Seite 6: Diablo 3 im Test - Aus der Asche

Die Qual der Talentwahl

Über die Talent- und Runenwahl lässt sich also die Spielweise des Diablo-3-Helden anpassen. Soll der Mönch vorrangig Einzelgegner kloppen oder Flächenschaden anrichten? Stürzt sich der Zauberer in den Nahkampf (etwa, um Gegner mit einer Frostnova einzufrieren) oder wirft er aus der Distanz mit Magiegeschossen und teleportiert sich notfalls in Sicherheit? Dadurch erzeugt das Talentsystem eine nie dagewesene Vielfalt, die zahllosen möglichen Kombinationen reizen zum Experimentieren.

Gamestar hilft ... beim Fähigkeiten frei belegen Video starten PLUS-Archiv 1:12 Gamestar hilft ... beim Fähigkeiten frei belegen

Das ist die große Stärke der Charakterentwicklung: Es macht Spaß, neue Fähigkeiten und Runen auszuprobieren. Denn die lassen sich jederzeit wechseln, sind dann aber erst nach einer kurzen Abklingzeit einsatzbereit – mitten im Kampf empfiehlt sich der Fähigkeiten-Umbau also nicht. In der Praxis müssen wir allerdings sowieso meist wenig ändern: Wenn wir erst mal unsere Wunsch-Kombinationen gefunden haben, passen wir sie höchstens mal an, um besonders kräftige Einzelgegner umzupusten oder Monster-Widerstände auszuhebeln.

Video starten 4:37

Der Zauberer etwa kann seinem Hydra-Zauber via Runen-Tuning wahlweise Frost-, Blitz- oder Giftschaden verleihen, falls ein Feind gegen eine Angriffsart immun ist. Solche taktischen Überlegungen spielen aber erst auf den höheren Schwierigkeitsgraden eine Rolle, auf den niedrigen entfaltet das Talentsystem zwar eine grandiose Vielfalt (die Kombinationen von Runen und Fähigkeiten werden immer zahlreicher), aber wenig Tiefe (welche Kampfmanöver wir einsetzen, ist letztlich egal, solange die Monster umfallen).

Experimentieren, nicht individualisieren

Denn Diablo 3 erlaubt Experimente, aber keine Individualisierung. Weil unser Charakter sowieso jederzeit alle Fähigkeiten einsetzen kann, müssen wir uns nicht spezialisieren und damit auch keine interessanten, weil unumkehrbaren Richtungsentscheidungen treffen. Mit der individuellen Charakterentwicklung entfällt in Diablo 3 also einer der wesentlichen Motivationsmotoren des Genres, was die Identifikation mit dem Helden schmälert.

Dank der Talent- und Runenwahl kann zwar jeder Spieler seine Klasse so ausrichten, wie er will – die einen mögen Kampfschrei-Barbaren bevorzugen, die anderen Nahkampf-Haudraufs. Weil jeder alles kann, fühlen sich die Recken trotzdem weniger einzigartig an. Das ist das Rädchen, das im ansonsten perfekt geölten Hack’n’Slay-Mahlwerk klemmt und Diablo 3 eine (noch) höhere Wertung verwehrt.

Dank Runen-Tuning spießt die »Tödliche Reichweite«-Kombo des Mönchs drei Gegner auf statt nur einem. Dank Runen-Tuning spießt die »Tödliche Reichweite«-Kombo des Mönchs drei Gegner auf statt nur einem.

Bitte nicht falsch verstehen: Wir wollen keineswegs das starre System von Diablo 2 zurück, bei dem wir unseren Weltenretter binnen drei Talentpunkten derart »verskillen« (also mit sinnlosen Fertigkeiten ausstatten) konnten, dass man am besten gleich von vorne anfing. Vielmehr hätten wir uns eine vernünftig ausbalancierte Individualisierung gewünscht statt einer vielfältigen, aber uniformen Automatisierung – auch wenn Letztere zumindest auf den höheren Schwierigkeitsgraden endlich auch taktischen Tiefgang entfaltet.

Die Klassen- und Fähigkeitsbalance ist indes noch nicht optimal, der im Betatest eher zu schwache Mönch erscheint uns nun zu mächtig, weil er sich selbst heilen und mit einer Mantra-Aura auch noch die Lebens-Regenerationsrate seiner Mitstreiter drastisch erhöhen kann. So sind selbst die meisten Bossgegner keine große Hürde.

Das schlimmste Menü

Unser letzter Charaktersystem-Kritikpunkt betrifft das Talentmenü, in dem wir Fähigkeiten auf die Maus- und Zahlentasten verteilen. Dabei stellt uns Diablo 3 pro Taste standardmäßig nur vier bis fünf Fähigkeiten zur Verfügung – es sei denn, wir aktivieren im »Gameplay«-Menü den »Wahlmodus«, um fortan allen Tasten alle Talente zuweisen zu dürfen.

Talentmenü Das Talentmenü ist alles andere als komfortabel – da sind wir von Blizzard besseres gewohnt.

Wahlmodus Den spielerisch extrem wichtigen »Wahlmodus« hat Blizzard in den Optionen versteckt und nirgendwo dokumentiert.

Dass das geht, erklärt die Monsterhatz allerdings nirgendwo, weder in den Tutorial-Einblendungen noch im (zur »Kurzanleitung« geschrumpften, aber immerhin farbigen) Handbuch. Noch dazu ist der Wahlmodus umständlich zu bedienen, über Pfeilsymbole klicken wir uns im Talentmenü von Seite zu Seite, bis wir die gewünschte Fähigkeit gefunden haben. In Sachen Bedienbarkeit sind wir von Blizzard Besseres gewohnt, zumal das restliche Spiel so flüssig von der Maushand geht wie ein eingeölter Aal.

6 von 10

nächste Seite


zu den Kommentaren (1101)

Kommentare(1077)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.