Immer noch ein Action-Feuerwerk

Es gibt eigentlich keinen besonderen Anlass, warum man gerade jetzt Half-Life 2 nochmal rezensieren sollte. Für mich selbst schon eher, weil ich die...

von TheVG am: 08.01.2013

Es gibt eigentlich keinen besonderen Anlass, warum man gerade jetzt Half-Life 2 nochmal rezensieren sollte. Für mich selbst schon eher, weil ich die Spielszenen mitschneide, und mir dabei wieder mal auffällt, wie kurzweilig der Shooter immer noch ist. Zeit also, nochmal einzutauchen und einen rückblickenden Einblick zu gewähren, warum diese stumme Ursel mit der Brechstange immer noch so sehr an den Bildschirm fesselt.

 

Wer übrigens das Ergebnis der Mitschneiderei sehen möchte, kann sich gerne den Trailer ansehen, den ich mal aus Spaß an der Freude zusammengeschnitten habe:

 

https://www.youtube.com/watch?v=0AxBtjFXU2w

Erwachet!

Knorrige Stimme, Schlips und viele kryptische Aussagen – nachdem der allseits berüchtigte Administrator alias G-Man unser zweites Abenteuer in seiner typisch süffisanten Art einläutet und uns mit vollmundigen Ankündigungen wie „Sie werden mal wieder gebraucht“ konfrontiert, wachen wir auch schon prompt in einem Zug auf. Während ein Fahrgast unser Auftreten verwirrt zur Kenntnis nimmt, fährt dieser schon in City 17 ein. Ungewöhnlicher Name für eine Stadt, die sich aber bestimmungskonform als Ghetto für Millionen von Menschen herausstellt (und vom Baustil auch an Osteuropa erinnert – wer sich für Geschichte interessiert). Schon bald müssen wir erkennen, dass auf der Erde Polizeistaat-Methoden an der Tagesordnung sind, in denen die sogenannten Combine das Sagen haben – die Alieninvasion von Black Mesa hatte also im großen Stil stattgefunden und treibt hier seine erschreckenden Blüten. Natürlich bleibt unsere Ankunft nicht unerkannt, und spätestens bei der Identifikationskontrolle schlägt ein Sender Alarm. Im angrenzenden Verhörraum geraten wir glücklicherweise an einen alten Bekannten: Barney Calhoun, einst Securitymitarbeiter in Black Mesa, verrichtet undercover als Combinesoldat seinen Dienst und verhilft uns sodann zur Flucht. Nun sind wir der Staatsfeind Nr. 1 auf der Flucht, aber auch das Sinnbild für den Widerstand der Menschheit gegen ihre Unterdrücker...

 

Ich erinnere mich immer wieder gerne an diese so einprägsame Einleitungssequenz aus dem Vorgänger, in der wir ganz naiv die Welt und das Black Mesa-Labor kennenlernen durften. Diesen Kultstatus kann das Sequel zwar nicht mehr ganz vorweisen, aber sind es die Unterdrückenmethoden der Combine, die ein gewisses Unbehagen in mir aufkommen lassen. Die Menschen sind entsprechend schlecht gelaunt, was ebenfalls zur unheilvollen Atmosphäre beiträgt. Mit der damalig neuen Source Engine sah das auch alles viel dynamischer und besser animiert aus, und der Fokus lag im Nachfolger eher auf den Kleinigkeiten, die man in den ersten Minuten miterlebte. Da wird jemand wegen seines Gepäcks bedroht, ein Combine schlägt eine Dose weg und fordert mich zur Entsorgung auf, und auch sonst herrscht eine gespannte Stimmung vor. Valve verstand es einfach großartig, spielerische Atmosphäre glaubhaft zu vermitteln. Ich lasse hier mal den Diskussionsgrund außen vor, ob man Freeman eine Stimme hätte geben sollen, ich kann hier nur meine Einschätzung anbringen, dass ich jedes Element der Atmosphäre als passend erachte.

