Fallout 3.5

Ok, nicht ganz hundert Stunden habe ich mittlerweile in Bethesdas neuestes openworld-Spiel aus dem Fallout-Universum verbracht und auch wenn ich bei weitem wohl...

von Jcfr am: 19.11.2015

Ok, nicht ganz hundert Stunden habe ich mittlerweile in Bethesdas neuestes openworld-Spiel aus dem Fallout-Universum verbracht und auch wenn ich bei weitem wohl noch nicht alles gesehen habe, so denke ich doch, dass es ausreicht um mir eine Meinung zu bilden.

In den Bunker, aus dem Bunker:

Man muss Bethesda zugute halten, dass sie es gelernt haben, den Spieler in den ersten Minuten in den Bann zu schlagen. So beginnt Fallout 4 damit, dass wir am Badezimmerspiegel unseres Eigenheims das Aussehen unseres Charakters bestimmen und ein wenig die präapokalyptische Idylle genießen. 

Nicht lange dauert es aber, bis der Bombenalarm losgeht und  man mit Frau und Kind (bzw. Mann und Kind) zum naheliegenden Bunker 111 flüchtet. Dramatisch der Moment,in dem man die Bombeneinschläge sieht und die Druckwelle gerade über einen hinwegrast, als die Bunkertüren schließen. Und kaum haben wir den Vault-Overall auch schon angelegt, wird unser alter ego samt Familie in Kältschlaf versetzt.

Ende gut, alles gut? Von wegen! Nach 200 Jahren wachen wir in der Postapokalypse auf, der Partner ermordet, das eigene Kind entführt... und in altgewohnter Manier machen wir uns als Bunkerbewohner auf die Suche nach unserem Sprössling.

Ja, nach einem Chip zur Wasseraufbereitung (F1), einem Geek (F2),dem eigenen Papa (F3)  und unseren Mördern und Chipdieben (F:NV) geht es im Kern in der Hauptgeschichte mal wieder um eine Such-und-Finde-Story. Etwas einfallslos und mit Längen erzählt, aber durchaus abwechslungsreicher besser inszeniert, als bisher von Bethesda-Titeln gewohnt... und ja, im Grunde läuft auch alles wieder auf eine Bedrohung für das Ödland hinaus, nur mit neuem Feind statt Supermutant, Enklave oder Raider.

Nett: Es gibt nicht nur mehrere Fraktionen im Spiel, nein, die Wahl hat auch ein paar geringere Auswirkungen, was die Motivations fürs Wiederspielen erhöht.

Schade: Die Fraktionswahl wirkt sich nicht wirklich auf das Ende aus - die finale Sequenz bleibt die Gleiche. 

Pimp down my Rpg:

Fallout 4 geht den Mass effect 2 weg des Herunterschraubens des Rpg-Anteils. In F3 und F:NV  legte man noch zunächst seine Attribute fest und  steigerte beim Levelup Skills. Alle paar Level konnte man sich zudem ein Perk aus einer Liste wählen, wobei die zur Verfügung stehenden Perks von Attributen und Skills bestimmt wurden.

In Fallout 4 ändert sich dies recht radikal. Skills gibt es nicht mehr, nur noch Attribute. Diese schalten mit jedem Steigerungspunkt bis maximal lvl 10 einen neuen Perk frei, welcher sich wiederum ebenfalls in mehreren Stufen steigern lässt.   Pro Stufe kann man sich nun entscheiden, ob man ein Attribut steigern, einen neuen Perk erwerben oder einen bestehenden upgraden will.

Comics und Magazine im Spiel steigern so auch nicht mehr die Fertigkeiten,sondern geben einen prozentualen Buff auf bestimmte Dinge, wie Überredung, Schlossknacken oder kritischen Schaden. 

Etwas billig: Allein 5 Perks befassen sich nur mit dem großen, neuen Feature von Fallout 4: dem modden. Wer alles an seine Waffen und Rüstungen schrauben und seine Siedlungen mit etwas mehr High-tech versorgen will, der kommt darum nicht herum.

