Der Rostbefreier?

Die Geschichte des Gordon Freeman mochte mit Half Life abgeschlossen sein, die von Black Mesa hingegen noch lange nicht. Das war nicht nur die Einstellung...

von Bakefish am: 15.09.2014

Die Geschichte des Gordon Freeman mochte mit Half Life abgeschlossen sein, die von Black Mesa hingegen noch lange nicht. Das war nicht nur die Einstellung einiger Fans, sondern auch die von Gearbox. In Zusammenarbeit mit Valve entwickelte diese Truppe noch zwei Add-Ons, die auch im Komplex der riesigen Forschungseinrichtung spielen, allerdings die Schicksale anderer Charaktere erzählen.

Das erste Add-On „Opposing Force“ handelt von dem Soldaten Adrian Shepard, genauer Corporal Adrian Shepard, welcher sich ebenfalls mit Unmengen von Soldaten herumschlagen darf und mit allen Mitteln versucht, zu überleben. Ist das denn spannend? Und welcher Kram ist neu im Add-On? Wurde dieser, wenn vorhanden, sinnvoll umgesetzt? Das lest ihr in der Rezension. Vorab möchte ich aber noch hinzufügen, dass ich mich dabei auch auf das Hauptspiel beziehen werde, mit eventuellen Spoilern ist also zu rechnen. Und ich empfehle natürlich, das Hauptspiel allgemein zu zocken :-P

 

Vom Tellerwäscher zum Millionär

 

Es sieht alles noch so einfach aus. Wir als Soldaten-Grünschnabel Adrian Shepard werden zusammen mit unseren Kumpels nach Black Mesa geschickt. Warum, steht noch nicht ganz fest, es hat da irgendeinen Unfall gegeben. Anfangs schmeißen die Jungs noch mit protzigen Sprüchen um sich, doch gleich nach der Ankunft erhalten sie einen warmen Empfang- das Schiff wird von den Aliens abgeschossen, viele Soldaten sterben, alles gerät außer Kontrolle.

Shepard hingegen hat etwas mehr Glück, er wird nur bewusstlos und wacht einige Zeit nach dem Crash in einer medizinischen Einrichtung auf. Ganz Black Mesa bricht zusammen, das Chaos regiert. Also werden die Pläne ganz schnell geändert- jetzt gilt es, abzuhauen. Doch diese einfache Mission wird ziemlich schwer, da Shepard es mit Unmengen von Aliens aufnehmen muss. Obendrein hat er es dann auch noch plötzlich mit Spezialeinheiten zu tun, die das erfüllen sollen, was die Marines versaut haben- jeglichen Hinweis auf den Unfall vertuschen. Und dafür töten sie nicht nur jeden Marine, der ihnen vor die Flinte läuft, nein. Black Mesa selbst wollen sie dabei auch noch gleich hochjagen. Was nebenbei auch noch verhindert werden muss- schließlich wollen wir ja lebend aus dem ganzen Schlamassel geraten. Eine lange und beschwerliche Reise beginnt, dabei lernt Shepard auch besondere Persönlichkeiten wie Gordon Freeman oder den mysteriösen G-Man kennen und muss dabei auch die Alien-Welt Xen betreten…

So weit, so gut. Zwar ist diese Geschichte komplett anders als im Hauptspiel, doch hat sich am Erzählstil nichts geändert. Wesentliche Informationen erhält Shepard von Wissenschaftlern oder anderen Soldaten, die ebenfalls in der Basis stecken geblieben sind. Allerdings ist dabei auffällig, dass wir nicht ein einziges Mal im Spiel dazu genötigt werden, das Personal von Black Mesa zu liquidieren, obwohl die Marines dies im Original noch getan haben. Es geht eher darum, einfach abzuhauen, die Anlage selbst ist dabei vollkommen unwichtig. Schön, eine andere Sicht auf das Ganze zu bekommen.

Weiter im Text. Auch „Opposing Force“ verzichtet fast gänzlich auf Scriptsequenzen, nur manchmal sitzen wir da und können nicht ins Geschehen eingreifen.

Dabei muss man auch unbedingt hervorheben, dass das Add-On nie die Spannung verliert, obwohl es das ganze Spiel über eigentlich nur eine Mission gibt- raus aus Black Mesa! Warum schafft „Opposing Force“ dies, wenn andere Spiele daran kläglich versagen? Die Antwort ist ganz simpel: Abwechslung. Was genau ich damit meine, lest ihr im nächsten Teil der Rezension.

