GTA V - außen pfui, innen hui

Eines vorweg: Ich gehöre zu den Spielern, bei denen alleine schon der Gedanke an die Steuerung eines Spieles mit Schießübungen mittels eines...

von CmdrBansh am: 17.04.2015

Eines vorweg: Ich gehöre zu den Spielern, bei denen alleine schon der Gedanke an die Steuerung eines Spieles mit Schießübungen mittels eines (Konsolen-)Controllers mittelschwere Anfälle auslöst. Groß geworden mit Quake, Counter-Strike und Co. sind für mich alle Formen von Shootern nur mit Tastatur und Maus vernünftig und vor allem sinnvoll spielbar. Die aus Sicht der Publisher absolut anstrebenswerte Veröffentlichung eines im Grundgerüst identischen Spiels auf möglichst vielen Plattformen ist unter finanziellen Gesichtspunkten nachvollziehbar, für mich sind derartige Bestrebungen im Bereich sämtlicher Spiele, in denen es irgendwie auf „zielen und schießen“ ankommt, ein eindeutiges Warnsignal und meine Kaufentscheidung tendenziell schon getroffen – „Finger weg!“. In allen Fällen, in denen ich diesem Warnsignal nicht gefolgt bin, beispielhaft sei Battlefield 3 genannt, habe ich die Kaufentscheidung letztlich bitter bereut. Meines Erachtens sind die Nachteile, die durch Konsolenfähigkeit der Spiele erkauft werden, auf dem PC so schwerwiegend, dass sie auch das ansonsten noch so überzeugendste Szenario zunichtemachen können. Aktuellstes Beispiel und Anlass für diese Zeilen: GTA V.

Alle in 3D erschienenen Teile von GTA haben mich stets gut unterhalten, wobei die Widrigkeiten im Zusammenhang mit der Portierung von GTA IV fast allen Bonus bei mir aufgebraucht haben – aber eben nur fast. Seinerzeit auf der PS3 kurz angespielt, habe ich das als „sicher“ erwartete Release von GTA V auf dem PC daher nicht herbeigesehnt, es war für mich aber immer klar, dass ich dem Spiel eine Chance geben würde, trotz aller Bedenken über die nicht zu ignorierenden Wurzeln des Spiels.

Wie der Zufall es will, habe ich zum Release Urlaub gehabt, sodass ich bereits ein paar „mehr“ Stunden im Spiel verbringen konnte. Der Start war unerwartet problemlos, es gab nach dem Kauf über Steam dank schneller Leitung binnen dreier Stunden den Client und am Morgen nach dem Release auch keinerlei Schwierigkeiten mit dem ersten Start des Spiels. Den ersten Einschätzungen auf einschlägigen Seiten folgend, habe ich die Grafikeinstellungen passend zu meinem System (i5-3570K, 12 GB RAM, Asus 970GTX, alles auf Werkeinstellungen) eingestellt. Die Installation befindet sich auf einem normalen HDD, für die vorhandene SSD ist der Client schlicht zu groß.

Leider offenbart bereits die Startmission die befürchteten Auswirkungen der Portierung, das Spiel verhält sich auch in dieser Ausgabe bei einer Steuerung mit Maus und Tastatur - insbesondere innerhalb von Gebäuden - wie eine unerfreuliche Kombination aus einer überforderten Kollisionsabfrage und einem betrunkenen Elefanten als Spielfigur.

Angefangen bei der umständlichen Auswahl der Waffen, über die mit „erstaunlich“ oder „merkwürdig“ noch freundlich bezeichnete KI der meist in Person von Polizisten bestehenden Gegner, ist auch im weiteren Spielverlauf an jeder Stelle zu spüren, dass das Spiel ursprünglich auf ein Zielen mit dem Digitalstick eines Controllers ausgelegt – und damit auf Konsolen insgesamt – ausgelegt ist.

Hinzu kommen für den Spieler absolut nicht nachvollziehbare (im Sinne von „sofort erkennbare“) Einschränkungen der Spielwelt in Form von unzerstörbaren Leitplanken, Büschen(!) und einzelnen Laternenpfählen/Strommasten. Ampeln kippen wie Mikado-Stäbe um, die Kollision mit einem Oberleitungsmast der Stadtbahn ist hingegen schon mal zum aus-der-Windschutzscheibe-fliegen. Über das ganze Spielgebiet verteilt finden sich Rampen für ach so tolle Stunts (wie immer; mit Erfolgszähler *gähn*), an einem simplen Busch verzweifelt aber der dickste Wagen.

Die jeweilige Spielfigur kann laufen, springen, schwimmen/tauchen und sogar klettern – aber eben nur dort, wo das Spiel es vorsieht. Mit ein bisschen Spielerfahrung lässt sich früher oder später abschätzen, ob ein Container zum Klettern geeignet und ein Dach zu erreichen ist, nachvollziehbar bleibt das Ergebnis aber keineswegs immer, hier sei beispielhaft die Treppe aus der Wohnung von Floyd gemeint, kein Springen, kein Rennen auf der Treppe – nervig.

Die Vermutung liegt nahe, dass mit diesen Einschränkungen im Großen vor Allem die ohnehin gravierenden „Leere“ der Spielwelt kaschiert werden soll. Diese Leere hat ihre Wurzeln vermutlich ebenfalls in den Konsolen-Wurzeln des Spiels, schmälert aber das OpenWorld Erlebnis deutlich.

