Seite 3: Fallout 4 im Test - Ein heikler Deal

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Vier Fraktionen für ein Halleluja

Es gibt in Fallout 4 nämlich insgesamt vier Parteien, mit denen ich zusammenarbeiten kann. Die Untergrundorganisation »Railroad« unterstützt Androiden bei der Flucht. Soll ich da mitmischen? Oder schließe ich mich der altbekannten Stählernen Bruderschaft an, die mit religiösem Eifer nach Hochtechnologie jagt und das Institut samt seiner künstlichen Menschen vernichten will? Das liegt durchaus in ihrer Macht, die Bruderschaft ist kein geschwächter Rekrutenhaufen mehr wie in Fallout 3, sondern wieder bestens organisiert und ausgerüstet, eine Militärmacht wie in den alten Fallouts.

Monströse Mirelurk-Königinnen widerstehen sogar Atomgranaten – und teilen ordentlich aus. Monströse Mirelurk-Königinnen widerstehen sogar Atomgranaten – und teilen ordentlich aus.

Die dritte Fraktion im Bunde sind die »Minutemen«, gewissermaßen meine eigene Miliz, die mich schon kurz nach Beginn des Spiels -etwas abrupt- als Anführer aufnimmt. Diese Bürgerwehr muss ich dann allerdings erstmal aufbauen, indem ich Siedlungen errichte. Das ist ein neues Spielelement von Fallout 4, dazu gleich mehr. Die Minutemen wollen imödland für Sicherheit sorgen und die einfachen Bürger schützen. Wenn's sein muss, auch vor den anderen Fraktionen.

Und die vierte Fraktion…nun, zu der sage ich lieber nicht so viel. Sagen wir einfach, ihr liegt viel daran, die Synths weder zu befreien noch zu zerstören, sondern für ihre eigenen Zwecke zu nutzen. Wirklich originell ist zwar nur diese eine Fraktion, insgesamt bildet Fallout 4 aber ein spannendes Meinungsspektrum ab. Ich kann übrigens auch erst mal für alle vier Fraktionen arbeiten, Fallout 4 warnt mich deutlich, bevor ich mich im Verlauf der Story mit einer davon anfeinde.

Stählerne Bruderschaft Auch diesmal können wir uns wieder verschiedenen Fraktionen anschließen, hier helfen wir einem Paladin der stählernen Bruderschaft.

Railroad Die Mitglieder der Railroad unterstützen Maschinenmenschen bei der Flucht.

Minutemen Gemeinsam mit unseren Milizionären stürmen wir eine von Mirelurk-Krabblern besetzte Burg. Hoffentlich ist deren Königin gerade außer Haus ...

Die Stählerne Bruderschaft sorgt zudem dafür, dass in der Welt noch mehr zufälliger Irrsinn geschieht als in Fallout 3. Einmal etwa wanderte ich durch die Landschaft, als ein Vertibird-Senkrechtstarter der Bruderschaft in der Nähe landete. Heraus sprangen mit Lasergewehren sowie dicken Powerrüstungen gewappnete Ritter, die prompt den von Supermutanten besetzten Schrottplatz nebenan stürmten. Der Vertibird hob wieder ab und kreiste drüber, wurde dann von den Mutanten abgeschossen, krachte in den Schrottplatz und ließdort ein Auto explodieren. Einfach so nebenher. Amüsant.

Blöd nur, dass dann die vier Story-Enden (eines für jede Fraktion) unspektakulär ausfallen. Es gibt eine vorgefertigte Schlusssequenz, die keine meiner Entscheidungen im Spiel aufgreift. Da schließen sowohl Dragon Age: Inquisiton als auch The Witcher 3 ihre Geschichten befriedigender ab - und auch Fallout: New Vegas griff am Schluss meine vergangenen Erlebnisse ganz wunderbar wieder auf. Auf der Zielgeraden wirkt die Erzählung außerdem gehetzt, Fallout 4 wischt wichtige Wendungen im Handstreich beiseite. Aber ach, die Story. Hatte ich den Bethesda-Deal erwähnt?

