Gefesselt durch Physik

Es ist alt. Es ist groß. Es setzte Maßstäbe. Half Life 2, DER Ego-Shooter mit DER phänomenalen Grafik, DER Physik-Engine, DER Geschichte,...

von Bakefish am: 17.04.2014

Es ist alt. Es ist groß. Es setzte Maßstäbe. Half Life 2, DER Ego-Shooter mit DER phänomenalen Grafik, DER Physik-Engine, DER Geschichte, aber auch das weltweit erste Spiel mit DER Online-Aktivierung.

Kaum ein Spiel hat so einen Eindruck hinterlassen wie Half Life 2. Zu Recht? Das war die Frage. Als Teil der Orange Box galt es nach Portal, sich an Valves Künsten in Egoshootern zu laben. Und jetzt, nach vielen, vielen Stunden, habe ich es durchgespielt und kann bestätigen, dass Half Life 2 ein wirklich gutes Spiel ist. Eine so hohe Wertung wie auf GameStar halt ich allerdings für unangebracht. Warum, erkläre ich in der folgenden Rezension.

 

„Rise and shine, Mr. Freeman!“

 

Damit werden wir begrüßt. Der mysteriöse G-Man, den einige vielleicht noch aus dem ersten Teil kennen, tritt ganz am Anfang des Spiels in Erscheinung und beeindruckt uns mit seinem mysteriösen Gefasel und tollen Gesichtsanimationen. Und kurz darauf stehen wir in einem Zug und fahren in eine Stadt ein.

Keine zwei Minuten später fragt man sich? Warum diese bedrückte Stimmung hier? Warum redet der Mann da vorne- warte mal. Ist das nicht Dr. Wallace Breen? Der Direktor von Black Mesa, der Forschungsabteilung, in der alles begann? Was macht er da? Warum redet er von „Stadt 17?“ Wer sind diese Typen in komischen Uniformen, die da stehen? Was machen die da?

Spätestens dann, als wir haushohe Kampfroboter durch die Straßen der Stadt stapfen und ein kilometerhohes Gebäude im Hintergrund stehen sehen, ist uns klar, dass etwas ziemlich Schlimmes passiert sein muss. Nach einer Weile wird dies auch geklärt: Während wir, also Gordon Freeman, noch im ersten Teil versucht haben, die Aliens aus dem Portal wieder auf ihre düstere Heimatwelt zu schicken, haben diese sich munter auf dem ganzen Rest der Erde verteilt und diese im 7-Stunden-Krieg eingenommen. Ganz Recht, 7 Stunden. Die Menschen sind den Aliens geradezu lachhaft unterlegen gewesen.

Seitdem sind 20 Jahre vergangen und Gordon wird durch dem G-Man aus einer Stase erweckt. Die letzten Menschen leben in wenigen Städten, unter ständiger Überwachung durch die Aliens bzw. „Combine“. Außerhalb dieser Städte ist alles zerstört. Das Problem ist, dass die Combine ein so genanntes Hemmfeld aufgebaut hat, welches die Fortpflanzung der Menschen verhindert. Die Combine begründet dies lapidar damit, die Menschen in der Evolution voranbringen zu wollen. Doch das Aussterben dieser scheint nicht mehr weit weg zu sein…

Es dauert nicht lange, und die Combine wird auf Gordon aufmerksam. Unterstützt von seinem alten Kumpel Barney wird er dann nach einer abenteuerlichen Flucht durch City-17 von einer Frau namens Alyx aufgegriffen und zu einer kleinen Rebellenbasis gebracht. Dort schließt er sich dem Widerstand an und macht sich auf den Weg zu einer größeren Basis, mit der Combine im Nacken. Doch mit dieser Reise ist es noch lange nicht getan- der Krieg zwischen Rebellen und Combine hat nämlich gerade erst begonnen, und Gordon wird noch viel mehr tun müssen, um seine Spezies vor den Combine retten zu können…

Gleich mehrere Dinge machen die Geschichte aus. Einerseits gibt es keinerlei Zwischensequenzen, Pausen oder überhaupt ein Intro, pausenlos erleben wir die Geschichte live und aus Gordons Sicht. Das trifft vielleicht nicht jeden Geschmack, doch wurde ich damit gut unterhalten, da die Geschichte so reißend und actionreich herüber gebracht wird. Die Linearität des Spiels hat dabei keinen Einfluss. Auffällig ist dabei auch, dass es keine wirkliche Einführung in die Spielmechanik gibt, die Seteruerung sowie Benutzung der Waffen wid komplett spielintern erklärt.