Außer der „Hoffnung“ auf eines der Raumschiffteile ist auf großen Teilen der Karte nichts zu finden. Ähnlich verhält es sich mit Häusern und der Möglichkeit zur Interaktion mit großen Teilen der Spielwelt. Was nicht Teil einer Mission ist oder einen direkten Zweck innerhalb der Spielwelt erfüllt, ist nicht begeh-, benutz- oder zerstörbar. Ein Gastank lässt sich zwar zur Explosion bringen (die leider nur an ein Tischfeuerwerk erinnert…), eine Tankstelle trotz jedoch selbst härtesten Angriffen. Leichen verschwinden plötzlich, eben noch umgefahrene Schranken sind nach einem bloßen Kameraschwenk wieder an Ort und Stelle. Allen Minispielen und Vielfalt der Reisemittel zum Trotz habe ich auch daher leider nie das Gefühl, mich in einer glaubwürdig simulierten, belebten Welt zu bewegen. Trotz der PC-typischen Vorteile bei der Sichtweite und sonstiger grafischer Spielereien bleibt immer der Eindruck, dass sich das Geschehen zu sehr um die Spielerfigur herum begrenzt abspielt. Rockstar versucht dies durch die Telefonate, das allgemeine Interagieren der Figuren und nicht zuletzt das Einarbeiten von Radiomeldungen die sich auf die letzten, Pardon, „Erfolge“ der Figuren beziehen, zu kaschieren, dies gelingt meines Erachtens aber nur eingeschränkt. Der Verkehr auf allen Straßen und Highways ist gleichermaßen inkonsistent und generisch. Auch die gelegentlich unvermeidbaren Konfrontationen mit der Polizei sind alleine schon dadurch einfach zu überstehen, dass diese sich so intelligent benehmen wie 100 Meter Feldweg in der Sonne. Dies trifft sowohl auf die Ereignisse in der offenen Spielwelt zu, wie leider aber auch auf die Aufeinandertreffen mit der Staatsmacht während der ansonsten größtenteils absolut kinoreif inszenierten (Haupt-)Missionen.

Diese Missionen sind es dann auch, die mich bei der Stange halten, mich trotz aller technischen Unzulänglichkeiten (wozu auch reproduzierbare Abstürze innerhalb der Missionen zählen) dazu animieren, weiterzuspielen. Durch die Übersetzung geht sicherlich einiges an Wortwitz  verloren, Rockstar versteht es aber auch bei dieser Ausgabe trotzdem sehr gut, kleine und große Geschichten zu erzählen, die unterhalten und insbesondere auch zwischen den Zeilen aufhorchen lassen. Die absolut zufälligen und nicht beabsichtigen Bezüge auf die reale Welt und einzelne Personen bzw. Konzerne sind gewohnt bissig bis radikal.

Abseits der Missionen ist die Charakterentwicklung zwar durch ein paar Balken sichtbar, sie ist aber zumindest meinem Gefühl nach völlig unerheblich für das Vorankommen im Spiel. Den Schießstand hat man in ein paar Minuten durch, die Fahrkünste und die Ausdauer entwickeln sich nebenbei. Durch das Verhalten der KI und den eingeschränkten Aktionsradius während der Missionen bleiben diese Faktoren reine Statistik.


FAZIT:

Überspitzt gesagt ist GTA V damit für mich ein sehr gut erzählter Film in Überlänge mit gelegentlichen Möglichkeiten zur Interaktion. Es wechseln sich nahtlos „WOW“-Effekte bei einer Spritztour mit einem Jetski in den Sonnenuntergang mit der anschließenden Enttäuschung über die oben geschilderte Leere der Spielwelt und die technischen Unzulänglichkeiten ab. Rockstar versteht es wie kaum ein anderer Hersteller, ihre Marke „GTA“ perfekt an den Mann zu bringen, auch wenn das Gesamtpaket mit der mehrfachen Veröffentlichung ein und desselben Inhalts auf diese Art und Weise immer ein „Geschmäckle“ haben wird – dafür sind die technischen Anpassungen einfach in Anbetracht der heutigen Möglichkeiten zu schlecht umgesetzt. Es bleibt die dumpfe Ahnung, dass hier viel mehr möglich gewesen wäre, wenn diese Welt nur für den PC erschaffen und „gefüllt“ worden wäre.

Der reine Umfang der Geschichte macht den happigen Preis von um und bei 60 € erträglich, alle nicht-Erstkäufer, die das Spiel bereits auf einer der Konsolen gespielt haben, sollten aber ggf. auf Rabattaktionen warten.

Im GameStar Wertungssystem würde das Spiel bei mir zwischen 80 und 85 Punkten landen. Für mich wird es das erste und letzte zum Vollpreis erworbene GTA mit Konsolenwurzeln bleiben.


Wertung
Pro und Kontra
  • Hauptmissionen
  • Soundtrack/Radio
  • besondere Momente
  • ...die leider die technischen Unzulänglichkeiten nicht überspielen können
  • Verhalten der KI
  • Steuerung der Luftfahrzeuge

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Oft, regelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(1)
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