Fallout 4 - Sprachvergleich (spoilerfrei): Deutsch Englisch (Cutscene + Ingame-Dialoge) Video starten 3:34 Fallout 4 - Sprachvergleich (spoilerfrei): Deutsch / Englisch (Cutscene & Ingame-Dialoge)

Mal klug, mal dumm

Mit ihrem Luftschiff legt die Stählerne Bruderschaft einen coolen Auftritt hin. Mit ihrem Luftschiff legt die Stählerne Bruderschaft einen coolen Auftritt hin.

Gut, das klingt jetzt langweiliger, als es ist, hin und wieder setzt Fallout 4 nämlich durchaus erzählerische Duftmarken. Etwa, wenn ich ins Grübeln gerate, ob ich wirklich die Railroad unterstützen soll. Die Untergrundhelfer löschen nämlich das Gedächtnis befreiter Androiden, woraufhin die sich ein neues Leben aufbauen können-oder dank ihrer körperlichenüberlegenheit zu Banditenbossen werden. Ist freier Wille für Maschinen vielleicht doch nicht so dufte?

Auch die Inszenierung entfaltet einige Höhepunkte. Zum Beispiel bei meinem ersten Zusammentreffen mit der Stählernen Bruderschaft in ihrem riesigen Zeppelin. Wer mit den Fanatikern zusammenarbeitet, freut sich in späteren Missionen zudemüber das Wiedersehen mit einem alten Bekannten aus Fallout 3. Hin und wieder steht sich Fallout 4 bei der Inszenierung aber auch selbst im Weg. Hm, wie erzähle ich das, ohne zu spoilern? Sagen wir's so: Kurz vor Schluss kann es passieren, dass ich aus einem Vehikel heraus ein nicht ganz unspektakuläres Ereignis beobachten kann - oder zumindest könnte, wenn selbiges Fortbewegungsmittel nicht genau in diesem Moment herumschlingern würde wie ein besoffener Eiskunstläufer. Blöd.

Mit Kanonen auf Spatzen: Wir jagen Raider mit der Minigun und sprengen dabei den ganzen Straßenzug. Mit Kanonen auf Spatzen: Wir jagen Raider mit der Minigun und sprengen dabei den ganzen Straßenzug.

Solche Höhepunkte sind allerdings dünn gesät, meist servieren die Haupt- und Fraktionsmissionen reinen Aufgabenstandard à la »Töte alle Gegner« oder »Hole dieses oder jenes«. Vor allem bei den Minutemen jagt eine uninspirierte Reißbrett-Quest die nächste. Schon klar, das macht The Witcher 3 auch nicht anders-aber das Hexer-Abenteuer strickt wenigstens nette Geschichten drumherum. Das gelingt Fallout 4 nicht immer, zumal es kaum interessante Charaktere gibt. Fast alle Figuren bleiben blasser als ich selbst in einerüberkopf-Achterbahn (Six Flags, sei verflucht!). Mit einer prominenten Ausnahme gibt's kaum besondere Aufgaben oder Schauplätze. Der Bethesda-Deal eben.

Die steifen Gesichtszüge lassen die Dialoge arg altbacken wirken. Die steifen Gesichtszüge lassen die Dialoge arg altbacken wirken.

Für eine Handvoll Kronkorken (also Geld) und Erfahrungspunkte bieten zudem alle Fraktionen dröge Sammelaufgaben sowie zufallsgenerierte Mini-Quests an. Da soll ich dann irgendwen umbringen, mit irgendwem sprechen oder irgendwas holen oder irgendwo hinbringen. Das wäre an sich ja schon müde genug, manchmal teilt mir Fallout 4 dabei aber direkt hintereinander dieselbe Aufgabe zu. So reise ich für die Bruderschaft zu einem Bauernhof, um dessen Besitzer zu überreden, seine Ernte zu spenden.