Schwach ist auch das neue Dialog-System, dass sich deutlich an Mass Effect orientiert.  Im Prinzipg gibt es,  von Überredungsoptionen abgesenen, vier Wahlmöglichkeiten: Positiv, Negativ, Sarkastisch und fragend.  Auf den ersten Blick okay, bis man merkt, das die gewählte Antwort nicht immer wie erwartet ausfällt und die Wahl nicht selten überhaupt keinen Einfluss auf den Questverlauf hat.

Ein Beispiel: Ältester Maxson von der stählernen Bruderschaft gibt dir den Auftrag für eine Hauptmission. Ganz gleich, was man wählt, man kann diesen nicht ablehnen.
Selbst wenn man angibt, dass man es nicht tun will, gibt Maxson einem einfach den Befehl und die Quest läuft weiter. 

Und Hacking fühlt sich nach wie vor an wie: Oh, durch Zufall habe ich nach dem 32. Versuch mal das richtige Wort ausgewählt. (Ehrlich, es gab Momente, in denen ich bereit war zu schwören, dass keine einzige der wählbaren Optionen die Richtige ist). Und ehrlich gefragt: Wozu überhaupt hacken? Ja, man kann Geschütztürme und Roboter auf Gegner loslassen (wie früher), aber in den allermeisten Fällen greifen die in Fallout 4 einen selbst  auch an, nicht nur den Feind.

V.a.t.s. up:

Das Kampfsystem von Fallout 4 orientiert sich stark an seinen Vorgängen, ist aber etwas dynamischer und stärker auf Shooter zugeschnitten. Nach wie vor kann man zwischen Nah- und Fernkampf wählen... und nach wie vor sehe ich zumindest keinen echten Vorteil im Nahkampf (ja , man macht häufig mehr Schaden, muss aber genauso oft durch heftiges Kreuzfeuer latschen). 

Im Fernkampf beharkt man sich mit allerlei Waffen, von der kleinen 10mm-Pistole, über MGs, Schrotflinten, Laser und Plasma bis hin zur tragbaren Schiffskanone.  Dabei hat sich einiges seit F3 getan. Gegner suchen jetzt häufiger Deckung, haben Schwachstellen und können verkrüppelt werden (zensur ist nicht mehr). Auch das Gegnerdesign wurde überarbeitet, so sind z. B. Ghule jetzt noch schneller und Rad-Skorppione können sich eingraben.

Auch der V.a.t.s.-Modus ist wieder dabei, bei dem man quasi in Zeitlupe schaltet und auf spezielle Körperteile zielt.  Auf den ersten Blick gut und sinnvoll, allerdings mit ein paar Balance-Problemen (vor allem auf höheren Schwierigkeitsgraden).

Immer wieder stieß ich auf Situationen, die sich nur dadurch meistern ließen, indem ich irgendwo Deckung suchte, ein paar Schüsse im v.a.t.s. abgab und in der Deckung wartete, bis der Energiebalken dafür sich wieder aufgeladen hatte.  Bei anderen Begebenheiten musste ich gefühlt alle dreißig Sekunden das Pipboy-Inventar öffnen und ein paar Nahrungsmittel zur HP-Regeneration nachwerfen (einfacher und schneller,als immer wieder die Animation der Stimpack-injektion anzusehen).  Zudem scheint mir die Spawn-rate der Feinde etwas zu hoch - gerade gegen Mitte des Spiels.  Wenn ich nur zu einem Missionsort wollte,  kam immer wieder der Punkt, an dem die dritte Gruppe lungernder Supermutanten (mit zwei Gegnern vom Typ Legendär)  mir ein Stöhnen entlockte. Selten hat mich ein openworld-Spiel von Bethesda derart mit Feindaufkommen beim Entdecken gestört.

Schlecht ist es dadurch nicht, aber es vermittelt einem das Gefühl, nur zäh voranzukommen.

[Bitte diese Klammer nicht weiter mit unnützen Ergänzungen füllen, weil ich sonst den Namen der Waffe nicht lesen kann] Inventarhölle:

Ok, seit Oblivion weiß man ja, das Bethesda sich mit UI und Übersetzungen schon mal schwer tut... aber das hier ist die Hölle.

