For Honor - Zu wenig, zu spät: Warum Season 2 nicht die Rettung bringt

For Honor kämpft seit dem Release mit sinkenden Spielerzahlen und enttäuschten Nutzerreviews. Season 2 soll das Spiel komplett umkrempeln, versagt aber an den entscheidenden Stellen.

Als Ubisoft ankündigte, For Honor mit dem Start der zweiten Season komplett umzukrempeln, war ich Feuer und Flamme. Meine Hoffnung: Die seit dem Release schwindende PC-Community könnte wieder zurückkehren, technische Probleme würden endlich behoben und For Honor böte wieder eine stabile Spielerbasis mit Zukunftsperspektive.

Und auf dem Papier las sich auch zunächst alles sehr gut: Das Loot- und Gear-System sollte eine Generalüberholung erhalten und für mehr Langzeitmotivation sorgen, behobene Exploits und Feintuning beim Balancing sollte mehr Fairness in die Matches bringen. Und nicht zuletzt sollten zwei neue Helden das eingeschlafene Meta etwas aufrütteln. Dazu tonnenweise kleinere Verbesserungen und Bugfixes speziell für die PC-Version.

Ich hoffte auf nichts Geringeres, als ein Rettungspaket, das die vielen kleinen Ärgernisse beseitigt und dem tollen Kern-Gameplay einen komfortableren und solideren Unterbau spendiert. Und obwohl sich die Entwickler offenbar mächtig ins Zeug gelegt haben, wie man allein anhand der Länger der Änderungsliste sehen kann: For Honor wird es zumindest auf dem PC sehr schwer haben, wieder an die starke Zeit zum Release anzuknüpfen.

Der Autor: Zum Release von For Honor war Phil von dem Kampfsystem ganz hin und weg. So intensiv und intim sind Multiplayer-Duelle selten gewesen! Umso trauriger machte ihn die starke Abwanderung der Spielerschaft in den Monaten nach Release. Dass auf der PS4 die Wartezeiten beim Matchmaking wesentlich kürzer sind, Abstürze deutlich seltener vorkommen und die Steuerung ohnehin mit dem Gamepad komfortabler ist, macht ihn eifersüchtig auf die Konsolenversion. Und das ist kein gutes Zeichen für die Gesundheit des Spiels auf dem PC. Deshalb spielt er jetzt wieder mehr Rainbow Six Siege - trotz, oder gerade wegen der Content-Verschiebung zu Gunsten besserer Technik.

Wo sind denn alle?

Denn trotz vieler neuer und sinnvoller Features für PC-Spieler, wie verbessertem Controller-Support, übersichtlicherem Interface oder mehr Performance für Multi-GPUs, sind die großen Baustellen nach wie vor da. Immer noch berichten zahlreiche Spieler von Abstürzen, Lags und Verbindungsproblemen. Im Team mit Kollegen zu spielen wird oft zur Qual, da man Freunde zig Mal neu einladen muss. Das Peer-to-Peer-System sorgt ebenfalls für Ärger, wenn mal wieder der Host einer Partie aussteigt und das Match für alle anderen unterbrochen wird. Dazu kommen oft neue Probleme, wie der Sound-Bug, der direkt zum Start von Season 2 vielen Spielern den kompletten Ingame-Ton raubte.

Die Krux von For Honor ist jedoch die offensichtlich geschrumpfte Playerbase auf dem PC selbst - häufig ein Todesurteil für stark skillorientierte Multiplayer-Spiele. Viel zu oft wartet man länger auf eine Duell-Partie, als sie dann eigentlich dauert. Und wenn mal ein Match startet, geraten auch Neulinge mangels Mitspielern viel zu häufig an Profis und sehen absolut kein Land - das frustriert und verjagt sicherlich den einen oder anderen für immer. Aber auch Veteranen treffen verdächtig häufig auf immer dieselben Gegner, die Community kocht im eigenen Saft, zumindest unseren Erfahrungen nach. Aber auch die Spielertendenz auf Steam spricht da eine deutliche Sprache, auch wenn sie die Uplay-Zahlen nicht miteinbezieht.

Da hilft es auch nicht sonderlich, dass wichtige Funktionen für den Spielfluss noch immer auf sich warten lassen. Weil eine automatische Lobbysuche fehlt, wird man ständig ins Hauptmenü zurückgeworfen und muss manuell eine neue Partie suchen. Wer die Wartezeit umgehen will und sich dagegen in Bot-Matches stürzt, erhält manchmal keinerlei Belohnungen - ein Bug, der schon lange bekannt ist, aber einfach nicht behoben wird. Ein Ranked-Modus fehlt sogar noch gänzlich, dabei würde gerade die Jagd auf Ränge und Ligen für den nötigen Motivationsschub sorgen, den Spieler mit hohen Stufen und maximalem Gear-Level so dringend brauchen.

Eine schwere Aufgabe

Wenn Ubisoft allen Mut und alle nötigen Ressourcen zusammenziehen und eine radikale Gesundheitskur zu Lasten von Content starten würde, könnte For Honor jedoch wieder für mehr Spieler relevant werden. Operation Health für Rainbow Six Siege ist dafür das Paradebeispiel schlechthin aus dem eigenen Hause! Um die Technik endlich auf Vordermann zu bringen und dem Spiel ein solides Fundament für die die weitere Zukunft und neuen Content zu bauen, hat man rigoros neue Inhalte wie Maps oder Operator verschoben und fokussiert sich allein auf Server-Stabilität, Matchmaking und Bugfixing. Das ist gewagt, ja, aber auch nötig, wenn man einen Titel als langfristiges Multiplayer-Schwergewicht etablieren und halten will. Sonst droht mit For Honor ein im Kern großartiges Spiel mit innovativem und spannendem Gameplay, in die Bedeutungslosigkeit abzurutschen.

Im Test von For Honor habe ich meine Begeisterung für die gelungene und tiefgehende Kampfmechanik ausgedrückt. Diese Begeisterung ist bis jetzt geblieben, auch wenn ich die Ermüdungserscheinungen nicht verleugnen kann. Wie die Zukunft von For Honor aussieht, darauf konnten wir zum Release noch keine Antwort liefern. Jetzt ist zumindest mir klar: Vieles wurde versäumt. Spieler über Jahre bei der Stange zu halten ist heutzutage nicht einfach. Ein dauerhaftes Gefühl von Fortschritt konnte For Honor nicht vermitteln. Viele kleine Fehler, die wohl zu vermeiden gewesen wären, verärgerten die Fans. Season 2 ist also für mich nicht der erhoffte Neustart. Wenn For Honor einen dauerhaften Platz neben den »Großen« im Multiplayer-Genre einnehmen will, ist es lediglich der erste Schritt auf einem sehr steinigen Weg.

For Honor - Cinematic-Trailer zur »Season 2: Shadow + Might« Video starten 0:40 For Honor - Cinematic-Trailer zur »Season 2: Shadow & Might«

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