Sammelwut in Wüstenglut tut der Story nicht so gut

Krieg ist immer gleich. Freund und Feind - da gibt es tatsächlich keine grundsätzlichen Alternativen, und es scheint auch im Nachfolger des Klassikers...

von TheVG am: 28.06.2013

Krieg ist immer gleich. Freund und Feind - da gibt es tatsächlich keine grundsätzlichen Alternativen, und es scheint auch im Nachfolger des Klassikers keine Alternative zu geben, die dem Ödland der einstigen USA angeboten würde. Krieg ist menschgemacht, und er zeigt, dass der Mensch nach Ordnung lechzt. Wer sich nun an Bethesdas Wiederbelebung der Fallout-Serie die Hände gerieben hatte, vielleicht nicht genug kriegen konnte und nach Alternativen suchte, wurde 2008 von Obsidian gleich nochmal ins Ödland geschickt, um das Nachkriegsareal ein zweites Mal gründlich zu durchforsten. Dieses Mal geht es nicht so sehr um existenzielle Dinge wie die Zukunft der gesamten Menschheit, sondern um die Zukunft der einstigen Glücksspielmetropole, die lediglich unter neuem Namen alte Wege beschritten hatte – und einen alten Bekannten zu neuer Ehre führen sollte.

Story

Wenn nichts mehr geht, dann lass uns eben bei Null anfangen. So musste sich Entwickler Obsidian in die neue Episode von „New Vegas“ hineingedacht haben, als sie uns als Protagonisten/Spieler in die Welt des südwestlichen Ödlandes hineinwarf. Wir wissen nur, dass wir als Kurier tätig waren und von einem adrett gekleideten Großmaul fast getötet werden. Tja, nur fast, denn wir haben die Hinrichtung überlebt und fühlen uns genötigt, Rache zu üben, wenn auch mit einer Teilamnesie. Doch nicht nur die Vergeltung an Benny wird unser großes Ziel sein, sondern darüber hinaus das Schicksal rund um New Vegas, und so steht nun unser zweiter Ödland-Trip nach dem storyintensiven „Fallout 3“ an.

Storyintensiv ist „New Vegas“ zwar schon, aber ist das alleine schon wegen des Hauptstranges sowie des Designs nicht von einer gewissen Konsequenz gesegnet worden. Das Spiel wirkt tatsächlich wie ein riesig großer Spielplatz, birgt viele kleine Questgeschichten, die teils besser erzählt worden sind als die Hauptstory und lädt ausschließlich zum Abklappern ein. Nun will ich auch mal begründen, warum mir die Story eher abgeht als dass sie mich fesselte.

Zum einen wäre da das Fraktionsdesign, wo man sich teilweise fragen muss, wie weitschweifig die Entwickler da wohl gedacht haben dürften. Die RNK wirkt dabei noch am nachvollziehbarsten, es scheint die Armee der Menschen zu sein, die man sich sonst irgendwo für die Einhaltung von Recht und Ordnung wünschen würde. Dann wären deren Gegner, die Caesars Legion, die auch tatsächlich in typischem Römeraufzug herumspazieren und in entsprechenden Lagern hausen. Das in Verbindung mit Energiewaffen und teils zukunftsorientiertem Design passt ja schon mal gar nicht zusammen, davon mal abgesehen, dass sich die Legion eher wie Barbaren verhält und historisch vieles mit Füßen tritt. Im krassen Gegensatz dazu gibt es dann noch Mr. House und seine Sekuritron-Armee zu erwähnen, die sich in einem Kasino verschanzt und sich als Machtzentrum für den Südwesten der USA ansieht – naja. Ich sehe da höchstens Querverweise zum Kapitalismus und keine gelungenen Metaphern, die sich schlüssig argumentieren ließen.

Spielwelt

Komischerweise ist das Ödland dann eher stimmig geworden als der Wirrwarr an Storydesign. Die Bewohner kennt man grundsätzlich schon aus dem Vorgänger. Da gibt es die Verbände wie die Stählerne Bruderschaft, einfache Ödlandbewohner, Robotertrupps oder das bekannte Mutantenstadl, also gleich noch mehr vom Gleichen. Zusätzlich wurden ein paar Figuren mehr eingebaut. So haben wir es zum Beispiel mit den sogenannten Nachtpirschern zu tun, die im Gegensatz zu normalen Kojoten eine richtige Bedrohung sind; Todeskrallen sind hier die gefährlichsten Monster der Umgebung, und wer ihnen auf niedriger Erfahrungsstufe begegnet, sollte lieber erstmal das Weite suchen. Ansonsten dürfen wir auch wieder mit etlichen NPCs quatschen, Quests annehmen und die Umgebung durchforsten, und es zeigt sich auch, dass die Gegend lange nicht mehr so zerbombt ausschaut als noch im Nachkriegs-Washington. Ok, wir sind ja auch in Nevada und nicht an der Ostküste, und so darf man sich auch über mehr Weitblick und wüstenähnliches Areal freuen.