Jede Mod, die an eine Waffe oder Rüstung angeflanscht wird, findet ülicherweise einzug in den Namen, so das manauf den ersten Blick irgendwann nicht mehr weiß, was für ein Typ das ist oder welches Kaliber es verballert. Z.B: [308. taktisch schnellfeuernde schallgedämpfte] Kampfgewehr.

Mein Ratschlag: Gebt euren Favoriten eigene Namen, so dass man sie vom Rest unterscheiden kann. Zumindest hat Bethesda die Quickslot-leiste eingebaut, die das Wechseln von Waffen im Kampf leichter macht. Ein weiterer guter Punkt: Granaten müssen nicht mehr extra ausgewählt werden und können jederzeit geworf werden.

Auch die Wertberechnung von Gegenständen war mir nicht immer schlüssig. Immer wieder kam es vor, dass z.B. Waffen, die größeren Schaden machen, deswegen aber schwerer sind als andere ähnlichen Typs, weniger Wert waren (bug?)... und wer auch immer bei den Entwicklern auf die Idee kam, dass Händler über 10000 Kronkorken für Gegenstände fordern dürfen, gleichsam aber selten mehr als 400 Kronkorken auf der hohen Kannte haben, der sollte sich einmal fragen, wie lange es dauert, bis man das zusammen hat? Nach 40 Stunden hatte ich knapp was um die 13000 und Ausrüstung, die längst besser war, als die teure, ersehnte Wahre.

(Im Übrigen: "Entsperren" als Übersetzung für Unlock finde ich etwas holprig - nur so am Rande bemerkt.)

Schaffe, schaffe Städtebaue:

Das vielbesungene neue Feature von F4 ist das der Errichtung neuer Siedlungen. Dazu eins vorneweg: Der Editor dafür ist fummelig. Es dauert eine ganze Weile, sich einzuarbeiten - vor allem, wenn man komplexe Dinge errichten will. Ein paar tutorials mehr wäre hier nett gewesen.

Mein Urteil für das gesamte Feature lautet: irgendwo zwischen solala und Underwhelming.

Ja, man kann Häuser errichten, sie mit Strom versorgen und geradezu skurilsten Projekte in Angriff nehmen...nur wozu? Die Siedler, die man anlockt, brauchen lediglich Wasser, Essen, Betten und Schutz. Es bringt also nichts, Viel Zeit zu investieren und toll designte Gebäude mit viel Komfort zu errichten,wenn jede Hütte mit einer Matraze ausreicht, um das Bedürfnis zu erfüllen.

Dazu kommt ein immenses Resourcenproblem. Für alles, was auch nur ansatzweise aufwendig oder fortschrittlich ist, braucht man  eine ganze Menge Zeug. Resourcen, die man zwar überall in der Welt von Fallout einsammlen könnte, wäre da nicht das Tragelimit. Nie fiel es so sehr ins Gewicht, wie hier! Nie! Warum? Weil zusätzlich zu Nahrung, Rüstung und Waffen, die man mit sich rumschleppt, jetzt auch noch all der Kleinkram kommt, den man zum Bauen braucht -Argh!

Tja, aber wozu gibt's den guten player.modav carryweight? Oder noch besser! Einfach cheat tgm und man hat im Editor unbegrenzte Resourcen.  Und nein, die Siedler helfen einem nicht beim Aufbau oder Resourcenbeschaffung. Sie stehen nur dumm in der Gegend und wollen Farmpflanzen, Versorgungsrouten und Wachposten zugewiesen werden... ach ja und ab und zu haben sie einen der sich endlos wiederholenden Aufträge ala, Töte Raidergruppe.

Dazu kommt, dass das Wachstum der siedlung nicht immer nachvollziehbar ist. So kam es, dass ich in der einen oder anderen Siedlung die Bedürfnisse mehr als übererfüllte, sich aber partout kein Wachstum einstellen wollte. Ob Bug oder nicht, ließ sich nicht sagen.

