Legales Glücksspiel?

Bitte, eine 9... oder eine 10... nein, wieso so niedrig? Ahh.. 7/10, na geht ja. Kurz davor, mir ein Büschel Haare auszureißen, starre ich gebannt...

von Weltensohn am: 17.07.2016

Bitte, eine 9... oder eine 10... nein, wieso so niedrig? Ahh.. 7/10, na geht ja. Kurz davor, mir ein Büschel Haare auszureißen, starre ich gebannt auf den Bildschirm, während die Reviews für mein neuestes entwickeltes Spiel erscheinen. Im Endeffekt erreiche ich eine Durchschnittsnote von 6.75/10, mit einem Spiel, welches zwei In-Game-Jahre früher vermutlich eine 9.25/10 gewesen wäre. Genervt akzeptiere ich die Reviews und beginne die Arbeit am nächsten Machwerk meiner fiktiven Spieleschmiede.

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Leider ist das im Fließtext angesprochene Beispiel kein Einzelfall. Game Dev Tycoon ist Glücksspiel in seiner - nahezu - reinsten Form, welches nicht selten frustriert. Vermutlich ist es im Gegensatz zu CS:GO nur noch nicht ganz alt genug, um von Streamern und Steam zu ihrem Vorteil genutzt zu werden. Dennoch, alle schlechten Scherze außen vor gelassen, abseits all seiner Probleme in den Core Mechanics des Spiels macht es durchaus Spaß und liefert zahlreiche Momente, die besonders bei erstmaligem Spielen zum ehrlichen Schmunzeln anregen.

Bevor wir nun mitten rein in die Review springen, ein kleiner Disclaimer: aufgrund des äußerst geringen Umfangs von Game Dev Tycoon wird auch diese Rezension (zumindest für meine Verhältnisse) sehr kompakt, eine tl;dr-Zusammenfassung gibt es im am Ende der Rezension ersichtlichen Pro- und Contra-Kasten. Weiterhin wird die Review keine Screenshots beinhalten, da ich während dem Spielen darauf vergessen habe und nun keine von Google klauen möchte. Auf der Website der Gamestar und auch auf Steam gibt es aber einiges an Bildmaterial, welches nur zeigt, was auch im Nachfolgenden besprochen wird.

 

Story? Welche Story?!

In Game Dev Tycoon erlebt man die Geschichte der - einst in ihren Garagen sitzenden Nerds - von den Anfängen der Spielentwicklung bis hin zur Neuzeit. Man kann also die Historie des Game Developing erleben und daran mithilfe seiner eigenen, vollkommen authentisch ebenfalls in der Garage beginnenden, Firma mitmischen. Über die Jahre hinweg entwickelt sich die Technik weiter, es gilt also neue Engines und - vor allem - neue, immer bessere Spiele zu entwickeln, um am Markt von Relevanz zu bleiben. Auch Conventions gilt es zu besuchen und Marketingkampagnen zu buchen, um Hype für Spiele zu generieren. Später darf man gar eine eigene Vertriebsplattform für Spiele entwickeln und Konsolen auf den Markt bringen.

Ein besonderes Schmankerl nostalgischer Natur ist sicherlich für ältereingesessene Semester, wenn man den Release der "großen" Plattformen von Nintendo, Sony und Microsoft erneut miterleben kann. Da die Indie-Entwickler hinter Game Dev Tycoon keine Lizenzen für diese In-Game-"Auftritte" erworben haben, wird man mit humorvollen Interpretationen der bekanntesten Plattformen versorgt. So floppt beispielsweise die Dreamvast und einige Jahre später lassen die mBox und das PlaySystem Spieler in einer größeren Masse an der Faszination Computerspiele teilhaben. Ein i-Tüpfelchen wäre es noch gewesen, wenn man den "Console-War" als Entwickler mitbekommen würde und gezielt Exklusivtitel anbieten könnte, doch leider wird dies vom Spiel nicht unterstützt. Von Seiten des Humors würde es aber toll reinpassen, wenn plötzlich ehemalige Fans der Spieleschmiede diese plötzlich mit Eiern bewerfen, da der neue MMO-Hit, den jeder gerne spielen würde, nur für PC und nicht für filthy peasants erscheint. Aber man muss sich eben mit dem abfinden, was man hat, und das ist - in einem normalen Durchlauf - in etwa 3 bis 5 Stunden, bis man das Ende erreicht hat nicht so viel. Dafür darf man danach noch ohne fortlaufender Story weiter Spiele entwickeln. Auch nett. Viel mehr sollte man aber von einem - derzeit regulär - 9€ teurem Spiel auch nicht erwarten, Ausnahmen wie Terraria außenvor gelassen... Game Dev Tycoon ist aber regelmäßig im Steam-Sale zum Schnäppchenpreis zu erwerben, und dann lohnt es sich meiner Meinung nach schon, einen Blick zu riskieren.

