Seite 2: Fallout 4 im Test - Ein heikler Deal

GameStar Plus Logo
Weiter mit GameStar Plus

Wenn dir gute Spiele wichtig sind.

Besondere Reportagen, Analysen und Hintergründe für Rollenspiel-Helden, Hobbygeneräle und Singleplayer-Fans – von Experten, die wissen, was gespielt wird. Deine Vorteile:

Alle Artikel, Videos & Podcasts von GameStar
Frei von Banner- und Video-Werbung
Einfach online kündbar

Alles Spinner? Nicht ganz

Noch dazu stoße ich regelmäßig auf witzige Nebencharaktere. Zum Beispiel den Bauernroboter, der früher eine Spielshow moderiert hat (»Diese Antwort ist…richtig!«) oder den Händler, der Katzen sammelt, oder den Fleischfabrikanten, der seinen Konserven eine…ungewöhnliche Geheimzutat beimischt, oder den Killerdroiden, der zum Waffenhändler umgeschult hat, als Frau angesprochen werden möchte und Töten als seinen liebsten Zeitvertreib bezeichnet. Und regelmäßig stolpere ich über Zufallsbegegnungen, zum Beispiel mit einem verletzten Ghul-Hund, dem ich helfen und dann einen Namen geben darf. Dafür gibt es zwei Optionen: »Sparky« …und »Arschgesicht«. Wunderbar!

Das klingt alles zu gut, um wahr zu sein? Muss nicht langsam ein »Aber« kommen? Stimmt: Fallout 4 bietet viel Skurriles - aber weniger als seine Vorgänger. Vor allem bei den Fraktionen regiert diesmal der Standard, zumal größere Siedlungen generell dünner gesät sind als in Fallout 3: Da gäbe es das ins Baseballstadion gezimmerte Diamond City, das von Ghulen und Gangstern bewohnte Goodneighbour, noch einige verstreute Gruppierungen sowie einen ausgesprochen coolen Schauplatz, den ich zwecks Spoilervermeidung lieber verschweige. Das war's.

Diamond City Diamond City ist das sprichwörtliche Juwel der Spielwelt und wurde in einem alten Baseball-Stadium errichtet.

Goodneighbour Im zwielichtigen Goodneighbour steht eine noch zwielichtigere Bar samt (hervorragender!) Sängerin und Roboter-Barkeeper. Außerdem hat das Kaff eine der originellsten Quests zu bieten: Als Compic-Superheld verkleidet bekämpfen wir das Böse!

Und mit Ausnahme von Letzterem fallen diese Dörfer und Gruppierungen eben längst nicht so skurril und interessant aus wie etwa die Atombomben-Anbeterstadt Megaton und das Sklavenhändler-Moloch Paradise Falls in Fallout 3 oder das von drei schrägen Gangs (Ich sage nur: Kannibalen!) beherrschte New Vegas. Klar, die Städtchen von Fallout 4 sind schick und stimmungsvoll, ihre Geschichten aber wenig bemerkenswert. Das hat die Serie schon besser hinbekommen, früher gab's mehr Freaks. Und selbst die schönen Geschichten, die Fallout 4 zu bieten hat, muss ich erst finden. Die Story führt mich nicht dorthin.

Fallout 4 - PC gegen PS4 und Xbox One im Grafikvergleich Video starten 5:31 Fallout 4 - PC gegen PS4 und Xbox One im Grafikvergleich

Wer bin ich eigentlich?

Fallout 4 schlägt gerade zu Beginn einen ernsteren Ton als die Vorgänger an, die Themen Krieg und Verlust spielen zumindest theoretisch eine größere Rolle. Fallout 4 schlägt gerade zu Beginn einen ernsteren Ton als die Vorgänger an, die Themen Krieg und Verlust spielen zumindest theoretisch eine größere Rolle.

Ah, die Story, die alte Achillesferse aller Bethesda-Rollenspiele. Hat Bethesda endlich dazugelernt? Wie die Entwickler schon kurz nach der Enthüllung von Fallout 4 verraten haben, beginnt das Spiel schon vor dem verheerenden Atomkrieg. Nach der Geschlechterwahl und dem dezent fummeligen, aber optionsreichen »Zurechtziehen« der Gesichtszüge vor dem Badezimmerspiegel erlebe ich als Familienvater oder -mutter mit Baby Shaun und Roboterbutler Codsworth die letzten Minuten vor dem Bombenhagel in einem Bostoner Vorort.

Kleine Enttäuschung: Auch wenn die deutsche Vertonung durchweg gelungen ist, kann Codsworth in der hiesigen Version keine Spielernamen aussprechen, dabei habe ich meinen Helden extra »Michael« genannt statt wie sonst »Greulich«! In der englischen Fassung hat Bethesda der Blechkugel nämlich einen ordentlichen Namens-Wortschatz mitgegeben - schade.

Vor dem Badezimmerspiegel ziehen wir die Gesichtszüge unseres Helden oder unserer Heldin zurecht. Vor dem Badezimmerspiegel ziehen wir die Gesichtszüge unseres Helden oder unserer Heldin zurecht.

Insgesamt ist der Einstieg zwar wesentlich besser als das lahme Amnesie-Blabla von Fallout: New Vegas, erscheint aber gehetzt: Nach ein paar Gesprächsfetzen mit Ehefrau oder -mann, Butler sowie Bunker-Verkäufer schrillen auch schon die Sirenen. Eine Beziehung zu Partner und Sohn entsteht da nicht wirklich. Der Beginn von Fallout 3, in dem ich im Bunker aufwachse, führte besser in die Welt ein und ließ mehr Identifikation mit dem Helden zu.

