat, der war zurecht schockiert.


UNBERECHTIGTE KRITIK

Doch es gab auch einige Vorwürfe, die dem Spiel vollkommen zu Unrecht angedichtet wurden wie u.a. eine dürftige Geschichte oder nüchterne Gruppenkommunikation.

Die Geschichte des Spiels, mag sie sich auch nicht so groß (durch die Bindung an eine einzige Stadt + Umgebung) und weitreichend anfühlen, wie im ersten Teil; so ist sie doch von Anfang an spannend ('vom Millionär zum Tellerwäscher'), mit zahlreichen Wendungen versehen ('wen nimmt man in die Ausgrabungsstätte mit' / 'Entwicklung einer Gefährtin - Stichwort: Spiegel') und stellt einen vor eine Entscheidung, die alles andere als einfach ist und sich durch den gesamten Spielverlauf zieht.

Die Interaktion der Charaktäre ist, je nach Zusammenstellung der Gruppe, auf dem gleichen Niveau wie bei einem der Urgesteine der (Neuzeit)RPGs - Baldur´s Gate 2.
Ständig streiten sich Mitglieder, äußern lauthals ihren Unmut oder ihre Zustimmung über meine Handlungen, frotzeln sich gegenseitig (Zwerg und Piratenbraut - köstlich!) und sorgen so für ein glaubhaftes Mittendrin-Gefühl. Wie schon in Baldur´s Gate 2 ist es möglich, mit Charaktären eine Beziehung - mit allem was so dazugehört - zu beginnen.

An Atmosphäre und Glaubwürdigkeit fehlt es dem Spiel also ganz sicher nicht.

 

GRAFIK

Vergleicht man Dragon Age 2 mit seinem unmittelbaren Vorgänger so kommt es ganz auf die Sichtweise des Behold...ähm... Betrachters an.

Texturen, Effekte, Animationen sind natürlich besser geworden.

Dadurch, dass man seitens Bioware aber eben diese stetigen Wiederholungen von Grafiksets verwendet hat, wirkt die Gesamtoptik mit unter etwas langweilig. Dies wird durch den Umstand, dass jegliche freie Erkundung fehlt, noch verstärkt.

Insgesamt aber ist die Grafik noch nie ein Kriterium gewesen, welches in einem Rollenspiel (egal ob Action, Core oder Mix) entscheidend gewesen wäre. Und selbst wenn ich heute Dragon Age II zum insgesamt fünften Male beginnen würde, sind insbesondere die Gesichtstexturen der Charaktäre einfach schön anzusehen.

Kurz gesagt: Die Grafik von DA II ist sicherlich nicht taufrisch, aber sie ist in sich stimmig.

 

SOUND

Damit kommen wir zu einem Punkt an dem selbst die größten DA II-Kritiker nichts aussetzen können.

Ja, ok. Der ein oder andere deutsche Sprecher hätte hin und wieder mal eine 'Witch of the Wild' in Drachenform als kleinen Motivationsschub über seinem Kopf brauchen können, aber im Großen und Ganzen hat man sich nicht im Ton vergriffen.

Wer des Englischen mächtig ist, der sollte diese Installation aber dennoch vorziehen. U.a. weil es diese klassischen Wortspiele gibt, die man im Deutschen so einfach nicht wiedergeben kann. Auch die ein oder andere Reaktion auf schockierende Geschehnisse wird von den englischen Sprechern etwas glaubhafter rübergebracht.

Zu den Soundeffekten gibt es nicht viel zu sagen, Schwerter klirren, Zauber sirren und krachen, Drachen brüllen, usw..

Die musikalische Untermalung ist meiner Meinung nach besonders gut gelungen. Teils ist sie an das Geschehen angepasst, teils wird durch das Weglassen Spannung erzeugt.
Die Titelmelodie im Hauptmenü war mir persönlich sogar den Kauf bei iTunes wert.

 

STEUERUNG

Das Spiel wird wahlweise per Gamepad oder mittels Maus und Tastatur gespielt.
Zweiteres geht gut von der Hand (zum Gamepad kann ich nichts schreiben, da ich keines habe), bereits die Standard-Einstellungen funktionieren nach fünf Minuten Einarbeitungszeit tadellos.
Wer möchte, kann aber auch jeder Aktion eine eigene Taste zuweisen und so die Steuerung ganz den eigenen Wünschen anpassen.