Auch auffällig ist, dass einige Szenen schon fast mit Blockbustern aus dem Kino vergleichbar sind- unerwartete Wendungen, interessante Gespräche zwischen den verschiedenen Charakteren, welche allgemein sehr schön in die Grundgeschichte eingewebt wurden, wechselnde Kulissen sowie insgesamt filmhafte Inszenierung begleiten uns das gesamte Spiel über. Dadurch fesselt das Spiel ungemein, wir preschen voran, um zu sehen, wie es weitergeht.

An manchen Stellen jedoch kann es vorkommen, dass die Geschichte in den Hintergrund tritt. Half Life 2 ist ein langes Spiel, was leider auch darin endet, dass einige Szenen bzw. Momente unnötig in die Länge gezogen werden. Wenn wir beispielsweise für fast eineinhalb Stunden mit einem Buggy an der verlassenen Küste entlangsausen, vergessen wir schon mal gerne, was das eigentliche Ziel ist. Dazu später mehr. Glücklicherweise sind diese Szenen nur recht selten.

Blöd ist auch, dass Gordon nicht redet. Das ist nicht zwangsweise nötig, doch hätte es dem Spiel auch nicht geschadet, einen redenden Hauptcharakter einzubauen. Das aber nur am Rande.

Auch darf man nicht auslassen, dass das Ende von Half Life 2, wie gesagt, offen ist. Diese Form des Spielendes dürfte einigen Spielern sauer aufstoßen... ich möchte an dieser Stelle allerdings nicht spoilern.

Von diesen Kleinigkeiten abgesehen liefert Half Life 2 eine frische, unverbrauchte Geschichte, die es auch gut umsetzt. Spieler werden damit gut unterhalten, wenn nicht sogar an den Bildschirm gefesselt. An dieser Stelle kriegt Valve also schon mal ein dickes Plus.

 

Friss den Heizkörper!

 

Vom Grundsystem her spielt Half Life 2 sich wie ein ganz normaler Ego-Shooter- wir laufen durch lineare Level und liefern uns Schießduelle mit der Combine.

Angefangen mit der Brechstange, welche wir bereits aus dem ersten Teil kennen, wird unser Waffenarsenal schon bald um einige Schießprügel erweitert- so erhalten wir kurz darauf eine Pistole, bald schon eine Maschinenpistole, einen Revolver, Granaten, eine Schrotflinte und noch weitere Waffen. Insgesamt ist das Waffenarsenal recht klein ausgefallen, dafür unterscheiden sich die einzelnen Meinungsverstärker stark voneinander.

Bald schon erhalten wir im Spiel auch die Gravity Gun- mit diesem Gravitonenbeschleuniger können wir leichtere Gegenstände aufheben und somit Barrikaden entfernen oder künstliche Erhebungen errichten. Größere Gegenstände können wir mit dieser auch einfach aus dem Weg schießen. Natürlich ist es damit auch möglich, einem Feind jeden erdenklichen Gegenstand ins Gesicht zu schießen, seien es nun Kisten, Metallteile oder Heizkörper, manchmal auch explodierende Fässer (>:-D). Das wirkt zwar plump, macht aber einen Riesenspaß. Allein schon die Gravity Gun selbst ist für mich ein persönlicher Pluspunkt.

Öfter kommt es auch vor, dass wir kleine Physikrätsel zu lösen haben- ob wir nun mithilfe luftgefüllter Fässer eine künstliche Rampe errichten müssen oder Stützbalken so wegschießen, dass wir eine Metallplatte senken und uns so Zutritt zu unerreichten gebieten verschaffen. Diese Rätsel tauchen allerdings viel zu selten auf und sind dann auch meistens sehr schnell gelöst. Dadurch wirken sie insgesamt recht aufgesetzt. Wollte das Spiel an dieser Stelle vielleicht nur mit seiner Physik angeben?

Abseits dieser Dinge hat Valve noch einige andere Sachen ins Spiel integriert. So düsen wir schon recht früh mit einem Sumpfboot durch radioaktiv verstrahlte Gewässer und müssen uns dabei gegen feindliche Helikopter und Minen zur Wehr setzen. Eine Weile später wiederholt sich dies dann in ähnlicher Weise; diesmal ist es ein Buggy, mit dem wir über den Highway 17 sausen. Auch hier müssen wir uns gegen die schwereren Waffen der Combine zur Wehr setzen.

Diese Fahrzeugsequenzen frischen etwas auf, erhöhen den Spielspaß aber nur bedingt; die wesentliche Ursache dürfte in der Steuerung liegen. So fahren sich Sumpfboot und Buggy so flüssig wie ein Stück zähen Kaugummis. Beim Sumpfboot fällt das weniger auf, da die Flussareale sehr weitläufig sind, beim Buggy hingegen dürfte das für den einen oder anderen Frustmoment sorgen, da die Straßen in teils recht scharfen Kurven münden bzw. sehr eng gebaut sind. Auch ziehen diese Sequenzen sich insgesamt in die Länge, manchmal fragt man sich dann, wie lange es noch dauert. Diese beiden Dinge werden durch das Action- und Fluchtgefühl, welches wir angesichts der Combine verspüren (die alles daran setzt, uns fangen zu können), aber wieder wettgemacht.