 

Mit den eigenen Waffen geschlagen

 

Auch vom Spielstil hat sich im Add-On nichts geändert. Weiterhin begeben wir uns mit Shepard durch lineare Korridore, nieten dabei haufenweise Aliens um und durchsuchen alle Ecken und Winkel, um weiter zu kommen und zusätzliche Ausrüstung zu finden. Allerdings gibt es dabei einige Neuerungen, die „Opposing Force“ sehr spielenswert machen.

Dies beginnt schon beim Anzug, den Shepard trägt. Nein, wir legen keinen HEV-Suit an, unser Avatar schlägt sich mit einer militärischen PCV-Rüstung (PCV= Power Combat Vest) durch das Spiel. Einen Unterschied im Spielgefühl bewirkt dies aber nur minimal, da das HUD etwas anders gestaltet ist (grünlich und mit einem militärischen Stil) und wir im Laufe des Spiels Stationen dafür finden, welche es im Hauptspiel noch nicht gab. Allerdings können wir die Rüstung auch ganz normal mit Batterien aufladen oder eine HEV-Ladestation dafür aufsuchen. Erwähnenswert ist dabei auch, dass die Taschenlampe nun durch ein Nachtsichtgerät ersetzt wurde, welches wir vor allem in komplett dunklen Levelabschnitten dringend benötigen. Doch Vorsicht- auch dieses technische Wunderwerk bezieht seinen Saft aus einer Batterie, welche irgendwann leer ist und einige Zeit zum Wiederaufladen benötigt…

Eines muss man aber bedenken- Angriff ist die beste Verteidigung. Und Waffen gibt es auch im Add-On mal wieder zur Genüge. Gearbox hat dabei etliche neue Schießprügel ins Spiel integriert, welche einfach nur unglaublich cool sind. Allerdings ersetzen diese Waffen größtenteils die aus dem Hauptspiel bekannten. So wurde der Revolver beispielsweise durch eine Desert Eagle ersetzt, welche schneller feuert, die gleiche Feuerkraft besitzt und obendrein auch noch ein größeres Magazin besitzt. Anstelle der Armbrust setzen wir Gegnern nun mit einem Scharfschützengewehr zu, und selbst die Brechstange wurde durch eine große Zange ersetzt, mit welcher wir zwar langsamer, aber deutlicher kräftiger zuschlagen. Mit dem Rechtsklick können wir sogar noch ausholen und vor allem schwächere Gegner mit einem Schlag auf die Omme zurück nach Xen schicken. Apropos Xen: Eine Teleportationskanone ist nun auch mit dabei. Mit einem einzigen Schuss teleportieren wir die Aliens wieder auf ihre Heimatwelt, per Rechtsklick können wir sogar uns selbst dorthin schicken und herumliegende Munition aufsammeln.

Eine ganz besondere Rolle spielen jedoch die Alien-Waffen, die wir vorfinden. Eine ersetzt beispielsweise die Hive Hand (also das Insekten verschießende Gewehr aus dem Hauptspiel) und feuert nun elektrische Projektile ab, dann gibt es noch ein fischähnliches Alien, welches Säureprojektile auf Gegner verschießt (witzig ist dabei, dass wir es „nachladen“, indem wir es mit bestimmten Sporen füttern) und zuletzt den Barnacle. Moment mal, ist das nicht der eine Gegner, der an der Decke hängt und alles mit der Zunge auffängt und dann auffrisst? Genau! Den dürfen wir jetzt benutzen und uns damit an organische Massen hängen, um beispielsweise eine Lücke zu überwinden. Oder Gegner heranzuziehen  und auffressen. Beides ist möglich und macht nach kurzer Eingewöhnung (wie bei allen anderen Waffen auch) viel Spaß beim Ausprobieren und Nutzen im Kampf.