 

Let's play!

Ist denn die relativ kurze Spielzeit, wenn man nur den Story-Modus spielt und danach aufhört auch spaßig gefüllt? Im Kern ist Game Dev Tycoon ein Spiel, in dem man durch das Verschieben diverser schlecht beschrifteter Regler nach und nach ein Spiel entwickelt, welches man - je nachdem, ob man die Großen im Biz nachmachen will oder nicht - vor oder nach dem Bugfixing releasen kann. Nachdem man die Reviews dafür erhalten hat, die leider ebensowenig Aussagekraft wie die Regler bieten, kann man einen Report anfertigen lassen, der den Spieler mit wertvollen Informationen versorgt, die man so aber wirklich nie vorhergesehen hätte. Beispiel gefällig? "Medieval and RPG is a great combo." U don't say?

Besonders überrascht war ich einmal über die folgende Aussage, nachdem ich im frisch gegründeten IhA-Game-Studios ein Reboot meiner zuvor sehr erfolgreichen "Cim City"-Reihe veröffentlichen wollte: "You can't release an unfinished game." Hmm.

Legen wir die Scherze aber kurz zur Seite: wenn man mit seinen in der Garage gecodeten Spielen große Erfolge einfährt, erhält man die Option, aus der Garage in einen kleinen Bürokomplex zu ziehen. In diesem wird es im Verlauf des Spiels möglich sein, eine Forschung&Entwicklungsabteilung zu betreiben, als auch eine Konsolenfabrik.

Außerdem erhält man im Büro die Option erst zwei, später bis zu fünf Mitarbeiter einzustellen, welche bei der Entwicklung größerer Spiele wichtig sind. Neue Mitarbeiter benötigen aber eine Einarbeitungszeit, um ihr volles Potential auszuschöpfen. Um einen neuen Mitarbeiter einzustellen wählt man einfach die "Mitarbeiter suchen" Option aus und darf dann wählen, ob er seine Stärken eher im Design, in der Technik oder doch in beidem, dafür nur jeweils halbgar, haben soll. Zusätzlich kann man seine Spielfigur selbst - die man übrigens im spartanischen Editor anhand einiger vorgefertigter Teile anfertigen kann - und auch die Mitarbeiter trainieren und weiterbilden. Prinzipiell empfiehlt es sich, Spezialisten zu haben, doch dies ist leider nicht in jeder Situation von Vorteil.

Kommen wir also zum Herzstück von Game Dev Tycoon: dem Ablauf einer beispielhaften Spieleentwicklung. Um ein Spiel zu entwickeln, drückt man einfach auf seine Spielefigur und wählt die passende Option im aufploppenden Menü aus. Danach wählt man das Setting und das Genre (später auch Multigenre, wie zB. Action-RPG) aus. Am Anfang hat man einen begrenzten Pool zur Auswahl, welcher sich später erweitert. Auch Altersgruppen kommen irgendwann als Option hinzu. Nachdem man sich beispielsweise für "Superheroes - Action" entschieden hat, erhält man zufällig verteilt einige Punkte in die 4 "Qualitäten", die ein Spiel generiert. Es gibt (von links nach rechts gelesen) Bugs, Design, Technology und Research. Bugs sammeln sich während des Entwicklungsprozesses an und können danach abgebaut werden, wenn man das Spiel nicht sofort nach seiner Fertigstellung veröffentlicht. Research ist quasi das Wissen, welches man während der Entwicklung erhält und später für das Erforschen neuer Genres und Co benutzen kann.

Nachdem diese Punkte verteilt wurden, kommt man in Phase 1 der Entwicklung. Hier erhält man zum ersten Mal drei mysteriöse Balken, die man frei verschieben kann. Diese entscheiden über den Fokus während der nachfolgenden Sekunden. Die erste Phase behandelt Engine, Gameplay und Story/Quests. Im späteren Spielverlauf kann man beispielsweise einen technikbegabten Entwickler der Engine zuteilen, zu Beginn wird aber alles von unserem Charakter erledigt. Entscheidet man sich nun beispielsweise für 50% Engine, 40% Gameplay und 10% Story/Quests, wird der Entwicklungsprozess danach sofort gestartet. Während der Entwicklungsphase ploppen jetzt wieder Punkte auf und verteilen sich auf die einzelnen Bereiche.