Klar, kein Ding, wofür hat man denn einen hohen Charismawert. Wieder zurückgekehrt soll ich dann jedoch wieder zum selben Bauernhof, erneut um die Ernte bitten. Wer hätte gedacht, dass ein Haufen Technologiefanatiker in Powerrüstungen solche Witzbolde sein können? Und im Ernst: Fallout 4 hätte das doch nicht nötig! Klar, ich muss den Zufallsquark nicht machen. Aber warum investiert Bethesda nicht seine Zeit in tolle Erzählquests statt in solchen Firlefanz? Schade drum. Verschenktes Potenzial auch hier.

Unsterbliche Liebschaften

Also gut, Botschaft angekommen: Die Welt macht's. Doch was wäre die schönste Welt, wenn ich sie alleine erkunden müsste? Zum Glück stellt mir Fallout 4 wieder Begleiter zur Seite, 13 davon gibt es insgesamt. Mitnehmen darf ich aber immer nur einen einzigen, selbst Traditionshund Dogmeat lässt sich nicht mit anderen Kameraden kombinieren. Dafür darf ich ihm per Perk beibringen, Gegner niederzuringen-was, im Gegensatz zu vielen anderen Animationen, sehr cool aussieht. Zudem kann er Gegenstände suchen und bellt wild herum, wenn in der Nähe etwas versteckt ist.

An Terminals können wir immer mal wieder die E-Mails der ehemaligen Besitzer lesen. So unterfüttert Fallout 4 seine Atmosphäre – und seinen morbiden Humor. An Terminals können wir immer mal wieder die E-Mails der ehemaligen Besitzer lesen. So unterfüttert Fallout 4 seine Atmosphäre – und seinen morbiden Humor.

Wen ich sonst so mitnehmen kann, hängt teils von meiner Fraktionszugehörigkeit ab, teils muss ich die Damen und Herren auch erst mal in der Spielwelt finden. Der erste Mitstreiter ist natürlich Robo-Butler Codsworth, der die Apokalypse ebenfalls überlebt und eine seltsame Lust am Töten entwickelt hat. Weitere Stars des Ensembles sind der Mutant Strong, der nach der »Milch der Menschenliebe« aus Shakespeares MacBeth sucht, oder der Trenchcoatdetektiv Nick Valentine, der Film-Noir-Charme mit einem interessanten Twist verbindet.

Insgesamt sind die Begleiter deutlich (wirklich deutlich) lebendiger als die blassen Skyrim-Krieger, etwa weil sie ebenso regelmäßig wie launig die Mission und die Umgebung kommentieren (Codsworth: »Ein bisschen Staub bringt die Schaltkreise in Wallung!«). Durch die Bank originell sind sie aber nicht. Die Journalistin Piper etwa erfüllt alle Klischees, die es über junge, rebellische Journalistinnen so gibt. Was mich nicht davon abgehalten hat, eine Romanze mit ihr anzufangen. Eine Romanze! Für Bethesda ein Fallout-Novum. Aber wie funktioniert es?

Codsworth Robo-Butler Codsworth war früher mal für Hausarbeit zuständig, jetzt brutzelt er Feinde mit seinem Flammenwerfer.

Dogmeat Zugegeben, Dogmeat ist kein besonders schöner Name, aber den Hund nur … Hund zu nennen, wirkt lieblos.

Nun, grundsätzlich bestimme ich durch meine Aktionen, ob mich ein Mitstreiter mag oder nicht. Strong etwa findet es super, wenn ich gemeinsam mit ihm denselben Gegner bekämpfe (»Mutanten kämpfen zusammen. Bilden Einheit.«), hasst es aber, wenn ich in die Powerrüstung steige (Ein echter Kerl braucht sowas nicht!) oder an Waffen herumschraube (»Zeitverschwendung«). Piper wiederum mag's nicht, wenn ich mich despektierlich oder sarkastisch äußere, schätzt dafür Schlösserknacken, Freiheit und Gerechtigkeit.