Der über das Wasser gleitet

Das beschränkt sich nicht nur auf inszenierte Sequenzen, sondern kann sogar in die Live-Action-Abschnitte übernommen werden. Hier werden tatsächlich alle Register der Spannungserzeugung gezogen, was wohl nicht vielen Entwicklern gelingen mag. Als Beispiel kann man hier ohne Einschränkung den Ravenholm-Abschnitt auspacken, der nach den Ereignissen in den Straßen von City 17 einen tollen Kontrast bildet. Was als Polizeistaat-Szenario beginnt, ändert sich dort in eine klassische Horrorkulisse, in der man sich der Zombieschar schutzlos ausgeliefert sieht. Dies im Gegensatz zum kühl-schaurigen Ambiente der fast jederzeit im Spiel sichtbaren Zitadelle sind wohl durchdachte Szenarien, die man einfach gespielt und erlebt haben sollte.

 

Nun aber mal an´s Eingemachte, denn schließlich ist Half-Life 2 ein Shooter und kein Film. Mit dem Vorgänger hatte Valve die Shootersteuerung revolutioniert gehabt, und mit dem Nachfolger stehen sie in Sachen Spielbarkeit in nichts nach. Man hat alle wesentlichen Elemente beibehalten und sie nur um kleine, aber feine Neuerungen erweitert. So können wir nun eine Zoomfunktion dauerhaft nutzen, und leichte Veränderungen im Waffenarsenal sind durchaus neuwertig gewesen, beispielsweise die Idee, Antlions später im Spiel durch Feromone als Angreifer einzusetzen. Wichtigste und am vielseitigsten einsetzbare Waffe ist eindeutig die Gravity Gun, mit der man so allerhand Schindluder treiben kann. Zwar ist man erst in den letzten Abschnitten des Spiels in der Lage, Gegner direkt mit der Waffe in seine atomaren Einzelteile zu zerlegen, aber der herausstechendste Nutzungsgrund ist die Interaktion mit allem in der Spielwelt aufnehmbaren Items. Ob man nun Gegner mit einem Heizkörper erschlagen, Zombies mit Kreissägeblättern halbieren oder Feinden explosive Tonnen entgegenschleudern will, lädt geradezu zum Ausprobieren ein. Letztlich macht diese Art der Waffennutzung auch am meisten Spaß, abgesehen davon, dass wir die Gravity Gun auch öfter mal anwenden müssen. Hier muss man sich aber die Sinnfrage stellen, da es ein wenig aufgesetzt wirkt, wenn alles allzu passend für die jeweilige Aufgabe ausgelegt wurde.

 

Auch stationär gibt es so etliches, was man benutzen kann, da verschanzen sich die Combine mal gerne an wichtigen Stellen und beschießen uns mit MGs - und wenn nicht, dann tun wir das halt. Zusätzlich ist der damals neuartige Einsatz der Physik von Bedeutung, der uns immer wieder mal kleine Rätsel aufgibt. Man kann Sinn und Zweck der Aufgaben hier wieder gerne anzweifeln, aber ich finde, dass sie eine durchaus nette Dreingabe zum Ballerallerlei sind. Das reicht von einfachen Steinlegeaufgaben bis hin zum Hochhieven unseres Strandbuggys via Magnetkran. Apropos Buggy: Auch hier wurde daran gedacht, mehr Abwechslung ins Spiel zu bringen, so dass wir mit einem Luftkissenboot oder eben dem Buggy durch die verschollene Landschaft unterwegs sind. Letztlich sind Selbstschussanlagen nicht nur unsere Feinde, sondern auch mal wichtige Utensilien im Kampf gegen halbe Armeen, darüber hinaus haben uns auch rollende Minen immer wieder mal besonders lieb. Und gerade in solchen Abschnitten kann das gerne mal eine schweißtreibende Aufgabe sein, seine Geschütze passend und effektiv aufzustellen. Das gaukelt einem vielleicht Wiederspielwert vor, ist aber im Grunde nur Makulatur und ändert nicht viel im linearen Spielablauf.

