Dragon Age: Chance verpasst

Als alter Fan der B(aldur's )G(ate) Reihe haben die großmündigen Vergleiche mit BG natürlich sofort mein Interesse geweckt und ich habe mir das Spiel kurz nach...

von - Gast - am: 23.03.2010

Als alter Fan der B(aldur's )G(ate) Reihe haben die großmündigen Vergleiche mit BG natürlich sofort mein Interesse geweckt und ich habe mir das Spiel kurz nach Erscheinen gekauft. Nach anfänglicher Euphorie hat mich DA:O allerdings wieder auf den Boden der Tatsachen gebracht: Auf eine Nachfolger von BG, ob in geistiger oder sonst irgendeiner Art muss ich wohl noch länger warten.

Grafik

Die Texturen könnten schöner, und die Polygone zahlreicher sein, sind aber befriedigend. Die Kampfanimationen sind auch Standard, obwohl der angekündigte 'sword-porn' sich wohl eher auf die finalen Todesstöße begrenzt, als auf die Duelle an sich (wo ich bei Neverwinter Nights 1 schönere Paraden gesehen habe). Aber da wäre wohl mehr Entwicklungszeit und Geld bei draufgegangen.

Sound

Alle Dialoge sind vorbildlich vertont, wobei ich nur der englischen Version gelauscht habe.
Die Musik erinnert einstweilen an den Herr der Ringe Soundtrack, und ist ganz brauchbar für meinen Geschmack.

Spielmechanik

Die Abkehr vom AD&D Regelwerk ist grundsätzlich zu begrüßen. Vor allem wurde der Wust von Klassen, der z.B. NWN2 verunglimpfte ein wenig gelichtet und übersichtlicher gestaltet.
Toll wäre es allerdings gewesen, zu wissen, was meine Talent- und Charakterwerte wirklich im Kampfgeschehen anrichten. Bioware lässt mich da mit wagen Andeutungen wie „Geschicklichkeit: Sehr nützlich für Entfernungsangriffe und viele Krieger.“ eher im Dunkeln.
Außerdem hätte ich es lieber gesehen, wenn Bioware das Magiesystem vom AD&D Regelwerk geklaut hätte. Dieses sorgte in meinen Augen für wesentlich taktischere Kämpfe. Aber was soll's. Dann schlucke ich halt wieder haufenweise 'Manatränke'.
Damit man den Dieb auch Dieb und nicht Meuchelmörder nennen kann, wurden überall in Ferelden verschlossene Truhen platziert, die einzig und allein ein Dieb öffnen kann (nicht etwa ein Vorschlaghammer oder eine magische Explosion) und ihn zwingen, Talentpunkte für das Schlösseröffnen zu opfern. Es dreht sich halt nicht alles nur um den Kampf in DA!

Die unglaublich zahlreichen Kämpfe sind schwer, aber für BG-Fans eher kein Problem. Die Gegnervariationen wurden gering gehalten und der Schwierigkeitsgrad wird hauptsächlich durch Anzahl und Gegner-Level bestimmt.

Atmosphäre und Plot

Laut Bioware sollen sowohl meine selbst gewählte Herkunft, als auch meine Entscheidungen Einfluss auf den Spielverlauf haben. Das hört sich ja nett an und sorgt auch dafür, dass ich €50 für den Titel hinblättere, im Spiel ist davon aber wenig zu merken. Nach jeder, bis auf eine der spannenden Herkunftsgeschichten lässt man verbrannte Erde zurück, die jegliche Rückkehr auf eigene Faust ausschließt. Die erwünschten emotionalen Reaktionen auf die eigene Lage sind zwar vorhanden, Bioware macht aber nichts damit, da im restlichen Spiel ganz selten und nur am Rande auf die Herkunft Bezug genommen wird und sie in der Tat keinerlei Einfluss auf den späteren Spielverlauf hat. Z.B. In DA:O sind die Elfen von den Menschen verachtet und werden höchstens als Diener angesehen. Die Herkunftsgeschichte lebt zwar davon, aber sobald diese vorbei ist, bemerkt niemand mehr meine spitzen Ohren. In der Tat gaukelt DA:O meist nur den Anschein von Entscheidungsvielfalt vor. In Dialogen habe ich regelmäßig bis zu 6 Optionen (soweit ich mich erinnere), mit denen mein Recke antworten könnte, aber manchmal hat man einfach das Gefühl, dass Bioware nur Spaß daran hatte, ein und den selben Satz auf 6 verschiedene Weisen umzustellen. Manchmal ist meine Antwort auch schlichtweg egal, denn der NPC wird immer nur auf eine Weise reagieren. Ein Beispiel wie DA mich in ein Korsett zwingt: Der einzige mir wohlgesonnene Blutmagier im Spiel hat ein paar Verbrechen begangen und ich soll über sein Schicksal entscheiden. Eigentlich will ich ihn in meiner Party haben, weil er ziemlich mächtig ist, aber diese nahestehende Option wird gar nicht angeboten. Stattdessen kann ich ihn hinrichten, einkerkern oder freilassen, anstatt ihn unter meiner Aufsicht Wiedergutmachung leisten zu lassen. In der Hoffnung, dass ich ihn doch später noch aufnehmen kann, klicke ich mich durch weitere Dialoge und Laufe hin und her, aber es bringt alles nichts. Eine solche Entscheidung war einfach nicht vorgesehen.