Sind Sie fit fürs Ödland? Der Psychotest zu Fallout 4

Nun gut, Details. Ich flüchte in den Bunker…und komme 200 Jahre später wieder heraus, in eine zerstörte Welt. Was dazwischen geschieht, verrate ich natürlich nicht. Sagen wir einfach, dass mein Held einen persönlichen Grund dafür hat, durchs Ödland zu ziehen. Einen Grund, der später sogar zu einem netten Story-Twist führt. Dass ein männlicher Charakter - laut Story immerhin Militärveteran - als bewaffneter Ödlanderkunder mehr Sinn ergibt als ein weiblicher - die Ehefrau hat Jura studiert - sei mal dahingestellt. Kann ja auch sein, dass mein Bild von Jurastudentinnen nicht ganz stimmt.

Die Synths sind künstliche Menschen des Instituts, hier treffen wir eine Armee früher Prototypen. Die Synths sind künstliche Menschen des Instituts, hier treffen wir eine Armee früher Prototypen.

Immerhin hat mein Held nun deutlich mehr Charakter, weil er - spricht! Erstmals hat Bethesda sowohl Frau als auch Mann eine (sehr gute!) deutsche Sprecherstimme verpasst, was zur Atmosphäre beiträgt. Besonders, weil ich in vielen Dialogen eben nicht nur nett sein kann, sondern auch wunderbar eklig oder sarkastisch. Beispielsweise, wenn ein Bauer beklagt, dass seine Tochter von Banditen getötet wurde, und ich ausspucken kann: »Sie hat es verdient.« Oder wenn mich ein Kind bittet, Baumaterial für ein Spielzeug zu sammeln, und ich ätze: »Ist doch eh alles Schrott.«

Auf den Verlauf von Quests wirkt sich das selten aus, aber es passt super zur zynischen Endzeit-Atmosphäre! Nervig ist, dass Dialoge jetzt auch schon beginnen können, wenn ich einfach neben einem anderen Charakteren stehe. Die Gesprächsoptionen werden jedoch nur eingeblendet, wenn ich denjenigen anschaue, sodass ich gar nicht gleich merke, dass das Gespräch schon läuft. Zudem haken die Plaudereien gelegentlich, manchmal klaffen sekundenlange Pausen zwischen Sätzen, selten ist mal ein Sprachsamples zu lang und wird vom nächsten Satz unterbrochen und auch die Lippensynchronität lässt schwer zu wünschen übrig - gelegentlich bewegen Figuren beim Sprechen nicht mal den Mund. Die typischen Bethesda-Haken eben.

Fallout 4 - Guide zum Baumodus: So sammelt ihr effektiv Ressourcen Video starten 4:13 Fallout 4 - Guide zum Baumodus: So sammelt ihr effektiv Ressourcen

Mal hoch, mal runter

Der Älteste Maxton ist der Anführer der Stählernen Bruderschaft. Was führt er im Schilde? Der Älteste Maxton ist der Anführer der Stählernen Bruderschaft. Was führt er im Schilde?

Die Story durchläuft nach dem Bunker-Ausstieg mal packende, mal langweilige Phasen. Generell spannend ist allerdings das Grundthema: Fallout 4 dreht sich um Freiheit. Allerdings nicht um die von Menschen, sondern um die von Maschinen. Genauer: um die von »Synths«, künstlichen Menschen, die vom geheimnisvollen»Institut«gebaut werden-einer Gruppe von Hightech-Forschern, neben denen der Roboterkonzern RobCo. aus den Vorgängern wie ein Rudel Vorschüler mit Kosmos-Technikbaukästen ausschaut.

Dieses Institut setzt die Synths für allerlei Arbeiten ein, erlaubt ihnen aber kein selbstbestimmtes Leben. Viele der Androiden wünschen sich die Freiheit - aber sollte man Maschinen denn befreien? Haben die wirklich Gefühle? Und wenn dies Synths auch noch aussehen wie echte Menschen, kann ich dann überhaupt noch irgendwem trauen? Angedeutet hatte Bethesda dieses Thema bereits in einer Nebenquest von Fallout 3, in der ein Agent einen entflohenen Androiden jagt.

Das Androiden-Dilemma Klassisches Dilemma: Zwei identische Zwilinge beteuern beide, der andere sei der Roboter-Klon - wem glauben wir? Das ist allerdings nur eine witzige Zufallsbegegnung, in der Story spielt diese Frage fast keine Rolle.

Wer ist der Synth? Auch in Diamond City verdächtigt jeder den anderen, ein künstlicher Mensch des Instituts zu sein. Belang für die Story: kaum vorhanden.

Wer Blade Runner gesehen hat - oder Philip K. Dicks tolle Romanvorlage gelesen -, der weiß, dass sich daraus grandiose Geschichten und Scharaden spinnen lassen. Fallout 4 schöpft dieses Potenzial jedoch nicht aus, die Suche nach verdeckten Roboteragenten etwa spielt kaum eine Rolle. Knifflige Entscheidungen muss ich allenfalls nur bei der Fraktionswahl treffen.

Fallout 4 - Einsteiger-Tipps: Tricks für Endzeit-Neulinge Video starten 6:12 Fallout 4 - Einsteiger-Tipps: Tricks für Endzeit-Neulinge

2 von 8

nächste Seite


zu den Kommentaren (463)

Kommentare(430)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.