Innovatives aber nicht sensationelles MMO

Die große Schwierigkeit eines Massively Multiplayer Online Game (MMOG) besteht darin, den Spieler dauerhaft zu motivieren. Obwohl Guild Wars 2 (Hersteller...

von Hans_W am: 07.01.2013

Die große Schwierigkeit eines Massively Multiplayer Online Game (MMOG) besteht darin, den Spieler dauerhaft zu motivieren. Obwohl Guild Wars 2 (Hersteller Arenanet) gewisse Schwächen aufweist, auf die der Autor im weiteren Verlauf eingehen wird, ist dieser Aspekt vorzüglich gelöst. Wesentlich hierfür ist, dass die Stufenaufstiege leicht von der Hand gehen, weil nahezu jede Aktion mit Erfahrungspunkten belohnt wird. Wobei das monotone Monstermetzeln in dieser Hinsicht noch am wenigsten zielführend ist. Erfahrung sammelt man beispielsweise durch die Abarbeitung von über die Karte verteilten Quests, Teilnahme an willkürlich auftretende Events, das Durchlaufen der Story, das Aufdecken der Karte und durch Betätigung in einer der zahlreichen Berufe. Aber eines nach dem anderen. Man startet zunächst, indem man einen Charakter generiert. Es stehen genretypisch unterschiedliche Rassen und Klassen zur Verfügung.

Das Charaktersystem erweist sich als relativ starr, obgleich sich die Klassen spielerisch fundamental unterscheiden. Das lädt ein, mit Erreichen der Endphase (Level 80) des ersten Charakters einen neuen mit anderer Klasse-Rasse-Kombination auszuprobieren. Stufe 80 ist zwar die Höchststufe, die recht schnell erreicht wird, aber man sammelt trotzdem weiter Erfahrung und gewinnt Skillpunkte. Diese kann man zur Herstellung besonders mächtiger Gegenstände aufbrauchen.

Neben dem ziemlich klassischen Aufgabenteil (Einsammeln einer bestimmten Zahl an Objekten, töten einer bestimmten Zahl an Gegnern im Umkreis usw.) finden sogenannte Events statt. Das sind Ereignisse, bei denen man Standorte verteidigen oder erobern muss, Personen eskortieren oder Champions erledigen muss. Manchmal löst ein Event eine Reihe weiterer aus. Sie sind häufig so gestaltet, dass sie als einzelner Spieler nicht erfolgreich zu beenden sind. Auf diese Weise soll eine spontane Zusammenarbeit der sich im Umkreis befindenden Spieler hervorgerufen werden. Das funktioniert allerdings nur mäßig, da die Spieler zumeist egoistische Eigeninteressen verfolgen: Anstelle eines gezielten Vorgehens, um beispielsweise einzelne, besonders gefährliche Gegner auszuschalten, versucht jeder einzelne im Pulk möglichst viele Gegner mittels Flächenschaden zu verletzen, um nach deren Ableben Anspruch auf Beute zu erhalten. Nicht selten kommt es vor, dass Events scheitern, weil sich die Mitspieler nicht um das Primärziel scheren (zum Beispiel den Schutz eines Non-Player-Characters), sondern blindlings umherlaufen und Monster attackieren. Wenn man in dieser Hinsicht auf Ordnung wert legt, kann man sich komfortabel in (namensgebenden) Gilden organisieren und sich mit einer disziplinierten Truppe in schwierigen Dungeons aufreiben lassen.

Apropos: Die Kämpfe sind spannend und abwechslungsreich inszeniert, weil sie die ständige Aktivität (Ausweichen, Timing der Skill-Abfolge) des Spielers erfordern. Auch mit einem hochklassigen Charakter darf man schwächeren Kollegen in Anfängerabschnitten unter die Arme greifen, ohne sich permanent langweilen zu müssen. Man wird nämlich abhängig des Gegnerniveaus automatisch abgestuft.

Ein großes Manko des Spiels ist die völlig uninspirierte und uninteressante Storyline, die begleitet wird von klischeehaften Nebendarstellern. Man quält sich mühsam durch den Verlauf und amüsiert sich bestenfalls über die unfreiwillig komischen Dialoge.

Die erlernbaren Handwerke sind vielfältig und fügen sich prächtig ins Spiel ein. Es gibt Grundmaterialien in unterschiedlichen Stufen (Leder, Holz, Erze, Stoffe…) und spezielle, seltene Zutaten. Teils kann man die Materialien an entsprechenden Lagerstätten ernten, teils findet man sie als Belohnung bei besiegten Gegnern oder kann sie durch Zerlegen von Gegenständen gewinnen. Durch Ausübung eines Handwerks steigt man innerhalb desselben bis zur Maximalstufe 400 auf. Dabei erhält man einige Rezepte automatisch, andere werden durch Probieren gewonnen oder bei Händlern gekauft. Die selbstgebastelten Items sind stets hilfreich. Da man beim Handwerken auch regulär Erfahrung sammelt und in den Charakterstufen aufsteigt, sollte man sich schon frühzeitig im Spiel mit dem Craftingsystem auseinandersetzen. In diesem Zusammenhang verdient auch das börsengleiche Handelsnetzwerk Beachtung, wo man zu realistischen Marktpreisen prinzipiell alle herstell- und auffindbaren Objekte erwerben kann. Um einer allzu extremen Inflation der Spielwährung Einhalt zu gebieten, versteht es Arenanet gut, dem Wirtschaftskreislauf durch Gebühren Liquidität zu entziehen. Das Spiel enthält außerdem ein Echtgeld-Äquivalent, nämlich sog Gems, mit dem sich überwiegend kosmetische Items und Komfortfunktionen bezahlen lassen.

Parallel zum konventionellen Geld kann man Karmapunkte einsetzen, um bei bestimmten Händlern Gegenstände zu kaufen. Karma erhält man durch Erfüllen von Aufgaben, Events und einiger Archievments. Das Karmasystem enthält prinzipiell keine Schnittstelle zum regulären Zahlungssystem. Mit Karmapunkten gekaufte Gegenstände lassen sich weder verkaufen noch zerlegen (zwecks Gewinnung von Craftingmaterialien). Gründe, weshalb sich Arenanet zur Einführung dieser individuellen Parellelwährung entschieden hat, erschließen sich dem Autor nicht.

In technischer Hinsicht ist Guild Wars 2 weder spektakulär noch rückständig. Das vom ersten Teil herrührende Grafikdesign ist für Leute, die dem World-of-Warcraft-Stil überdrüssig sind, gerade noch verkraftbar. Offenkundig sollen vor allem Spieler aus dem ostasiatischen Raum begeistert werden. Zudem werden weniger real wirkende Szenarien von Jugendschützern auch weniger kritisch bewertet.


Wertung
Pro und Kontra
  • dauerhaft motivierend
  • spannende, aktive Kämpfe
  • verzichtet auf lästige Genrestandards (z.B. das Questbuch)
  • miserable Storyline
  • Charakter-Individualisierbarkeit eher kosmetisch
  • Grafikstil gewöhnungsbedürftig

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 100 Stunden



Kommentare(1)
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