Speichern kann man (fast) jederzeit. Lediglich während Kämpfen oder Videosequenzen erlaubt das Programm dies nicht.
Regluläre Gegner lassen sich so bei einer eventuellen Niederlage sofort wieder angehen. Bei Spezialgegnern muss man sich mit unter noch einmal die ein oder andere Sequenz betrachten bevor man sich erneut in den Kampf stürzt.
Eben jener kann, wie bei Bioware-Titeln bisher üblich, jederzeit pausiert werden um den Partymitgliedern (oder dem eigenen Charakter) neue Befehle zu erteilen.

 

ATMOSPHÄRE

Was ist es also, was den einen das Spiel lieben lässt, den anderen dazu bringt, es als RPG-Krüppel zu bezeichnen?

Die Atmosphäre dürfte hier der entscheidende Punkt sein. Wem ist was bei diesem Spiel, bei dieser 'Art von Spiel' wichtig?

Wer die Atmosphäre primär aus dem möglichst freien Durchstreifen einer riesigen, wenn möglich offenen Spielwelt mit unerwarteten Zufallskämpfen und dem millimetergenauen Anpassen seiner Charakterwerte zieht, dem bietet Dragon Age II tatsächlich nicht viel.

Wem aber insbesondere die Geschichte mit ihren Wendungen und Entscheidungen wichtig ist, wer großen Wert auf die Interaktion der Partymitglieder legt, wer gerne auch mal für sein Tun mit einem eigenen Schloss belohnt wird, anstatt weiterhin vom Händler noch horrende Preise abgeluchst zu bekommen obwohl man doch der Held der Stadt ist, den dürfte Dragon Age II eigentlich nicht mehr loslassen.

Und aufgrund der im Spiel unterschiedlich auftretenden Partymitglieder (je nach Klassen- oder Geschlechtswahl) sowie einiger äußerst tragender Entscheidungen (sollte ich mit der Bezeichnung 'schmerzhaft' spoilern?) ist meines Erachtens auch ein guter Wiederspielwert gegeben.

 

PERSÖNLICHES FAZIT

Wie man vermutlich bereits aus meinen Ausführungen herauslesen kann, gehöre ich zu der Gattung Spieler, die von Dragon Age II sehr angetan war und immer noch ist.

Ich habe all die früheren Bioware-Spiele gerne gespielt, aber bereits da eher die Serien, welche ein großes Augenmerk auf Story und Gruppeninteraktion legten (BG und PST mehr, IWD weniger).
Ich persönlich verzeihe Bioware die geklonten Grafiksets, da sie aus meiner Sicht nur Mittel zum Zweck sind und mir generell die Grafik durchaus gefällt.

Und um auf meine Einführung zurück zu kommen: Das Genre der Rollenspiele hat sich aus meiner Sicht einfach verändert. Es ist in eine neue Richtung gegangen, die mehr Wert auf ein 'filmisches Erlebnis' denn auf das 'Austarrieren der Charakterwerte' legt.

Das kann man mögen oder nicht und ich kann die kritischen Stimmen absolut verstehen.
Dem Spiel aber seine Bezeichnung 'Rollenspiel' abzusprechen ist schlicht falsch. Denn gerade auf diesen Punkt legt die 'neue Generation' ja ihr Hauptaugenmerk... nur eben kombiniert mit eingängiger, leicht erlernbarer Action anstatt mit der früheren 'Taktik für Tüftler'.

Meine abschließende Wertung bezieht sich daher ausschließlich auf mein persönliches Erlebnis mit Dragon Age II, welches für mich das beste Rollenspiel seit der Baldur´s Gate-Reihe ist.

(Wer zur von mir grob skizzierten Gattung der Kritiker gehört, darf mit gutem Recht 20%-Punkte abziehen.)


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik in sich stimmig, schön gestaltete Gesichter
  • Musikalische Untermalung sehr gelungen
  • unterschiedliche Schwierigkeitsgrade mit sanfter Lernkurve
  • alte aber dennoch faszinierende Geschichte mit kleinen (Nebengeschichten) und großen Höhepunkten
  • gute Steuerung, selbst konfigurierbar
  • hoher Wiederspielwert aufgrund eigener Entscheidungen und unterscheidlicher Party-Mitglieder je nach eigener Charakterwahl
  • mehrfach verwendete Grafik- und Landschaftssettings (Recycling)
  • kein freies Erkunden der Spielwelt (reisen, laden, reisen ...)
  • die Party-Mitglieder können nicht vom Spieler mit Ausrüstung ausgestattet werden (ausgenommen Waffen)

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 100 Stunden



Kommentare(3)
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