Über das umständliche Tauschmenü rüsten wir unsere Begleiter aus. Achtung: Die benötigen auch Munition, nur ihre Standardknarre verbraucht keine. Über das umständliche Tauschmenü rüsten wir unsere Begleiter aus. Achtung: Die benötigen auch Munition, nur ihre Standardknarre verbraucht keine.

Wenn die Zuneigung des Begleiters den Maximalwert erreicht hat, schalte ich einen besonderen Perk frei, Piper etwa erhöht dauerhaft den Erfahrungsgewinn bei Überredungserfolgen. Dieser Perk wirkt auch dann, wenn ich den zugehörigen Kameraden gar nicht dabei habe - was durchaus motiviert, die Begleiter immer mal wieder auszutauschen. Jeder Kumpel bringt zudem eine (sehr simple!) Quest mit, die mein Ansehen weiter hochschraubt.

Mit sieben der 13 Begleiter darf ich auf hohen Zuneigungsstufen zudem flirten, einen bestandenen Überredungstest später sind wir ein Paar. Das wirkt sich allerdings gar nicht so großartig aus. Es gibt einen netten Dialog, und danach bekomme ich immer dann kurzfristig Bonus-Erfahrung, wenn ich mit dem Begleiter in der Nähe in einem Bett geschlafen habe. Explizite Szenen gibt's dann aber nicht, die bleiben The Witcher 3 vorbehalten. Fallout 4 zeigt nur ein keusches »Bettgeflüster«-Symbol. Dafür ist sogar eine Beziehung mit einem Roboter möglich. Genauer: mit einer Roboterdame mit französischem Akzent. Klasse!

Ausrüsten darf ich die Mitstreiter ebenfalls, via (umständlichem) Tauschmenü drücke ich ihnen Waffen ins die Hand und Rüstungen an den Körper. Es geht aber nicht immer alles, Strong etwa weigert sich standhaft, Panzerung zu tragen. Na ja, er kann sie zumindest für mich schleppen, die Begleiter taugen nämlich auch als Lastesel für überschüssige Ausrüstung. Bei den Waffen muss ich den Compagnons auch Munition mitgeben - lediglich ihre (meist schwächliche) Standardknarre verbraucht keine Kugeln.

Romanze ... So sehen Romanzen in Fallout 4 aus: Mit Begleitern, mit denen wir uns gut verstehen, können wir flirten. Hier bezrizen wir die Journalistin Piper.

... und Techtelmechtel Und das bringt’s: Wenn wir mit einer Begleitung in der Nähe in einem Bett schlafen, bekommen wir den »Bettgeflüster«-Perk, der kurzzeitig unsere Erfahrungspunkt-Ausbeute erhöht. Explizite Szenen gibt es aber nicht.

Anders als in Fallout: New Vegas können die Begleiter übrigens nicht mehr sterben. Bei schwerem Beschuss sinken sie nur eine Weile zu Boden. Damit will Bethesda offensichtlich die miserable KI kaschieren, die Mitstreiter rennen ständig in den Kugelhagel oder in mein Fadenkreuz, hängen fest, werfen Molotowcocktails an die Decke (!), stehen störrisch im Weg, verschwinden minutenlang oder schieben mich beim Schleichen so dämlich durch die Gegend, dass mich die Gegner entdecken.

Zur Strafe setze ich sie ohne Reue als Kugelfang ein. Einmal etwa schlich ich in eine Lobby, in der sich ein Selbstmörder-Supermutant versteckte. Diese Exemplare pflegen mit einer Mini-Atombombe zu mir zu rennen und in die Luft zu fliegen - in Innenräumen absolut tödlich. Noch hat er mich aber nicht entdeckt. Die Lösung: Ich warte in sicherer Entfernung und schicke den Kollegen Valentine nach vorne - bumm! Nick geht eine Weile zu Boden, mit ist nichts passiert. Ja, witzig. Aber auch dämlich.

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