Ein rostendes Denkmal

Einmal hörte ich, dass Counter Strike als „die Mutter aller Ego-Shooter“ bezeichnet werde. Völliger Blödsinn. Zum einen ist Doom der...

von Bakefish am: 01.08.2014

Einmal hörte ich, dass Counter Strike als „die Mutter aller Ego-Shooter“ bezeichnet werde. Völliger Blödsinn. Zum einen ist Doom der erste richtige Ego-Shooter, das dürften alle wissen. Und zum anderen ist CS ja selbst nur eine Mod. Eine Modifikation ,welche auf einem Giganten fußt.

An Half Life zu geraten, war zuerst schwierig. Doch durch all das, was ich darüber hörte, wollte ich es haben, musste es haben. Zum Glück besitzt ein Freund von mir das Spiel, gleich mit den beiden Erweiterungen „Opposing Force“ und „Blue Shift“. Es hieß, in ein Universum abzutauchen, wie es die Welt der Shooter bis dahin noch nicht kannte. Hat es sich gelohnt? Das lest ihr im Test!

 

Forscherwut tut nicht immer gut

 

Gordon Freeman, 27 Jahre alt, Spitzenabschluss am MIT und ein hervorragender Physiker. Das sind wir. Klingt doch gut, oder? Oh ja, und wie! Doch als wir ganz am Anfang des Spiels die geheime Forschungseinrichtung Black Mesa betreten (sie erinnert etwas an den Mythos der Area 51), fühlen wir uns klein angesichts der Größe des Komplexes.  Und an sich sind wir das auch. Da laufen so viele Wissenschaftler herum wie ein normaler Mensch in seinem ganzen Leben nicht sehen würde.

Doch sind wir nicht zum Angucken da, es gilt, im Namen der Menschheit zu forschen. Also schlüpfen wir in den H.E.V.-Anzug und beginnen zusammen mit anderen Forschern ein Experiment mit verheerenden Ergebnissen.

Als wir nämlich ein paar Kristalle aus einer anderen Welt mit einem Portal in Verbindung bringen, gibt es eine gewaltige Explosion und die ganze Basis wird durch ein Alien-Portal von unbekannten Wesen überrannt. Niemand ist vor diesen sicher, es gibt keine Chance zu entkommen. Also nimmt Gordon nicht die Reagenzgläser, sondern die Brechstange in die Hand und versucht, mit roher Gewalt aus dem Komplex zu fliehen.

Kommen wir anfangs noch gut voran, nehmen die Schwierigkeiten im Laufe der Zeit immer weiter zu. Zum einen ist halb Black Mesa zerstört, alles ist voller gefährlicher Aliens, viele elektronische Anlagen funktionieren nicht mehr und dann greift das just eingetroffene Militär nicht nur die Aliens an, sondern auch alle Forscher und damit auch uns, in der Hoffnung, alles vertuschen zu können. Doch als selbst dem Militär die Kontrolle entgleitet und wir erkenn, worauf es die Aliens abgesehen haben, begreifen wir, dass die Flucht von Black Mesa den sicheren Untergang für den Rest der Menschheit bedeutet. Und während wir den Plan fassen, dem Treiben der Aliens ein Ende zu setzen, werden wir ununterbrochen von einem mysteriösen  Mann im Anzug verfolgt, dem sogenannten G-Man…

Das Ganze klingt nicht nur gut, es wird auch sehr spannend umgesetzt. So bewegen wir uns von Level zu Level und erfahren von Wissenschaftlern und Wachmännern im Laufe der Geschichte, was zu tun ist bzw. mehr Hintergrund über die Anlage.

Sehr auffällig ist dabei auch, dass es im Spiel fast keine Scripts gibt. Ohne Pause erleben wir die Dinge aus der Sicht von Gordon, nur sehr selten können wir dem Geschehen nur zusehen, Ladebildschirme, die erklären, was zu tun ist, gibt es überhaupt nicht. Trotzdem schafft es Half Life, eine Geschichte zu erzählen, die nur sehr selten unter Spannungsflauten leidet. Wie das? Einfach der Komplex. Die Bedrohung der Aliens. Die wenigen verbliebenen Menschen. Die Art der Erzählung ist nicht jedermanns Sache, fesselt jedoch bereits nach kurzer Zeit.

