Experience112 zeigt innovative Ideen, vernachlässigt dabei aber Genrestandards

In der heutigen Zeit sind Innovationen in der Videospielbranche rar gesät. Nicht zuletzt deshalb, weil sich Fortsetzungen einfach besser verkaufen. Lieber mehr...

von - Gast - am: 01.05.2008

In der heutigen Zeit sind Innovationen in der Videospielbranche rar gesät. Nicht zuletzt deshalb, weil sich Fortsetzungen einfach besser verkaufen. Lieber mehr vom alten und bekannten, als den Versuch zu unternehmen, etwas Neues zu kreieren. Wirklich schade, denn gerade die kleinen Entwicklerstudios, die sich auf unbekanntes Terrain begeben, sind die, die aufgrund zu wenig verkaufter Spielexemplare untergehen.

Wo bin ich?

Umso erfreulicher ist es, dass das Horror-Adventure Experience 112 ein vollkommen neues Spielerlebnis liefert. Es schickt den Spieler in ein mysteriöses Schiffswrack voll düsterer Überraschungen. Durch die neue Steuerung wird der Spieler allerdings zum Voyeur im Horror-Tanker.
Lea Nicols, die Heldin des Point & Click Adventures Experience112 erwacht in einer staubigen Kajüte an Bord eines gestrandeten Öltankers. Es gibt wahrlich freundlichere Orte, an denen man sich nach dunklen Zeiten wieder finden möchte, doch dieser Wunsch bleibt Lea verwehrt. Der rostige Kahn entpuppt sich als geheimes Forschungslabor, doch eine Amnesie verhindert, dass weitere Informationen zum Spieler vordringen.

Dass Lea nicht allein ist, bemerkt sie, als jemand in der Überwachungszentrale die Kameras einschaltet und versucht mit ihr Kontakt aufzunehmen. Dieser Jemand seid ihr, also der Spieler selbst. Somit steuert ihr die Protagonistin nicht direkt, sondern könnt viel mehr nur zuschauen und müsst Rätsel auf ungewöhnliche Weise lösen. Anstatt konkrete Befehle wie „gehe zu“ oder „benutze Objekt x“ zu erteilen, wie sie im Genre normalerweise üblich sind, kann man ihre Aufmerksamkeit lediglich durch indirekte Weise, z.B. durch das Anschalten von Geräten, Lichtern etc. auf interessante Dinge ziehen. Und so beginnt auch eure Reise durch den Schiffsbauch: Lichter an- und ausknipsen, um voran zu kommen, Informationen zu sammeln, oder Codekarten aufzuklauben. Klingt in erster Linie interessant, wird aber schnell ermüdend. Das liegt vor allem daran, dass man zum Zuschauen verdammt wird, selten darf man direkt die Kontroller übernehmen, etwa um Roboter zu steuern, um eine Magnetkarte aus einem Labor zu fischen. Die gesammelten Objekte und Daten aus Computern oder Aktenschränken können von euch selbst nach Passwörtern und Co. durchforstet werden.

Steuerung schwerfällig wie ein Kahn

Durch Erinnerungsfetzen und Hinweise im Computersystem kommt Lea allmählich dahinter, was in dem Schiffswrack passiert ist: Wissenschaftliche Experimente, die schief gegangen sind, fremdartige Lebewesen und weitere Geheimnisse - es geht recht düster zu, Lea stolpert immer wieder über Leichen. Die Geschichte, die an sich sehr interessant ist, wird immer wieder durch Designschnitzer getrübt. So gibt es unzählige Kameraperspektiven, die der Spieler schwenken, zoomen und sogar mit Nacht- oder Infrarotsichtfiltern versehen kann, wobei deren Koordination zur reinsten Klickorgie verkommt. Dabei schiebt ihr beim Spielen ständig die Videofenster hin und her, was euch mehr beschäftigt, als das eigentliche Spiel.

Eine Geschichte, die fesselt

Dazu kommt noch, dass Lea meist im toten Winkel steht, oder eine Überwachungskamera die Sicht versperrt. Die Grafik gibt sich trist, körnig und etwas steril, die Detailstufe des Optikgewands ist nicht mehr zeitgemäß. Polygonarme Figuren und Farbmangel legen sich wie ein Schleier auf die Bilder. Wenigstens wirken die Ortschaften sehr glaubhaft, was vor Allem an den vielen Kameraperspektiven liegt, die man auf Wunsch selbst justieren kann. Für besondere Schlüsselszenen wechselt das Spiel in vorgerenderte Sequenzen, die wie der komplette Titel hervorragend vertont wurden, was natürlich dem Gruselfaktor zu Gute kommt. Lea wird dabei von Ranja Bonalana synchronisiert, auch als Kate Austen aus Lost bekannt. Die restliche Musikuntermalung ist aber größtenteils nervig, selten trägt sie zur düsteren Atmosphäre durch dezente Klänge bei. In technischer Hinsicht ist das vom französischen Entwicklerteam Lexis Numérique programmierte Spiel also unspektakulär und veraltet. Die Geschichte ist es, die den Spieler immer wieder an den Bildschirm fesselt und Lea förmlich durch die Linsen Ratschläge erteilt.

Fazit

'Unterm Strich löst Experience112 durch seine ungewöhnliche Machart in den ersten Minuten Begeisterung aus, danach wird es aber schnell eintönig. Man lotst die Heldin ständig von Ort zu Ort, in der Hoffnung, dass sie einen neuen nützlichen Gegenstand findet. Abwechslung kommt eigentlich nur bei der Suche nach Passwörtern auf, wenn man die Dokumente durchsucht – und selbst das wird mit der Zeit einschläfernd. Nichtsdestotrotz verleiht das Spiel dem Genre neue Impulse und zeigt, dass es doch noch Spielentwickler gibt, die etwas neues Erschaffen wollen.'


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: Verschiedene Blickwinkel, Filtereffekte
  • Sound: Gelungene Synchronisierung, passende Musik
  • Balance: knifflige Rätsel
  • Atmosphäre: Düster, unheimlich
  • Bedienung: Indirekte Steuerung durch Kamera
  • Umfang: mehrere Stunden spannend, danach monoton
  • Handlung: interessante Story
  • Rätsel: Interessantes Durchsuchungs-Feature
  • Dialoge: professionelle Synchronsprecher
  • Charaktere: interessante und unterschiedliche Charaktere
  • Grafik: Detailarm, schwammige Texturen, Kameraprobleme
  • Sound: wiederholt sich, manchmal Aussetzer
  • Balance: zu einfache Aktenuntersuchung, schwierigere Rätsel
  • Atmosphäre: Kameraprobleme nerven, Fensterklickerei
  • Bedienung: Fensterklickerei, Kameraprobleme
  • Umfang: zu kurz, kein Multiplayer
  • Handlung: Potenzial wird nicht ganz ausgeschöpft
  • Rätsel: wenig Abwechslung, schnell monoton
  • Dialoge: nicht alle Texte vertont
  • Charaktere: zu oberflächlich beleuchtet

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 5, weniger als 10 Stunden



Kommentare(1)
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