In Phase 2 geht es um Dialogues, Level Design und Artificial Intelligence. Phase 3 behandelt dann World Design, Graphic und Sound Design. Hier liegt auch das bereits angesprochene Problem: Zwar kann man sich grob etwas unter den einzelnen Punkten vorstellen, wo liegt nun aber der Unterschied(basierend auf den Fähigkeiten, die die zugeteilten Entwickler haben) bei Graphic und Sound Design? Schließlich ist ja beides sehr technisch. Oder ist Graphic doch eher die Design-Kategorie? Wo ist dann in Game Dev Tycoon der Unterschied im Fokus zwischen World Design und Graphic?

Wäre es hier weniger kryptisch, würde dies bereits um einiges helfen. Hinzu kommen nun aber die Reviews: Nachdem man ein Spiel fertiggestellt hat und es - hoffentlich bugfrei - veröffentlicht hat, erhält man Reviews dafür. Gesamt gibt es 4 fiktive Kritik-Magazine, auch die StarGames ist vertreten. :D Diese 4 Instanzen können nun je zwischen 1 und 10 Punkten geben, auch eine 11 (bei ansonsten lauter 10ern) ist im Sonderfall möglich. Danach werden die einzelnen Punkte addiert und durch vier dividiert. So entsteht der "Game Score", der demnach zwischen 1 und 10.25 liegen kann. Diese Reviews könnten hilfreich sein, wären sie nicht so unfassbar kurz und nichtssagend. "Falls a bit short.", "Awesome!" oder "Played it for days..." (und dann eine 6 geben - U fokin wot, m8?) sind nur einige Beispiele dafür. Außerdem fällt auf, dass Prozentzusammensetzungen, die einem Spiel eine 10er Game Score beschert haben, beim zweiten Mal zu einer 5 führen können, oder doch wieder zu einer guten 8-9.

Die Game Scores beeinflussen die Verkaufszahlen der Spiele extrem, daher sollte es umso wichtiger sein, das Spiel in diesem Bereich logischer zu gliedern und besser zu beschriften oder zu erklären - ein umfangreiches Tutorial fällt nämlich ebenfalls außen vor.

Manchmal kommen auch kleine Mini-Events, wie beispielsweise Nachrichten über Spieler, die eines unserer Spiele modden wollen und uns um den Source-Code bitten. Außerdem kann man alte Engines veröffentlichen und somit Fan-Service betreiben. Selten wird einem auch von dubiosen Gestalten angeboten, Firmeninterna der Konkurrenz zu erhalten. Diese sind aber meistens Scam.

Engines und das Late Game

Ein cooles Feature ist das Entwickeln eigener Engines, welches zwei fundamentale Vorteile mit sich bringt: Nicht nur erhält man hunderte, später sogar tausende Research-Punkte, sondern auch die Option, die Engine seinen Wünschen anzupassen. Welche Soundoptionen soll es im Spiel geben? Und wie sich denn die Geschichte entwickeln? Ist Open World nicht auch geil? Nachdem man dann diese Engine entwickelt hat, kann man vor der Erstellung des Spiels die Engine auswählen, mit der man seinerseits das Spiel entwickeln will und erhält dann in Phase 1 bis 3 zusätzliche Optionen. Da kann man dann diese neu gewonnen Spezialitäten der Engine ausspielen und beispielsweise den Fokus auf Story in einem RPG noch verstärken, indem man dem Spieler außerdem "Freedom of Choice" dazugibt und danach die Welt dank "Immersive Weather" realistischer gestaltet, oder sie gleich zur oben angesprochenen Open World werden lassen. Besonders im Late-Game ist dieser Aspaket äußerst wichtig, da man ansonsten für das Weglassen dieser Features von den Kritikern mit niedrigen Wertungen bestraft wird.

Abschließend zu diesem Kapitel noch ein kurzer Punkt zum Late-Game mit Fokus auf Konsolen, MMOS, und der Größe von Spielen. Wenn man in der Forschungs-&Entwicklungs-Abteilung nachdem man genug Geld investiert hat die Option einer eigenen Konsole erforscht hat kann man sich auch schon an ihren Bau machen. Aber Achtung! Das kann zuweilen sehr teuer werden, zumal die Konsolen auch gewartet werden müssen und man für diese Wartung monatliche Zahlungen absetzen muss, die durchaus in die Millionen gehen können. Je länger die Konsole am Markt ist, umso niedriger ist der generierte Umsatz, da weniger Leute die Konsole kaufen und mehr Konsolen aufgrund des Alters den Geist aufgeben.