Nur eine Sache finde ich etwas schade- Gordon redet nicht, er betrachtet das gesamte Geschehen stillschweigend. Das muss dem Verlauf und der Erzählung der Geschichte nicht unbedingt schaden, hätte dem Ganzen aber das Sahnehäubchen aufgesetzt. Trotzdem hat mir die Geschichte von Half Life sehr gefallen, diese ist jedenfalls eine Stärke des Spiels.

 

Schlagkräftige Argumente

 

Half Life ist ein waschechter Ego-Shooter und legt daher seinen Fokus natürlich auf heftige Schießereien aus der Ego-Perspektive. So prügeln und schießen wir uns durch zahlreiche und sehr große Level und schicken dabei etliche Aliens und Marines ins virtuelle Jenseits.

Bevor wir damit beginnen, können wir jedoch (optional) einem Training durchziehen, welches uns die Steuerung leicht und in einer coolen Art rüberbringt. Ein erfahrener Spieler mag dies für sinnlos halten, doch kann ich es nur empfehlen, da im Spiel selbst nichts zur Steuerung gesagt wird.

Jetzt dürfen wir endlich Action erleben! Dabei serviert uns das Spiel eine große Anzahl an verschiedenen Waffen. Müssen wir am Anfang die Aliens noch mit der legendären Brechstange verhauen, erhalten wir schon bald eine Pistole, ein Sturmgewehr (bzw. eine Maschinenpistole mit Unterlaufgranatwerfer), eine Schrotflinte, Granaten, einen Revolver und noch mehr. Im späteren Verlaufe des Spiels kommen noch extravagantere Waffen wie eine Armbrust und ein Raketenwerfer hinzu, bald sogar futuristische Waffen wie eine Gaußkanone. Zuletzt gibt es sogar coole Alien-Waffen, welche ich aber mal noch nicht genauer beschreiben möchte.

Das Besondere an diesen Waffen ist, dass sie (meistens) über zwei Feuermodi verfügen. Den primären nutzen wir mit der linken Maustaste, den sekundären mit der rechten. So schießt de Pistole im Sekundärmodus schneller, aber ungenauer, die Schrotflinte verbrät zwei Patronen auf einmal, benötigt aber mehr Zeit zum Durchladen, das Sturmgewehr feuert Granaten ab, die Armbrust aktiviert ihr Zielfernrohr und und und. Dies spielt sich in der heutigen Zeit, da man nur anvisieren kann und es keine alternativen Feuermodi gibt, sehr erfrischend und lädt in jedem Falle zum Experimentieren ein.

Teils ist dies auch bitter nötig, da wir es im Laufe des Spiels auch mit immer mehr Gegnern und Gegnerarten zu tun bekommen. Fängt es noch bei kleinen, winzigen Headcrabs an, welche wie gebratene Hühner aussehen, aber verflucht stark beißen können, über Zombies (Menschen, auf deren Kopf eine Headcrab sitzt und sie willenlos macht), Vortigaunts, Fischaliens, hundeähnliche Kreaturen, die Schockwellen auf uns loslassen bis hin zu schwer gepanzerten Ungetümen mit Alienwaffen. Auch Bossgegner sind hin und wieder dabei, doch meistens brauchen wir keine feste Strategie, um diese zu bekämpfen. Vorsicht sei dennoch geboten, da vor allem diese heftig austeilen können. Auch die Marines stellen eine Gefahr dar, weil deren K.I. gar nicht schlecht ist und sie ziemlich gut zielen können.

Während des Kampfes steht uns dabei der bereits erwähnte H.E.V.-Anzug zur Hilfe. Dieses orangefarbene Kleidungsstück soll eine realistischere Erklärung für das im Spiel vorkommende HUD geben und unterstützt uns dabei auch medizinisch. So gibt er uns im Falle einer Verwundung akustische Warnungen aus. Werden wir beispielsweise stark angeschossen, erklingt eine Frauenstimme, welche „Warning. Blood Loss detected. Morphine administered“ sagt. Fallen wir etwas zu tief, erklingt ein „Minor Fracture detected“. Wenn wir durch radioaktiv verseuchte Flüssigkeiten laufen, meldet sich der Anzug mit einem „Hazardous radiation levels detected“. Und noch einigem mehr. Unsere Gesundheit hingegen wird nicht regeneriert, dafür müssen wir Medipacks und Gesundheitsstationen aufsuchen. Manchmal erhalten wir auch Batterien, welche dem Anzug einen elektrischen Schild verpassen, somit kann dieser noch etwas Schaden schlucken, bevor es uns ans Fleisch geht. Jedenfalls hat mir die Umsetzung des Anzuges so gut gefallen, dass er für mich als persönlicher kleiner Pluspunkt gilt.