Abseits davon gibt es auch kleinere Geschicklichkeitselemente. So müssen wir in einigen Sequenzen von Deckung zu Deckung huschen, um präzise schießenden Scharfschützen zu entgehen, klettern bei schwindelerregender Höhe unter einer Brücke entlang oder hopsen am Strand von einer Kiste auf die andere- denn wenn wir den Sand betreten, erwecken wir die Antlions…

Da ich gerade von denen geredet habe… natürlich serviert uns Half Life 2 auch bestimmte Gegner. Fängt dies noch mit einfachen Polizisten der Combine an, müssen wir uns schon bald gegen kleine, plumpe, fast wie gebratene Hühnchen aussehende Headcrabs zur Wehr setzen, gegen kleine, aber mit scharfen Messern bestückte Kampfroboter und sogar Zombies zur Wehr setzen. Zombies? In Half Life? Nun ja… die Headcrabs (sagt eigentlich schon der Name) können sich bei Menschen auf den Kopf setzen und diese zu willenlosen, ekelhaften Zombies umwandeln. Später müssen wir uns dann auch noch gegen Kampfschiffe und die haushohen Roboter zur Wehr setzen, zum Glück erhalten wir dafür einen Raketenwerfer. Die eben erwähnten, insektenartigen Antlions nicht zu vergessen. Man muss dabei aber beachten, dass einige Gegner im Grunde gleich sind- zwar gibt es mehrere Arten von Zombies (erst langsame, später dann stärkere und schnellere, zuletzt solche, die mehrere Gift versprühende Headcrabs tragen) und Combines (erst Polizisten, dann stärkere Polizisten, zuletzt schwer bewaffnete und gepanzerte Soldaten), doch sehen sie alle gleich aus, tragen nur unterschiedliche „Outfits“. Da es noch ein paar andere Gegner gibt, fällt das jedoch nicht schlimm auf.

Eine wirklich coole Sache ist, dass wir bald einen „Köder“ erhalten, mit dem wir die Antlions zu unseren Verbündeten machen. Das heißt, dass wir sie fast wie Hunde auf Gegner hetzen können und diese so einen großen Teil der Arbeit übernehmen lassen. Schade ist nur, dass wir das nur für eine bestimmte Zeit machen können.

Auch schön am Spiel ist, dass es noch keine Gesundheitsregeneration gibt- wie schon in Teil 1 trägt Gordon den „HEV-Suit“, welcher uns ein HUD serviert und der Grund ist, dass wir auch dann weiterkämpfen können, wenn wir schon ernsthafte Verletzungen eingesteckt haben. Haben wir Schaden genommen, müssen wir ein Gesundheitspack finden, um sie wiederherzustellen. Regelmäßig finden wir auch Aufladebatterien, mit denen wir unserem Anzug eine Art Schild verpassen können. Manchmal finden wir dafür auch Gesundheits- und Anzug-„Stationen“, bei denen wir beides aufladen können. Besonders cool ist, dass der Anzug Verletzungen sowie leer geschossene Waffen kommentiert. Nehmen wir beispielsweise ernsthaften Fallschaden, erklingt ein „Major fracture detected. Seek medical attention.“ Oder bei kritischer Gesundheit „Warning! User death imminent!“ Das klingt gut und ist auch schön umgesetzt worden. Natürlich spielt dabei auch der Schwierigkeitsgrad eine Rolle. Insgesamt gibt es drei, allerdings war ich selbst auf dem höchsten teilweise unterfordert. Manchmal wiederum wurde es an einigen Stellen wirklich kniffelig. So kann man von einem „ausgeglichen schwerem Grad“ reden.

Coolness trifft auch auf die gegnerische K.I. zu. Die Combine arbeitet im Team, sucht Deckung, wirft im Laufe des Spies auch gerne mal Granaten und geht verschiedene Wege. Die Monster wiederum verhalten sich eben typisch monsterhaft.

Klug zu sein, kann ich allerdings nicht von den Begleitern behaupten. Recht spät im Spiel kämpfen wir uns zusammen mit K.I.-Begleitern durch City 17. Diesen können wir lediglich zwei Befehle geben- an einen bestimmten Punkt laufen und wieder zurückkommen. Bei Beschuss stellen diese sich allerdings auch selten dämlich an, anstatt von selbst Deckung zu nehmen, laufen sie uns stupide hinterher und beißen daher gerne mal ins Gras. Zwar liefert und das Spiel immer wieder neue Begleiter nach, doch kommt so das Gefühl auf, dass sie eher über Masse statt Klasse verfügen. Praktischer ist das Ganze, wenn wir Sanitäter in der Truppe haben, die andere mit Gesundheitspacks verarzten.