Bei der Entwicklung von Spielen erhält man mit fortschreitender Spieledauer die Option, "mittlere", "große" und final auch "AAA"-Spiele zu entwerfen. Die einzelnen Größenordnungen unterscheiden sich lediglich in ihrer Entwicklungszeit, der Rest bleibt gleich. Besonders bei größeren Spielen muss man aufpassen, dass sich die Angestellten nicht überarbeiten, da man sie ansonsten in den Urlaub schicken muss aufgrund ihrer nachlassenden Leistung.

MMOs funktionieren vom Geschäftsmodell her ähnlich wie Konsolen, nur sind sie Spiele die mindestens "groß" oder gleich "AAA" sein müssen. Sie generieren monatlich Kosten, nur werden auch jedes Monat die Serverkosten erhöht. Um es am Leben zu halten, kann man auch Addons veröffentlichen, die die Spielerzahlen wieder ordentlich boosten können. Die Serverkosten werden aber nicht zurückgesetzt, irgendwann ist es also beinahe unmöglich, eine positive Bilanz zu erwirtschaften, wenn man sich lediglich auf ein einziges MMO als Einnahmequelle stützt.

Der einzige planbare, komplexere Vorgang in Game Dev Tycoon findet ebenfalls im Late-Game statt: Wenn man für seine eigene Konsole ein MMO oder generell gute Spiele veröffentlicht, steigern sich natürlich die Verkaufszahlen beider Plattformen.

 

Modden bis zum Bluescreen?

Glücklicherweise hat das Spiel einen guten Support für den Steam Workshop. Zwar sind die populärsten Mods dort eher Erweiterungen des Spieles, wie eine Finance Mod oder die Percentager-Mod, welcher einen die genauen Prozentwerte bei der Entwicklung einsehen lässt (da by default nichtmal die gegeben sind), aber es gibt auch Expansion Packs und Mods, die neue Konsolen und Co einführen. Nach dem Runterladen muss man diese Mods nochmals im Spiel aktivieren, bevor sie wirklich funktionieren. All diese zusätzlichen, communitygenerierten Möglichkeiten machen das Spiel zwar durchaus spaßiger und runder, ein komplettes Umkrempeln des Spielprinzips oder ein plötzlich auf magische Art und Weise logisches Spieldesign ist deswegen aber trotzdem nicht möglich.

 

69? Hö. Höhö.

Dennoch, trotz dieser extremen Schwächen in den absoluten Core Mechanics, gebe ich wohlwollend 69 Punkte. Genauso, wie mir unerklärlich ist, wie immer wieder so viele Leute über diese Zahl lachen können, ist es mir auch unlogisch, wie Game Dev Tycoon dennoch so viel Spaß machen konnte. Ist es der comic-hafte und wie die Faust aufs Auge passende Grafikstil? Die lustigen Konsolennamen? Schlicht und einfach die Faszination, das System zu erlernen, welches hinter der Spieleentwicklung steckt, insofern es denn erlernbar ist?

Ich kann es leider nicht sagen. Wissen tue ich lediglich, dass ich gut 25 Stunden aufrichtig Spaß mit einem Titel hatte, den ich vor einiger Zeit um etwa 2€ (ich denke, es waren 1,99€?) im Sale ergattert habe, obwohl es defacto nichts in seinen Mechaniken befriedigend umsetzt und dadurch vielermals extrem in Glücksspiel verfällt. Um diesen Aktionspreis kann ich das Spiel uneingeschränkt allen Interessenten empfehlen, um die regulären 9€ würde ich mir einen Kauf aber genauer überlegen. Zwar kann man auf Steam Spiele mitlerweile zurückgeben und einen Refund bekommen, doch dieser lässt mehrere Tage auf sich warten, und wenn man sein Geld kurzfristig für ein zweites Spiel ausgeben möchte verliert man so doch ein bis drei Tage.


Wertung
Pro und Kontra
  • Nostalgisches Gefühl
  • Humorvolles Game-Design
  • Gut für zwischendurch
  • Passende Comicgrafik
  • Modding-Support
  • Spieleentwicklungsaspekte unzureichend erklärt
  • Nichtssagende Bewertungen
  • Viele nicht nachvollziehbare Vereinfachungen
  • Eher kurze Story
  • Teurer regulärer Preis

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



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