Natürlich besteht das Spiel nicht ausschließlich aus wildem Geballere, oft genug müssen wir Rätsel lösen, um durch die Level zu kommen, an einigen Stellen wurden auch Geschicklichkeitsspiele ins Spiel verbaut. Die Rätsel sind allesamt jedoch meistens nach einem Muster aufgebaut- wir finden ein Hindernis und müssen dieses irgendwie umgehen. Sei es eine verschlossene Tür oder ein gesperrter Bereich, meistens müssen wir einfach nur den elektrischen Schalter oder Wachmann mit der Autorisierung dafür finden oder Mechanismen aktivieren, mit welchen wir diese Hindernisse umgehen. Auf die Dauer ist das zu simpel und motiviert auch nicht wirklich, auch, wenn die recht linear gestalteten Level dadurch etwas offener wirken.

Die Geschicklichkeitselemente sind allerdings noch schlimmer; ob wir nun über Behälter mit starkem Gift springen müssen, auf Fließbändern herumturnen oder sich bewegende Plattformen erreichen müssen, Gordon steuert sich für einen Ego-Shooter recht unpräzise. Laufen wir einfach nur irgendwelche Gänge entlang oder befinden uns im Kampf, fällt das nicht wirklich auf. Wenn wir dann allerdings oben genannte Dinge hinter uns bringen müssen, frustriert es allerdings sehr oft, dass wir zu einem bestimmten Ort springen und Gordon wegrutscht oder dass er Tastenbefehle einfach mal nicht annimmt. So kam es manchmal vor, dass ich beim Anblick eines Geschicklichkeitsparts die Augen verdrehte und ein „Och nö, warum schon wieder?“ von mir gab. Denn von diesen Parts gibt es im Spiel genug. Auf Frust zwischendurch muss man sich also auch gefasst machen.

Zum Schluss sei noch etwas zum Levelaufbau gesagt. An sich ist Half Life sehr linear gestaltet, und wie bereits gesagt wird diese Linearität manchmal durch Minirätsel aufgelockert. Allerdings fällt nach etwas längerem Spielen auf, dass jedes Level nochmal in kleinere Abschnitte gegliedert ist. Bewegen wir uns von einem Abschnitt zum anderen, erstarrt der Bildschirm für kurze Zeit und ein „Laden“ erscheint in dessen Mitte. Das soll uns vorgaukeln, dass wir uns durch einen gewaltigen, zusammenhängenden Komplex bewegen. Damals, als das Spiel erschien (also vor 15 Jahren), war das vielleicht noch aktuell, doch mittlerweile nervt es etwas, dass wir uns nicht sehr lange durch ein Level begeben und plötzlich wieder geladen werden muss.

Dafür entschädigt das Leveldesign etwas. Im Laufe des Spiels begeben wir uns durch viele Teile von Black Mesa. Angefangen beim Forschungskomplex, begeben wir uns bald durch Büroabteile, einen Reaktor, ein komplexes Schienensystem und hangeln uns an einer Schlucht entlang, um über einen Damm zu laufen und andere Forschungsabteile zu erreichen. Zum Schluss begeben wir uns sogar auf die irreal wirkende und sehr unwirtliche Alien-Welt. Trotz der veralteten Grafik wird uns somit optisch viel Abwechslung geboten.

 

In a big, big world…

 

Atmosphärisch powert Half Life voll durch. So fühlen wir uns, wenn wir uns durch die verschiedenen Level von Black Mesa begeben, klein und unscheinbar. Was aber nicht an den Ladesequenzen liegt, sondern einfach an der Größe der Anlagen, der Komplexität, der Aufmachung. Man merkt an allen Ecken und Winkeln, dass es sich um eine geheime und sehr gut bezahlte Forschungseinrichtung handelt. Computer, Roboterstimmen, die Büros und Wissenschaftler sorgen für eine Authentizität, wie man sie von einem so alten Shooter kaum erwarten könnte.