Die Wahl der zur Verfügung stehenden Party überrascht nicht; nach alten Bioware-Fantasy-Konventionen: Weise alte Magierin mit Beraterfunktion. Junger, dynamischer Krieger als Comic-Relief (Viele der „lustigen“ Dialoge klingen gezwungen.) Kleiner Zwerg auf der Suche nach dem/der nächsten Bier/Frau/Schädel-zum-Einschlagen usw ... Und wie gewohnt mehrere Möglichkeiten eine Romanze zu beginnen: Entweder muss ich kleine Kinder verspeisen, um die eine rumzukriegen, oder Einhörner retten, um die Gunst der anderen zu gewinnen. (Als weiblicher Hauptcharakter kann man auch mit Männern und angeblich geht auch gleichgeschlechtlich, aber daran können sich die mit besonderen Bedürfnissen erfreuen.) Die meisten meiner Mitstreiter haben ihre kleinen Geheimnisse, die durchaus faszinierend sind, aber die Probleme und Fragen, die dadurch entstehen werden nicht konsequent verfolgt und man hat ständig das Gefühl, dass da doch noch was kommen müsste ... tut es aber nicht. Ist ja auch einfacher so. BG hat das viel besser gemacht.
Meine Party reagiert auch auf die Wahl meines Vorgehens sowohl mit Dialog, als auch mit durch Vergabe von Punkten auf der Hass-Liebe-Skala von 0 bis 100. Auch Geschenke können diese beeinflussen :

„Hey, du hast gerade unschuldige Menschen dem sicheren Tod überlassen“ ---- 'Alistair mag dich nicht mehr: -10 Punkte'
„Ach was, nicht so schlimm. Hier, nimm ein Geschenk!“ ----'Alistair liebt dich wieder: +10 Punkte'

??? Ich hatte eigentlich nicht das Gefühl, Söldner angeheuert zu haben. Aber ansonsten ist es wohl einfach zu schwer, es allen in meiner Party recht zu machen.
Bis auf die Geschenke ist die Motivation meiner Mitstreiter, so zu handeln, wie sie es tun, meist jedoch nachvollziehbar. Meine eigene Motivation dafür oft um so weniger und ich will auch erläutern, wieso.