Angesichts der vielen Gegner haben wir diese Waffen auch bitter nötig. Die ohnehin schon große Vielfalt an Gegnern wird im Add-On noch um einige Gegner aufgestockt. Zwar sind dies nicht so viele, doch sehen sie schön schaurig-außerirdisch aus und sind dabei auch noch mordsgefährlich. Mit dabei sind einäugige, insektenähnliche Monster, welche mit dem Hive-Hand-ähnlichem Gerät auf uns schießen und komische, elektrische Sounds von sich geben, zähe Monster, welche den Antlionkönigen aus Teil 2 nicht unähnlich sind und und und. Die ekelhaften Bossgegner darf man dabei auch nicht vergessen, zu denen erzähle ich jetzt aber lieber nichts. Eines ist immerhin auffällig: Diejenigen Kreaturen, die in „Opposing Force“ neu hinzugekommen sind, kooperieren nicht mit den Aliens, die wir aus dem Hauptspiel kennen, teilweise bekämpfen sie sich sogar gegenseitig. Daher wird diese neue Rasse auch als „Race X“ bezeichnet. Dabei bleiben sie jedoch ebenso ein Mysterium wie die normalen Aliens.

Sonstige Neuerungen sind eher klein und auch nur teilweise gut gestaltet. An einigen Stellen begeben wir uns zusammen mit anderen Marines, welche noch in der Basis feststecken, durch Black Mesa und erhalten so Feuerunterstützung. An einigen Stellen ist es auch essentiell, dass wir sie mit uns führen, da wir beispielsweise verwundete Soldaten mit Sanitätern heilen müssen, damit sie uns unerreichbare Areale zugängig machen. Leider hat Gearbox es an dieser Stelle versäumt, taktische Tiefe ins Spiel zu verbauen- zwar können wir Soldaten mit uns führen, doch empfangen sie nur einen einzigen Befehl; entweder laufen sie uns hinterher oder eben nicht. Da es auch einige Unterarten von Soldaten gibt (der eine führt eine Schrotflinte mit sich, der andere ein Sturmgewehr, der nächste ein leichtes Maschinengewehr), hätte man doch an einigen Stellen das Vorgehen gegen die Widersacher besser gestalten können, mit bestimmten Befehlen wie „Granate werfen“, „in Deckung bleiben“, „stürmen“ oder sonstigen Sachen. Stattdessen stellen sich die Soldaten an einigen Stellen so dämlich an, dass sie dafür meistens mit dem Leben bezahlen müssen. Es ist nicht essentiell, dass wir Taktik für solche Passagen brauchen (auch, weil man sie an einer Hand abzählen kann), allerdings hinterlassen sie schon einen sauren Nachgeschmack.

Des Weiteren ist es nun möglich, an Seilen hoch- und runter zu klettern- somit müssen wir einige Passagen überwinden. Die Idee an sich ist ja ganz gut, scheitert aber in der Praxis. Das dürfte unter anderem an der noch nicht ganz ausgeprägten Physikengine liegen- die Seile springen munter hin und her, dann bemerkt das Spiel manchmal nicht einmal, dass wir ein Seil überhaupt benutzen wollen, an sich sind Seile auch teils schlecht zu erkennen. Auch an dieser Stelle hat Gearbox etwas Potential verschenkt, obgleich die Idee bestimmt nicht schlecht ist.

Abseits dessen hat sich im Gameplay nicht viel getan- weiterhin begeben wir uns durch linear gestaltete Korridore, schießen haufenweise Aliens und Spezialtruppen nieder und müssen dabei hin und wieder Minibosse bekämpfen oder kleinere Rätsel lösen. Diese sind aber insgesamt so ausgefallen wie die des Hauptspiels- öffne diese Tür, schalte hier den Strom ab, betätige diesen Schalter. Glücklicherweise fallen diese Rätsel nicht ganz so zahlreich aus wie im Hauptspiel. Auch die Geschicklichkeitselemente sind nun weniger stark vorhanden. Auch dies tut dem Gameplay ganz gut, da diese Spielchen im Hauptspiel noch extrem genervt haben.

So gesehen hat „Opposing Force“ das grundlegende Spiel etwas ergänzt und (größtenteils) gute Neuerungen eingebracht. Dadurch wirkt das Gameplay an sich spannender und abwechslungsreicher und schafft es, noch mehr an der Stange zu halten. Der Fakt, dass unsere Hauptmission eigentlich die ganze Zeit nur aus der Aufgabe besteht, abzuhauen, wird damit schnell übersehen.

 

Habt ihr Maden das verstanden?!!

