Motivierendes Globalstrategiespiel für Geduldige

Hinweis: Dieser Test bezieht sich auf die aktuelle Version, die auf dem Addon Their Finest Hour basiert. Ich betrachte das Spiel aber in seiner Gesamtheit. ...

von beagletank am: 04.06.2014

Hinweis: Dieser Test bezieht sich auf die aktuelle Version, die auf dem Addon Their Finest Hour basiert. Ich betrachte das Spiel aber in seiner Gesamtheit.


Ostfront, Anfang März 1942. Die Sowjetunion hat nochmal Glück gehabt. Vor einigen Monaten habe ich noch mit dem Schlimmsten gerechnet. Pünktlich zum Juni 1941 durchbrachen deutsche Panzerverbände meine schwer verteidigten Grenzen. Meine historischen Vorkenntnisse haben mir wenig gebracht. Obwohl ich viel Zeit in die Ausbildung und Aufrüstung meiner Infanterie und Panzer gesteckt habe, wurden diese einfach von der erfahrenen Wehrmacht überrannt. Immerhin hat das Einigeln einigermaßen funktioniert. Wichtige russische Städte sind befestigt und mit zahlreichen Abwehrwaffen bestückt. Die dort anwesenden Pioniere haben zudem einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass sich die Garnisonen eingraben konnten. Zwar werden auch diese schnell eingekesselt, dafür sind dicht bebaute Städte ein eher ungünstiges Gelände für Panzer. Die deutschen Truppen verlieren wertvolle Zeit damit meine Soldaten auszuhungern, sodass sich der Rest der Roten Armee einigermaßen geordnet zurückziehen kann.

Umso überraschender dann die Ereignisse der kommenden Kriegsmonate. Der deutsche Vormarsch fährt sich fest. Anstatt Ende 1941 kurz vor Moskau zu stehen, zieht sich die Front ziemlich genau am Verlauf von Dnepr und Düna entlang. Außer einigen halbherzigen Vorstößen passiert nicht mehr viel und meine russischen Truppen können eine geordnete Verteidigungslinie bilden. Was ist passiert?

Und damit willkommen bei Hearts of Iron 3, dem Spiel, das bei Anfängern und Profis von Verzweiflung bis Jubel so ziemlich alle Gefühle auslösen kann, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Aber der Reihe nach. Hearts of Iron 3 erschien 2009 und ist Teil der gleichnamigen Strategieserie, die von Paradox Interactive entwickelt wird. Deren Team hat sich vor allem durch schwere, aber auch hochkomplexe Strategiespiele wie Victoria oder Europa Universalis einen Namen gemacht, die aber nicht jedermanns Sache sind. Und das ist auch bei Hearts of Iron 3 nicht anders. Warum sich ein Blick auf das Spiel trotzdem lohnt, erfahrt ihr in den folgenden Zeilen.

Der Einstieg

 

Wie anhand des obigen Absatzes unschwer erkennen kann, führt uns Hearts of Iron 3 in die Zeit des zweiten Weltkrieges, genauer gesagt in die Jahre 1936-1948. Wir übernehmen die Führung einer beliebigen Nation und müssen dieser bis zum Ende der Kampagne zu Macht und Einfluss verhelfen. Wie wir das anstellen bleibt komplett uns überlassen. Wir können zum Beispiel eine der großen Kriegsnationen übernehmen, etwa Deutschland, die USA oder Sowjetunion. Oder wir führen kleinere oder neutrale Staaten durch die Kriegsjahre, etwa die Schweiz oder die Türkei. Oder wir fangen gar nicht erst Krieg an. Hearts of Iron 3 zeichnet sich diesbezüglich durch große Entscheidungsfreiheit aus. So gut wie nichts wird uns aufgezwungen, auch wenn sich einige Sachen schwieriger gestalten, etwa Nazi-Deutschland wieder in einen demokratischen Staat zu verwandeln.

Das Spiel läuft dabei in Echtzeit, lässt sich aber jederzeit pausieren oder beschleunigen. So können zum Beispiel in fünf Minuten (Echtzeit) nur wenige Stunden oder gar mehrere Wochen (Spielzeit) vergehen.