Der Hauptplot ist Herr-der-Ringe-Standard: Die gesamte Zivilisierte Welt wird von einer ominösen Dunklen Brut bedroht, die bis zum Ende ominös und dunkel bleibt. Man begegnet keinem einzigen Sprecher für diese Partei, noch nicht mal ihre Anführer lassen sich zu einem Statement oder einer Forderung herab; sie sind einfach nur böse. Genügt das nicht? Nach den eigentlich spannenden Origins-Intros, begegnet mir mein „Mentor“ Duncan, für den ich an einem Nachmittag eine kurze Quest erledige... (!Achtung Spoiler!) ...und den ich dann nie wieder sehe. In der Tat macht er sich in der Szene des Aufnahmerituals nicht gerade beliebt bei mir und nach seinem Ableben ... (!Spoiler Ende!) … soll ich dann die gesamte Welt befreien aus einem Gefühl der Pflichterfüllung, das mir nicht wirklich vermittelt wurde, da ich vom Spiel in meine Rolle hinein gezwängt werde? Ein mögliches Motiv, wäre da noch, Rache (!Achtung Spoiler!) ...an dem Verräter zu üben, der mich zum Sterben zurückgelassen hat ... (!Spoiler Ende!) Aber das erklärt kaum, weshalb ich die nächsten 50 Stunden durch Ferelden Renne und versuche, alte „Verbündete“ davon zu überzeugen, dass wirklich die dunkle Brut vor der Tür steht und sie aufhören sollen, sich wie kleine Kinder zu benehmen. In DA:O fehlt ein Gefühl der Bedrohung und der wirklichen (u.a. fatalen) Konsequenzen meines Handelns. Beispiel: In Baldur's Gate 2 war es untersagt, in der Hauptstadt Magie zu wirken. Handelte man dem zuwider, gab es eine Verwarnung und schließlich kam eine Gruppe Polizeizauberer und trat einem in den Hintern bis man starb. Kein wenn und aber. In DA:O hingegen kann ich tun und lassen, was ich will. Es gibt keine derartigen Grenzen. Man wandert durch eine Welt, die mit jedem Atemzug vermittelt: „Du bist das größte, tollste und nicht einmal Chuck Norris kann dich aufhalten“ … So laufe ich z.B. durch die Hallen des Königs und lasse alles mitgehen, was nicht angewachsen ist, und das ganze unter der Aufsicht der Wachen, die mich danach auch noch mit einem Lächeln verabschieden. Das tötet die Atmosphäre, von der das Spiel lebt. In der Tat sollte man eigentlich meinen, man stehe unter Zeitdruck, aber für einen kleinen Laufburschenauftrag von der lokalen Magiergilde macht die Dunkle Brut gerne noch eine Woche länger Brotzeitpause. Naja. Wenigstens ist man am Ende jedermanns Liebling und in einer heroischen Schlacht gegen einfach noch größere Mengen von Standardgegnern, besiege ich den Oberbösewicht und schon ist die Welt wieder gut. Dabei beginnt sich gerade vor Ende des Haupterzählstranges einer der interessantesten Geschichten im Spiel um Morrigan herum zu entwickeln. Nach der Endschlacht ist dann aber Sendepause. Addon! Unbefriedigt beobachte ich die End-Credits.

Als ich behauptete, meine Handlungen hätten keinen Einfluss auf das Spielgeschehen, habe ich ein wenig übertrieben, denn im Abspann teilt mir das Spiel ein paar der Konsequenzen in stylischen Textfenstern mit.

Fazit

Wer jetzt den Eindruck bekommen hat, ich würde Dragon Age für kein tolles Spiel halten, ... hat recht. Nach den vollmundigen Ankündigungen und Versprechungen und erst recht der langen Entwicklungszeit von 6 Jahren, waren meine Erwartungen einfach zu hoch angesiedelt.
DA:O ist ebenfalls nicht total schlecht. Es ist einfach Standard. Die Neuerungen sind nicht wirklich Neuerungen. Die Entscheidungsfreiheit ist zu gering, und die festen Schienen auf denen ich auf Konfrontationskurs mit jedem einzelnen der Myriaden von Standardgegnern entgegensteuere, nehmen mir die Lust, DA ein weiteres mal durchzuspielen.

Meine Wertung

70%

Ps: Was mich wirklich aufgeregt hat

-An zwei Stellen im Spiel wird mir von NPC-Händlern angeboten, Dlc's gegen echtes Geld zu erwerben. Und zwar nicht subtil, sondern geradezu aufgezwungen. EA geht sogar so weit, den einen der beiden Händler als ständigen Reisebegleiter im eigenen Lager aufzustellen.

- Zeitfüller-Sidequests, die liebloser nicht gehen. An Anschlagtafeln werden mir generische Laufburschenaufgaben zugeteilt, die weder Atmosphäre fördern, noch besonders herausfordernd sind.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: annehmbare Animationen und gute Gesichtszüge
  • Sound: glaubhaft vertonte Dialoge
  • Balance: schwer gehalten
  • Atmosphäre: Partymitglieder mit eigenem Charakter
  • Bedienung: intuitiv
  • Umfang: Spielzeit. Ca. 50 Stunden...
  • Quests/Handlung: Quests durch Mitstreiter
  • Charaktersystem: Übersichtlich, schlank.
  • Kampfsystem: Standard
  • Items: Crafting möglich...
  • Grafik: altbackene Texturen
  • Sound: manchmal repetitive Kampfmusik
  • Balance: nichts für Anfänger
  • Atmosphäre: Entscheidungen haben minimalen Einfluss
  • Bedienung: KI ziemlich dumm
  • Umfang: ... wirkt durch extrem viele Kämpfe gestreckt
  • Quests/Handlung: Haupthandlungsstrang zu dröge
  • Charaktersystem: Ein paar Talente, die eher nicht gebraucht werden.
  • Kampfsystem: Undurchsichtige Interna. Man muss raten.
  • Items: ... dasselbe kann man aber auch im Laden kaufen

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(16)
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