Das heißt nicht, dass die Wüste auch so leer wäre. Die Umgebung birgt so viele kleine Eckchen, die es zu erkunden gilt. Und man tut gut daran, jede Quest, jedes Gespräch und jeden Gegner mitzunehmen, um sein Erfahrungskonto stetig aufzustocken, denn „New Vegas“ hat am Schwierigkeitsgrad deutlich angezogen. Wer jede noch so unscheinbare Hütte entdecken will, darf regelmäßig mit Angriffen rechnen, und sei es nur die x-te Version von mutierten Riesenskorpionen oder eben die wortwörtlich zu nehmenden Todeskrallen (die Veteranen noch aus den Klassikern kennen). Da kann es nur helfen, mindestens Level 30 zu erreichen, denn ist das Finale auch nicht von schlechten Eltern.

Auch in Sachen Waffen und Items hat „New Vegas“ zugelegt, so können wir uns kaum noch vor Waffensorten retten, die uns regelmäßig ins Grübeln bringen. Soll ich denn jetzt lieber die Energiewaffen behalten oder mich auf Minen konzentrieren? Modifiziere ich jetzt lieber mein Sturmgewehr oder eher den Flammenwerfer? Spiele ich lieber mit der Magnum oder passt mir die Splittergranate besser? Bei unserem begrenzt belastbaren Rücken keine leichte Wahl, denn hat das Spiel das Arsenal nicht verändert, sondern noch deutlich aufgestockt. Wer hier und da noch eine neue Wumme findet, hat tatsächlich die Qual der Wahl. Die sind auch eher exklusiv angedacht als in „Fallout 3“, Standard ist hier also nicht so sehr an der Tagesordnung.

Auch bei den Items gibt es viel mehr zu tun, da man gerne noch ein paar Nettigkeiten obendrauf gepackt hat. Jeder Gegnertyp hat so seine eigenen Hinterlassenschaften, die man entweder verkaufen oder anderweitig verarbeiten kann, meist bringen sie aber gutes Geld. Und daran scheitert es in „New Vegas“ weiß Gott nicht, weil man sich doch gerne mal etwas Exklusives leisten möchte, seien es Implantate oder besondere Gegenstände.

Mechanik

Im Grunde hat sich in „New Vegas“ gegenüber dem Vorgänger nichts verändert. Die Steuerung ist noch genauso erhalten geblieben, der V.A.T.S.-Modus funktioniert immer noch gleich, und die sonstigen Funktionen sind zumindest ähnlich gehalten worden. Man kann also beide Teile in einem Rutsch durchspielen, ohne sich irgendwie umgewöhnen zu müssen. Mehr zu sagen gibt es auch nicht, weil es eben wirklich wie das Vorgängerspiel zu handhaben ist, und die paar wenigen Kleinigkeiten will ich jetzt gar nicht erwähnen, weil sie schlicht zu unbedeutend sind.

Einzig kann man noch die Vorzüge von Begleitern anbringen, die alle so ihre Perks mit sich bringen und es uns erleichtern, die Wüste zu durchkämmen. Die Figuren sind als Anhängsel wirklich nützlich, kämpfen für uns und unterhalten auch ganz gut (Raul, der Ghulmechaniker etwa: „Können Sie mal helfen suchen, Boss? Ich glaub, hier fliegen noch irgendwo Teile von mir rum.“)

Atmosphäre

Mal etwas anderes jetzt: New Vegas hält schon ein bisschen, was der Titel verspricht. Während „Fallout 3“ noch ein bisschen auf Endzeitfeeling setzte, bleibt dies hier ein wenig auf der Strecke. Naja, kein Wunder, wenn die Story so etliche Jahre danach angesiedelt ist und dazu noch das Setting eher auf Western-artiges setzt. Prinzipiell ist dieses Gefühl immer noch vorhanden, jedoch ist die Zivilisation rein gedanklich auch spürbar weg vom einstigen Krieg gekommen. So gesehen ist das nichts Schlechtes, denn fühlt man sich immer noch wie ein Fisch im Wasser. Wie gerne bin ich denn durch die Gegend gezogen, habe mir jedes Stückchen Territorium entdeckertechnisch unter den Nagel gerissen, weil es mal richtig geil aussieht, wenn man die Karte voll mit Markierungen hat.

