Auf den Zinnen einer Burg schlagen ein Mensch und ein Elf verbissen mit Schwertern aufeinander ein. Der Kampf auf Leben und Tod dient uns dazu, einen wichtigen Unterschied zu illustrieren: nämlich den zwischen Hoch-Fantasy und Dunkler Fantasy. In der Hoch-Fantasy streckt der Mensch den Elfen mit einer geschickten Finte nieder, ruft dem Sterbenden ein »Endlich! Deine Herrschaft des Bösen ist zu Ende!« hinterher, und vor dem Burgtor jubelt die Dorfbevölkerung, deren Bürgermeister schon das ausgelobte Schwert des Goldenen Kriegers unter den Arm geklemmt hat, locker in Geschenkpapier eingeschlagen.
In der Dunklen Fantasy dagegen hebt der blutüberströmte Menschenkrieger mit letzter Kraft seine Klinge und hackt dem Elfen unter Donnergrollen den Kopf von den Schultern, sackt dann in der warmen Blutlache zusammen – und am Ende stellt sich heraus, dass er seinen lang verschollenen Halbbruder enthauptet hat, während lachend der Erzbösewicht aus dem Schatten tritt und spottet: »Danke, dass du das einzige Wesen getötet hast, das mich hätte stoppen können!« Dann brennt er die Burg nieder.
Seit Tolkiens Herr der Ringe gilt Hoch-Fantasy als die klassische Ausprägung des Mythen- und- Magie-Genres, Das Schwarze Auge gehört dazu und auch Dungeons & Dragons. In der Hoch-Fantasy sind Helden edel, Gut und Böse klar abgegrenzt, und auch wenn die Welt mal am Abgrund steht, siegt am Ende die Gerechtigkeit; die Völker raufen sich zusammen, und selten geht die gegenseitige Abneigung über den einen oder anderen Langohren- Witz hinaus. Die Dunkle Fantasy ersetzt die saubere Welt durch eine radikal dreckige: Hier stehen Länder am Abgrund, die Zivilisation bröckelt, Diskriminierung und Misstrauen bestimmen den Umgang, und wem von einem böswilligen Schicksal die Heldenrolle aufgezwungen wird, der kommt schnell vom Regen in die Traufe – die meisten Entscheidungen haben böse Konsequenzen, der Rest katastrophale. Zu dieser düsteren Spielart gehören The Witcher oder (mit Einschränkungen) das Warhammer- Universum. Und in Kürze das neue Spiel der Rollenspiel-Profis von Bioware: Dragon Age.
Die Säulen der Ehre
Fast zwei Jahre sind vergangen, seit wir Ende 2006 das letzte Mal vor Ort bei Bioware waren, um das geheimnisumwobene Dragon Age auszuleuchten. Inzwischen hat Bioware auf der E3 und Games Convention den aktuellen Stand des mehr als ein Jahr lang in der Versenkung verschwundenen Rollenspiels präsentiert – und dennoch weiß man noch wenig über den Inhalt von Dragon Age. Also sind wir einmal mehr ins kanadische Edmonton geflogen, um mit dem Design-Team zu sprechen. Und um als erster Mensch außerhalb des Bioware-Teams einen Abschnitt selbst zu spielen. Dabei haben wir Faszinierendes gesehen und viel Neues darüber gelernt, wie Dragon Age funktionieren wird – aber wir müssen auch ein paar vollmundige Ankündigungen entzaubern.
Wenn jemand von Bioware über Dragon Age zu sprechen beginnt, dann fällt über kurz oder lang das Wort vom »Nachfolger im Geiste« zu Baldur’s Gate. Die Fans hören’s mit gespitzten Ohren, denn die zweiteilige Rollenspiel- Serie von Ende der 90er- Jahre gehört zu den herausragenden Klassikern ihres Genres. Doch der Slogan ist mit Vorsicht zu genießen. Die beiden Spiele haben zunächst wenig miteinander gemein. Wo Baldur’s Gate überwiegend hell und sauber war, ist Dragon Age düster und brutal. Die Welt der Vergessenen Reiche (Forgotten Realms) ersetzt Bioware durch das selbst erfundene Land Feralden, die D&D-Regeln durch ein eigenes Spielsystem. Die 3D-Kamera schwenkt (wie in Neverwinter Nights) frei beweglich und späht meist aus einer Verfolgerperspektive, die Party fällt kleiner aus, die Taktikkämpfe basieren stark auf Gefechtstalenten. Der Vergleich mit Baldur’s Gate bezieht sich eher auf die Spielerfahrung, die an die Stärken des Klassikers anknüpfen soll. Wer verstehen will, wie diese Spielerfahrung entsteht, der muss sich die sechs Säulen ansehen, auf denen laut den Firmengründern Ray Muzyka und Greg Zeschuk jedes Bioware- Spiel steht (siehe Interview links): Handlung, Entdeckung, Konflikte, Individualisierung, Wachstum und Lebensdauer.
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