Bevor wir uns aber an die Arbeit machen können, müssen wir zuerst ein Startszenario auswählen. Neben den Vorkriegsjahren können wie auch direkt in den Krieg einsteigen, etwa zur Zeit des Westfeldzuges oder Operation Overlord. Jedes Szenario bietet durch die jeweilige Kriegssituation unterschiedliche Herausforderungen, was den Wiederspielwert bereits enorm erhöht. Daneben sind auch zahlreiche kleinere Szenarien verfügbar, die sich auf einen bestimmten Feldzug und Kartenausschnitt beschränken und sich ideal zum Üben eignen. Womit wir schon bei einem wichtigen Thema wären, dem Üben. Wie bereits erwähnt ist Hearts of Iron 3 bockschwer. Das Tutorial kann man leider getrost in die Tonne kloppen, da es außer einigen Menüs rein gar nichts erklärt. Bei einem Spiel dieser Komplexität ist das eigentlich eine Unverschämtheit. Das Handbuch ist immerhin erfreulich umfangreich. Wer allerdings die digitale Version des Spiels erwirbt hat auch hier ein Problem. Die beste Lösung stellt in diesem Fall die sehr hilfsbereite Community dar, die Anfängern stets hilfsbereit zur Seite steht und auch zahlreiche Video-Tutorials zur Verfügung stellt.

Und damit zum Gameplay. Hearts of Iron 3 beschränkt sich natürlich nicht nur auf das Kommandieren von Einheiten. Wer Erfolg haben will, muss auch stets Forschung, Diplomatie und Produktion im Blick behalten. Auch die Innenpolitik und der Einsatz unserer Geheimdienste spielt eine wichtige Rolle. Die Spielwelt selbst besteht aus einer riesigen Karte, die einen Großteil der Welt umfasst. Unterteilt ist diese in Länder, die wiederum aus einzelnen Provinzen bestehen, ähnlich wie etwa in der Total War Reihe. Jede Provinz verfügt über eine bestimmte Geländeart, etwa Flachland, Wälder, Städte und noch zahlreiche weitere. Hinzu kommt die Qualität der Infrastruktur, das Vorhandensein von Befestigungen aller Art, sowie Häfen und Flugplätze. Bauwerke lassen sich insgesamt in bis zu 10 Stufen ausbauen. Ein voll ausgebautes Straßennetz erleichtert zum Beispiel das Vorankommen unserer Truppen, größere Häfen fassen mehr Schiffe oder starke Festungen hindern den Feind am Durchbruch. Auch der Bau von Flak- und Radarstellungen ist möglich.

Wichtiger Faktor in einer Provinz, vor allem in der Heimat, ist aber auch das Vorhandensein von Industrie und diversen Ressourcen. Die Industriekapazität (auch IK genannt) unseres Staates bestimmt maßgeblich, was für und wie viele Einheiten wir bauen können. Jeder Truppentyp kostet einen festen Satz an Industriekapazität, der je nach Einheit variiert. Ein Schlachtschiff kostet zum Beispiel mehr IK als eine Infanteriedivision und braucht auch wesentlich mehr Bauzeit. Damit unsere Industrie reibungslos funktioniert, benötigen wir zudem diverse Ressourcen wie etwa Öl, Metall oder Energie. Auch diese werden in unseren Provinzen generiert, sodass die Kontrolle bestimmter Regionen maßgeblich für unseren Erfolg ist.Werden Regionen bombardiert oder zum Schauplatz von Gefechten, sinkt automatisch auch der Auswurf an Industriegütern und Ressourcen. Das sollte man also nach Möglichkeit verhindern, etwa durch den Bau von Industrie in entlegenen Regionen.

Die Produktion beschränkt sich aber nicht nur auf das Militär. Auch Nachschub für die Truppen und Konsumgüter für die Zivilbevölkerung sind von enormer Relevanz, damit die Stimmung im Land nicht kippt. Zudem lassen sich Einheiten auch modernisieren, was ebenfalls unsere Industrie beansprucht. Die Herausforderung besteht darin stets die richtigen Prioritäten zu setzen und unsere IK somit sinnvoll zu verteilen. Wer will, kann die Verteilung aber auch dem Computer überlassen und lediglich angeben, worauf sich die Produktion fokussiert werden soll. Das klappt überraschend gut und ist für Einsteiger eine große Erleichterung.