Mit den Möglichkeiten der Engine und den Grafiksets hat man gleich auch mal mehr herausgeholt. Während „Fallout 3“ noch ein bisschen Locationrecycling betrieben hatte, gab sich Obsidian mehr Mühe darin, Abwechslung in die Sache zu bringen. So sehen wir jetzt nicht mehrmals dieselbe U-Bahn-Station, sondern auch mal Dungeons in verschiedenartiger Optik. Das ist gut, denn dann hab ich auch mehr Spaß an verschiedenen Locations, auch wenn das ein oder andere Setting sich doch wieder nicht geändert hat (zum Beispiel die Technikräume und –gänge). Ideen muss man haben, und so musste ich ab und zu mal ordentlich grinsen, als mir die ein oder andere Vault untergekommen war. Da gibt es eine von Vegetation überwucherte Version, oder auch die zum Hotel umgebaute mitten auf dem Strip.

Es sollte dann doch noch erwähnt bleiben, dass die Referenzen zu den kultigen Originalen hier mehr Beachtung verdiente als noch in Bethesdas Ableger. Monster, Locations, Figuren und andere Elemente wurden hier offensichtlicher übernommen, was Fans besonders freuen dürfte. So entsteht auch leicht ein Konflikt zwischen den beiden Teilen, den ich persönlich für übertrieben halte.

Müsste ich jetzt ein Spiel wählen, würde ich doch eher zu „Fallout 3“ tendieren. Einfach aus dem Grund, dass das Bild, das mir vermittelt wird, ein durchgängigeres ist, vor allem auch zynischer. Da ist „New Vegas“ eher vielseitig veranlagt, aber auch wackeliger im Stil. Also hat jeder Teil so seine Argumente für sich auf der Haben-Seite.

Technik

Auch hier wurde vieles aus dem Vorgänger übernommen, leider dadurch auch die vielen, kleinen Fehlerchen. An sich ist der Grafikstil stimmig, doch sind Beleuchtungen teils sehr statisch ausgefallen, Texturenmatsch gibt es hier ebenfalls in Hülle und Fülle, und die Animationen haben sich rein gar nicht verbessert. Darüber hinaus plagen das Spiel sogar zu Beginn einige unschöne Bugs, die dann zum Glück nicht Überhand nehmen und daher verschmerzbar sind. In „Fallout 3“ war das andersrum, da stellten sich so manche Bugs erst später ein, was teils sogar questrelevant war und dadurch ein bisschen den Spaß verdorben hatte.

Auch weniger Neues zu berichten gibt es von der Tonfront, da eben wieder vieles wiederverwendet wurde, einzig bei den Sprechern wurde wegen des Designs alles nochmals von vorne aufgerollt. Da ist es schon erwähnenswert, dass so manch bekanntes Hollywood-Gesicht am Mikro stand, da geben sich u.a. Ron Perlman als Erzähler (und dessen deutsches Synchronpendant) oder William Sadler („Die Verurteilten“) die Ehre. Auch hier ist gerade in germanischen Gefilden das Sprecherrecycling leider zu bemäkeln, da wurde in der Originalversion mehr Aufwand investiert. In dem Zusammenhang darf auch die Musik lobend hervorgehoben werden, die vielseitig und reichhaltig Atmosphäre vermittelt. Also mehr Gutes von der Ödland-Front.

Fazit

Wenn Krieg immer gleich ist, dann hat auch „New Vegas“ ein bisschen das Erzählproblem, sich nur im Fahrwasser aller vorherigen „Fallout“-Teile zu bewegen. Die paar kleinen Twists hatten mich nicht vom Hocker gehauen, und die Story wirkt zu unscheinbar und höhepunktarm, um ein komplettes Bild zu zeichnen. Nimmt man diesen Lapsus weg, bleibt ein Rollenspiel, das eher im Detail zu begeistern weiß. Man sammelt, tötet und spricht sich so gerne durch´s Ödland, dass die Suchtspirale wieder greift, und das ist ja schon mal sehr viel wert.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafikstil sehr ähnlich dem Vorgänger
  • Stimmige Musik
  • Sehr gute Sprecher (deutsch wie englisch)
  • Noch mehr Items und Inhalte
  • Abwechslungsreiche Areale
  • Begleiter sind voll bei der Sache
  • Anspruchsvoller Schwierigkeitsgrad
  • Toll erzählte Nebenquests
  • Grafik veraltet und erbt die Macken von Fallout 3
  • Kein stimmiges Gesamtbild (Fraktionen, Story)
  • KI bleibt gerne mal an Gegenständen hängen

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 100 Stunden



Kommentare(2)
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