Es blutet schön aus den Augen

Grundsätzlich ist die Source Engine mittlerweile ja veraltet, und Half-Life 2 als erster Beitrag dazu sieht natürlich acht Jahre später nicht mehr aus wie ein knackiges, junges Mädel. Da hat mittlerweile das Alter die ersten Falten in die Haut gezogen, aber kann ein Spiel denn nicht auch in Würde altern? Ich finde, das geht. Da nehme ich jetzt mal die Originalversion zur Hand und lasse alle möglichen Mods, die eventuelle Verschönerungen versprechen, mal außen vor. In der Valve-Version 1.0 nach Release sind schon irgendwelche Dreckhaufen oder Holzbalken zu sehr mit Texturenmatsch bedeckt, aber nimmt man das Design der Levels zugrunde, kann man auch mal schnell vergessen, wo es sichtlich hakt. Manches Steinbröckchen liegt eben mal zu kantig in einer Ecke, aber was soll das, wenn die Atmosphäre stimmt? Vegetation wirkt vielleicht ein wenig matschiger als technische Einrichtungen, aber muss einen das ärgern, wenn das Gameplay fesselt? Zumindest hat die fleißige Community spieltechnisch nicht so viele Gründe gefunden gehabt, etwas zu ändern. Eher waren ihnen dann solche zweifelhaften No-Gos wie Alyx´ Oberweite ein Dorn im Auge, dass man sich sein Geheime-Träume-Babe schließlich selbst zusammenbauen kann. Aber nicht genug, denn mittlerweile gibt es so etliche neue Levels oder komplett geänderte Spielmodi, die auch eine Menge Spaß machen können.

 

In Sachen Hörbarkeit macht Half-Life 2 auch eine überwiegend gute Figur, wenn es aber auch sehr eigen ist. Die Waffensounds schwanken da leicht zwischen Ohrentöter und Mückenschiss, dagegen klingen die Explosionen recht opulent. Ansonsten gab sich Valve viel Mühe in der Vertonung der Atmosphäre. Die verschiedenartigen Abschnitte haben alle ihre eigene Soundbank spendiert bekommen und unterstützen die Stimmung jeweils individuell. Dazu wurde ein Soundtrack komponiert, wie er besser nicht sein konnte. Normalerweise stehe ich auf organische Sounds, aber der Electrosound vermittelt ebenfalls fast immer eine passende Stimmung zu den jeweiligen Abschnitten. Einzig bei der Sprecherleistung sollte Half-Life 2 unbedingt auf Englisch gespielt werden, weil die deutsche Vertonung eine einzige Katastrophe ist.

Auf den Olymp der Spielegeschichte

Acht Jahre ist das Spiel wie erwähnt ja schon alt, aber es fasziniert mich immer noch so sehr wie seit den Releasetagen. Natürlich ist die Grafik mittlerweile etwas angestaubt, aber im Gameplay überzeugt Half-Life 2 immer noch so sehr, dass sich heutige Releases immer noch ein paar dicke Scheiben abschneiden könnten. Da ist Abwechslung Trumpf, und ob wir nun anfangs auf Entdeckungsreise gehen, uns im düsteren Ravenholm böse in die Hose machen oder die SciFi-Atmosphäre von Nova Prospect oder der Zitadelle in uns aufsaugen – das und die Spielelemente sind immer noch vorbildlich in Sachen Vielseitigkeit und Dynamik. Und wenn etwas so zeitlos ist, kann auch unser Held einfach mal die Klappe halten und es uns wortlos genießen lassen...


Wertung
Pro und Kontra
  • Abwechslungsreiche Grafiksets
  • Animationen und Gesichtsausdrücke
  • Toller Soundtrack
  • Atmosphäre zum Schneiden
  • Lineares, aber dynamisches Gameplay
  • Vielseitiges Leveldesign
  • Waffenarsenal (vor allem die Gravity Gun)
  • Storyaufbau und -gestaltung sorgt für Wiederspielwert
  • Grafik mittlerweile veraltet
  • Deutsche Sprecherleistung
  • Sinn und Zweck mancher Physikrätsel

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(2)
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