 

Die Grundatmosphäre von „Opposing Force“ ist etwas anders aufgebaut als die des Hauptspiels. Da wir ab und zu auf andere Soldaten treffen bzw. selbst einer sind, wirkt das Add-On etwas militärisch angehaucht. Dieser Grundaspekt wird dann mit der apokalyptischen Stimmung unterlegt, welche wir bereits aus dem Hauptspiel kennen- das Gefühl des Alleinseins, überall Aliens, der Tod lauert hinter jeder Ecke.  Oft genug wird daran erinnert, dass wir es mit einer Forschungseinrichtung zu tun haben, oft genug gibt es auch Parallelen zum Hauptspiel (an einer Stelle treffen wir sogar Gordon wieder, wenn auch nur kurz). Kein Wunder, schließlich spielt das Add-On auch größtenteils zeitgleich zu Freemans Geschichte.

Atmosphärisch gesehen muss „Opposing Force“ jedenfalls keine Abstriche gegenüber dem Original machen, ganz im Gegenteil- die Mischung aus Militärslang und Grundspielatmosphäre gibt dem Spiel einen leicht anderen Ton, der mitunter ganz angenehm zu spielen ist. Keine Sorge, die Grundatmosphäre wird auf keinen Fall verrissen, so weit kommt es nicht. Für Fans von Half Life ist dieses Add-On auch der Atmosphäre wegen spielenswert.

 

Der Fisch sieht gut aus.

 

Grafisch wurde „Opposing Force“ nicht verbessert, somit sehen Texturen, Wasser, Partikel und sonstige Effekte immer noch hoffnungslos veraltet aus. Einzig die Waffen- und Gegnermodelle sehen noch ganz gut aus.

Dabei sollte man auch nicht unerwähnt lassen, dass auch das Add-On trotz Texturmatsch optisch angenehm abwechslungsreiche Level enthält- ob nun eine Recyclinganlage, Garagen, Forschungskomplexe, Untergundlevel oder die Oberfläche, alles ist dabei. Auch Passagen des Hauptspiels sind enthalten, allerdings nur zum Wiedererkennungswert, sie machen nur einen kleinen Teil des allgemeinen Levelaufbaus aus.

Die Soundqualität hat sich im Add-On nicht verbessert. Schade, denn die allgemein recht dumpfe Geräuschkulisse des Hauptspiels war doch teils arg gewöhnungsbedürftig.

Auch die Anzahl der Bugs hat abgenommen, eliminiert wurden sie jedoch nicht. Deshalb kann es immer noch vorkommen, dass Objekte verschwinden oder Gordon- pardon, Shepard- einfach irgendwo feststeckt und Schaden nimmt. Gut, dass die Zahl abgenommen hat. Schlecht, dass es immer noch eine Zahl gibt.

 

Fazit

 

Nun, die vielen Stunden, die ich mit diesem umfangreichen Add-On verbracht habe, lohnten sich durchaus. Es gibt mehr Gegner und Unmengen neuer Waffen, das klingt doch mal gut. Eine recht gut erzählte Geschichte noch dazu? Auf jeden Fall gut!

Dennoch schafft das Add-On es nicht, die wesentlichen Probleme des Hauptspiels zu beseitigen. Immer noch gibt es nervige Bugs, die nervigen Geschicklichkeitsspiele haben zwar abgenommen und auch die Anzahl der Rätsel, welche doch recht aufgesetzt wirkten, ist ebenfalls zurückgegangen. Doch teilweise sind sie immer noch vorhanden. Das ohnehin schon recht abwechslungsreiche Gameplay wirkt somit zwar noch etwas abwechslungsreicher, doch werden so wieder unnötige Frustmomente verbaut. Daher ist das Add-On nur minimal besser als das Hauptspiel und erhält 85 Punkte in der Wertung.

Für Fans des Hauptspiels, die sich an diesen Aspekten dennoch nicht allzu sehr stören, kann ich das Add-On aber trotzdem voll und ganz empfehlen, da es einfach etwas frischer wirkt uns insgesamt auch besser gestaltet. Wer Half Life dagegen nicht mochte, wird auch an diesem Add-On keinen Gefallen finden.


Wertung
Pro und Kontra
  • lange Spielzeit
  • viele neue Waffen, coole neue Gegner
  • fesselnde Story
  • die typische Black Mesa-Atmosphäre, gemischt mit militärischem Akzent
  • abwechslunsgreich gestaltet
  • optisch wechselne Level
  • weniger Bugs, nervige Rätsel und Geschicklichkeitsspiele...
  • ...allerdings gibt es diese immer noch oft genug
  • KI-Kollegen nicht gerade intelligent
  • dumpfe Sounds

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(1)
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