Damit kommen wir erneut zur Produktion von Einheiten zurück. Die bietet nämlich zahlreiche taktische Möglichkeiten. Hearts of Iron 3 unterteilt unser Militär - wenig überraschend – in Marine, Luftwaffe und Heer. Jeder dieser Zweige verfügt über eigene Einheiten, die aus Platzgründen hier leider nicht alle aufgelistet werden können.Nur so viel. So ziemlich jede Waffengattung, die im Zweiten Weltkrieg eine größere Rolle gespielt hat, hat ihren Weg ins Spiel gefunden, egal ob Flugzeugträger, schwerer Panzer oder Atombombe. Anders als in Hearts of Iron 2 gibt es keine klassischen Brigaden mehr, die an Einheiten angehängt werden. Jede Landeinheit bildet nun einen vollwertigen Truppentyp, der verwirrenderweise trotzdem Brigade heißt. Zusammengestellt wird unser Militär in einem übersichtlichen Divisionseditor. Dort fügen wir bis zu fünf Truppentypen in einer Division zusammen. Wie wir das anstellen, bleibt uns überlassen. Flugzeuge und Schiffe können jedoch nur einzeln produziert und erst auf der Schlachtkarte zu einer Flotte bzw. einem Geschwader zusammengefügt werden. Da jede Einheit über individuelle Stärken und Schwächen verfügt, ergeben sich so zahlreiche taktische Möglichkeiten. Artillerie zB. mag unsere Infanterie zwar ausbremsen, verleiht ihr aber deutlich mehr Schlagkraft. Profis können so stundenlang an ihrer perfekten Division feilen, Anfänger können so aber schnell erschlagen werden. Hinzu kommen noch die Wehrfähigen. Jeder Staat verfügt über eine bestimmte Zahl an kampffähigen Männern, die bei der Produktion von Truppen eingezogen werden. Da dieser Wert sich nur langsam regeneriert, können kleinere Staaten wie Rumänien schnell an die Grenze ihrer Kapazitäten stoßen. Länder wie China oder Russland haben es so deutlich einfacher. Hearts of Iron 3 gelingt es insgesamt sehr gut alle Schwächen und Stärken der einzelnen Nationen darzustellen, egal ob im zivilen oder militärischen Bereich.

Die Staatsführung

 

Aber damit erstmals genug der Produktion. Für den Spielverlauf ist auch die Forschung von enormer Wichtigkeit. Die umfasst dabei nicht nur die Entwicklung neuer Waffentypen und Taktiken, sondern auch zivile Bereiche, etwa bessere Produktionsmethoden oder eine effizientere Versorgung der Bevölkerung. Obwohl die Forschungszweige allesamt gut ausgewählt und vor allem auch übersichtlich sind, schwanken sie trotzdem zwischen Realismus und unnötiger Aufgeblasenheit. Anders als noch im Vorgänger wurden die wichtigsten Truppentypen in ihre wesentlichen Bestandteile unterteilt. Wir erforschen also nicht mehr den nächsten Panzertyp, sondern seine einzelnen Komponenten. Einerseits ist das durchaus realistisch. So war etwa der deutsche Panzer IV den ganzen Krieg über im Einsatz und hatte 1945 nicht mehr viel viel mit seinem Pendant von 1939 gemein. Anderseits nervt es dann doch ein wenig, wichtige Forschungspunkte in Einzelkomponenten stecken zu müssen, wo sie doch anderswo sinnvoller aufgehoben wären. Trotz dieses etwas ungünstigen Neuerung bewährt sich das Forschungssystem insgesamt gut. So wurden die Forschungsteams aus Hearts of Iron 2 abgeschafft. Zwar unterscheiden sich die Nationen immer noch durch ihren Forschungsstand, die Effizienz unserer technologischen Entwicklung hängt nun vom Technologiezweig ab. Wer viel Infanterie erforscht, steigert so auch seine Fortschritte auf diesem Gebiet schneller.