Technik und shitstorm:

Ok, die Technik von F4 ist nicht die allerneueste. Weder Texturen noch Animationen können mit The witcher 3 mithalten. Immer wieder kam es zu Framerate-Einbrüchen... und die bugs bei launch ist man von Bethesda ja (traurigerweise) eigentlich schon gewohnt, ebenso wie die KI-Aussetzer. Seltsam ist aber, das trotz der... sagen wir höflich "mäßigen" Technik, die Ladezeiten erstaunlich lang ausfallen können und  einen sehr schnell nerven. Ich zumindest fand es grafisch aber dennoch insgesamt etwas farbenfroher und ansprechender, als F3, das einfach nur grau in grau war. Gähn!

Und doch erntet Bethesda für F4 von der community einen Shitstorm. Zurecht? Schwer zu sagen.
 In meinen Augen war F3 von allen Fallouts schon immer das Schwächste. Es gab zwar viel zu entdecken, aber wenig Grund dafür. Nur wenige Nebenquests und viel leerlauf. New Vegas hat einen da besser bei der Stange gehalten.  Das Kampfsystem von F3 war Ok, resultierte in meinen Augen aber zu häufig darin, rückwärts zu laufen und auf Gegner zu feuern... und das Balancing war ein Witz. Gegen Ende hat man so ziemlich alles mit one-hit-headshots weggeballert.  Ganz davon zu schweigen, das manche der Skills irgewndwo zwischen vernachlässigbar und überflüssig schwankten und das Reparieren von Waffen nervig war.

  • Ja, das neue Dialogsystem ist Geschmackssache und die antworten nicht immer schlüssig, aber zumindest vollvertont.
  • Ja, das Gameplay ist stärker auf Shooter zugeschnitten, als auf Rpg, dadurch aber wenigstens nicht ganz so eintönig, wie in F3 (Oh,eine Todeskralle - Rückwärtslaufen, baller, baller). 
  • Ja, die meisten quests laufen hinaus auf gehe hin und töte, aber so ist es oft auch in F3 (auch da gibt es die typischen, sterilen Sammelaufträge)

Um es kurz zu machen: Ja, man kann dem neuen Fallout viel Kritik anlasten... aber ist es deswegen schlechter als F3 (dem ich eine 78 geben würde)? Ich denke nicht. Gestreamlineter? Ja - und das ist auch mein größter Kritikpunkt. 

Aber es macht eben auch ein paar Dinge besser als F3. So gefällt mir beispielsweise das neue Konzept für die Power-Armor, die jetzt mehr Vehikel als Rüstung ist, so dass man sich fast wie in einem Mech vorkommt.  Die Kämpfe sind dynamischer und der eigene Charakter ab lvl 30 nicht overpowered. Es gibt einem mehr zu tun und die Geschichte ist besser inszeneiert als in den Vorgängern.

Fazit:

Fallout 4 ist für mich wie ein Update von Fallout 3. Ist es deswegen schlecht? Nun, hier scheiden sich die Geister. Ich fand F3 immer überbewertet und F4 macht in dieser Hinsicht ein paar Dinge besser, verpasst es aber Rpg und Skillsystem clever mit der Spielwelt zu verzahnen,so wie New Vegas es tat. Stattdessen macht es auf Zugänglichkeit und drängt einem den Editor etwas zu vehement auf (für meinen Geschmack). Es hat ein paar zähe Längen und die Figuren bleiben häufig blass, dennoch hat mich die Story und das Spiel besser unterhalten, als F3... und ich kann gar nicht erwarten, welche Mods in nächster Zeit dafür alles erscheinen werden!

Müsste ich es in einem Satz zusammenfassen: Fallout 4 ist besser als Fallout 3, aber schlechter als New Vegas.


Wertung
Pro und Kontra
  • große Spielwelt
  • Atmosphärische Postapokalypse
  • Viel zu Erkunden
  • Mehrere Fraktionen
  • Dynamischere Kämpfe
  • Mod-community
  • Technik veraltet
  • Das neue Dialog-system
  • UI mangelhaft
  • repetitive Quests
  • geringe balancing-Probleme

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



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