Alles in allem spielt sich Half Life 2 trotz einigen langgezogenen Sequenzen oder nicht ganz zu Ende gedachten Konzepten sehr schön. Die Spaß machenden Schießereien werden regelmäßig durch Geschicklichkeitseinlagen oder Fluchtmomenten aufgemischt, wodurch immer schön viel Abwechslung ins Spiel kommt.

 

Rivers of Babylon

 

Atmosphärisch gesehen ist das Spiel der absolute Hammer. Die Bedrohung durch die Aliens und die der Auslöschung der Menschheit stehen die gesamte Zeit im Hintergrund. Die Menschen haben Angst, die Aliens agieren brutal und rücksichtslos, die gesamte Welt ist in kalten Farben gehalten und wirkt sehr schmutzig. Die Sonne scheint nur selten, fast ständig ist die Welt vom Nebel durchzogen. So wird eine ordentliche Portion an Endzeitstimmung aufgebaut.

Damit hängt auch zusammen, dass die Erde nun in gewisser Form transformiert wurde. Überall leben die Aliens als Parasiten, die Menschen arbeiten nur der Aliens wegen.

Auch sehr gut geraten sind die wechselnden Schauplätze. Laufen wir anfangs noch durch die unterdrückte City 17, flüchten wir bald darauf durch tiefe Tunnel, sausen einen Fluss entlang, begeben uns durch Basen, ein Gefängnis, sausen die nebelige Küste entlang und und und. Auch optisch werden wir damit gut unterhalten.

Fazit: Atmosphärisch kann das Spiel voll punkten und serviert uns eine düstere Welt, mit der es bald vorbei sein wird.

 

Rollende Augen und viel mehr

 

Grafiktechnisch basiert Half Life 2 als erstes Spiel überhaupt auf der Source Engine. Obwohl in die Jahre gekommen, liefert uns das Spiel immer noch hübsch animiertes Wasser, sehr gut animierte Menschen und Lebewesen allgemein sowie eine schön umgesetzte Physik. Da kann man von den relativ altbackenen Texturen und der eher geringen Weitsicht gerne absehen. Besonders schön fand ich die Mimiken, die die Charaktere aufweisen- egal, welches Gesicht sie gerade aufsetzen, es sieht immer echt aus.

Auffällig ist dabei auch, dass verschiedene Levelabschnitte immer durch eine kurze Pause und ein „Laden“ gekennzeichnet sind. So laufen wir in den Kapiteln durch verschiedene Bereiche, öfter können wir auch wieder zurücklaufen, müssen aber immer kurz warten, da dann neu geladen wird. Was aber manchmal dauern kann. Dabei reicht meine Systemleistung doch locker aus!

Ach so, Speichersystem: Zwar speichert das Spiel an sehr vielen Stellen selbst automatisch, frei speichern dürfen wir aber trotzdem!

 

Fazit

 

Obwohl es alt ist, macht Half Life 2 vieles besser als heutige Ego-Shooter. Es setzt uns eine intelligente, spannende Geschichte vor  sowie eine hervorragende Atmosphäre und ein abwechslungsreiches Gameplay. Dass es sehr lang ist, sei dabei auch nicht zu vergessen.

Die 90 erreicht das Spiel trotzdem nicht. Warum? Es sind die kleineren Dinge. Manchmal wirkt es in die Länge gezogen, die Physikspielchen sind aufgesetzt, die K.I.-Begleitung dämlich, die Fahrzeugsteuerung ist sehr zäh. Sieht man von diesen kleinen Dingen einmal ab, wird man mit Half Life 2 jede Menge Freude haben, wenn nicht sogar Lust auf mehr. Zum Glück gibt es da ja noch zwei Add-Ons, die die Geschichte fortsetzen… über diese werden auch noch Rezensionen folgen...


Wertung
Pro und Kontra
  • lange Spielzeit...
  • sehr spannende Geschichte...
  • hervorragende Atmosphäre
  • anwechslungsreiches Gameplay
  • viele verschiedene Schauplätze
  • Gravity Gun!
  • kluge Gegner
  • ...allerdings wirken einige Szenen unnötig gestreckt
  • ... das Ende ist jedoch doof
  • Physikspiele wirken aufgesetzt
  • schwer zu steuernde Fahrzeuge
  • dämliche K.I.-Begleiter

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(2)
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