Dagegen fühlen wir uns dann ziemlich eingeschüchtert, wenn nicht schon verängstigt, als wir die Horden von Aliens sehen, welche die gesamte Anlage unter ihrer Kontrolle haben und kein Mitleid gegenüber den Menschen zeigen. Vieles ist zerstört, wir begeben uns fast das ganze Spiel über komplett alleine durch die Welt. So wird eine enorme Spannung erzeugt, die teilweise sogar mit Horror kombiniert werden kann, und spätestens wenn wir in die Alienwelt reisen, fühlen wir uns allein und schutzlos. Warum, verrate ich mal nicht, aber ich sage es mal so-ich war echt erstaunt, dass Half Life, welches so alt ist, so einen Flair erzeugen kann.

Kurzum: Sehr viel Spannung und Action, dazu eine kleine Portion Horror. Was will man mehr? Mir jedenfalls hat dies sehr gut gefallen.

 

Blubb blubb blubb blubb

 

Grafiktechnisch… nun ja, Half Life halt. Das Spiel ist sehr alt und sieht auch dementsprechend aus. Doch wenn man das Alter bedenkt, überraschen schon die recht detaillierten Charakter- und Feindmodelle, auch die Waffen sehen gut aus. Auch einige Leuchteffekte haben es in sich.

Dabei muss ich allerdings sagen, dass ich durch die Erweiterung „Blue Shift“ ein HD-Texturpaket auf den Rechner gespielt habe, welches die Charaktermodelle verbessert und einige Waffen verändert hat (daher auch das Sturmgewehr, welches die Maschinenpistole ersetzt).

An sich störte mich die Grafik überhaupt nicht, obgleich es nach all den jüngeren Shootern etwas Zeit benötigte, sich an diese zu gewöhnen. Dagegen nervten mich mit der Zeit die recht dumpfen Sounds des Spiels. Spielergeräusche, Waffensounds, die Ausrufe der Aliens, Stimmen der Menschen, alles ist mit einem recht dumpfen Ton unterlegt. Ob das mit dem Alter zusammenhängt, weiß ich nicht genau, gefallen hat es mir jedenfalls nicht.

Auch Bugs befallen das Spiel des Öfteren. Zwar sind dies nur wenige, dafür nerven diese aber umso mehr. Wenn Gordon beispielsweise in einem Lüftungsschacht stecken bleibt oder sich im Fahrstuhl plötzlich nicht mehr von der Stelle rühren kann und dann auch noch Schaden nimmt, ohne dass man irgendeine Quelle dessen wahrnehmen kann, frustriert dies schon mal gerne. Zum Glück blieb es nur bei diesen Bugs.

 

Fazit

 

Half Life ist ein sehr langer, durchaus komplexer und vor allem sehr fesselnder Shooter, dessen Durchspielen mir wirklich viel Spaß bereitet hat. Die vielen Waffen und Aliens, die Geschichte an sich und ständig wechselnden Areale, kombiniert mit der Atmosphäre- was will man mehr?

Perfekt ist das Spiel trotzdem noch lange nicht. Das liegt vor allem an kleineren, aber nervenden Aspekten. Die Rätsel hätten deutlich komplexer sein können, die Geschicklichkeitsspiele nerven und Ladezeiten sowie Bugs und dumpfe Sounds können durchaus nerven. Klar, einiges davon ist auch durch das Alter des Spiels zu erklären, doch kann es heutzutage den Spielfluss doch schon behindern. Daher bewerte ich das Spiel mit 83 Punkten. Sieht man von den Ladezeiten und Sounds ab, hätte das Spiel es auf 87 Punkte gebracht, allerdings ist diese Bewertung doch mittlerweile unangemessen.


Wertung
Pro und Kontra
  • ewig lange Spielzeit
  • eine gut umgesetzte Geschichte
  • viele, coole Waffen
  • toll aussehende und vor allem viele Gegnertypen
  • brilliante Atmosphäre
  • spektakulär inszeniert
  • wechselnde Gebiete bzw. Level
  • Der HEV-Suit an sich!
  • unkomplexe Rätsel
  • Geschicklichkeitsspiele nervig
  • Bugs
  • ständiges Neuladen der Level
  • dumpfe Sounds

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



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