Das Forschungssystem überzeugt, ist mitunter aber zu verschachtelt

 Das Forschungssystem ist angenehm komplex, mitunter aber zu verschachtelt

 

Politik, Diplomatie und der Geheimdienst wurden weitestgehend unangetastet gelassen, auch wenn es hier einige interessante Neuerungen gibt. So bestimmen wir die gesellschaftliche Ausrichtung unseres Staates nicht mehr durch Regler, sondern Gesetze, durch die wir etwa die Effizienz unserer Wirtschaft steigern oder mehr Wehrfähige ausheben können. Auch der Geheimdienst hat einige neue Funktionen erhalten, die sich als sehr nützlich erweisen. So können wir etwa in demokratischen Staaten Parteien unterstützen, die unserer Sache dienen und so etwa (mit viel Glück) die USA in einen faschistischen Staat umwandeln. Insgesamt fühlt sich der Geheimdienst deutlich runder an als noch in Hearts of Iron 2: Doomsday.

Die Diplomatie funktioniert zum größtenteils wie man es aus anderen Spielen kennt. Wir schließen Bündnisse, erklären Kriege, und so weiter. Deutlich bemerkbar machen aber die neuen Leih- und Pachtabkommen, sowie Produktionslizenzen. So können wir Teile unserer Industriekapazität an andere Länder vorübergehend abgeben oder ihnen den Bau unserer (modernen) Waffen erlauben.
Umgekehrt funktioniert das natürlich auch. Gerade kleinere Länder spielen sich so interessanter, wenn man von seinem großen Verbündeten Hilfe erbitten kann. Leider sind die Produktionslizenzen recht teuer und können so nicht ganz ihrer zugedachten Rolle nachkommen.

Mit dabei sind auch wieder die historischen Ereignisse, die bei fast allen großen Nationen beinhaltet sind. Wichtige Ereignisse wie etwa der Anschluss Österreichs, triggern aber nicht mehr automatisch, sondern müssen nach der Erfüllung einiger Vorbedingungen von Hand ausgelöst werden. Das steigert nochmal den Sandbox-Aspekt und erhöht so den Wiederspielwert. Leider hält sich Paradox genau aus diesen Gründen bei den historischen Ereignissen etwas zurück. Gerade Nationen wie den USA, die eher später in den Krieg einsteigen, hätten ein paar mehr Events nicht geschadet. Hier hätte man etwas mehr tun können.

Anders als in Hearts of Iron 2 wird ein Großteil unserer zivilen Aktionen nicht mehr durch Geld, sondern Führungspunkte abgewickelt. Diese generieren sich durch (besetzte) Regionen, Politiker und einige andere Faktoren. Auch hier gilt es wie in der Produktion abzuwägen wie wir unsere Punkte am besten investieren. Insgesamt funktioniert der zivile Aspekt des Spiels aber sehr gut, ohne überfrachtet zu wirken.


Das Kampfsystem

 

Damit kommen wir dann endlich zum Kampfsystem des Spiels. Und auch das ist ziemlich komplex. Kommandieren tun wir unsere Einheiten erst mal ganz klassisch. Wir wählen sie aus und geben ihnen mit einem Rechtsklick einen Bewegungs- oder Angriffsbefehl. Neben der normalen Bewegung gibt es auch noch die Strategische Verlegung, etwa das Transportieren von Truppen mit der Eisenbahn. Gerade über größere Entfernungen ist dieses System sehr praktisch, auch wenn die Geschwindigkeit bei der Verlegung maßgeblich vom Grad der Infrastruktur abhängt. In zerbombten oder nur dünn besiedelten Regionen kommen Einheiten zu Fuß häufig besser voran. Womit wir schon bei einem wichtigen Faktor wären, dem Gelände. Wie effizient eine Division kämpft, hängt maßgeblich von der Umgebung ab. Panzer kommen zum Beispiel in Sümpfen nur langsam voran, Gebirgsjäger kämpfen im Gebirge effizienter. Auch das Wetter hat Einfluss auf unsere Aktionen. Schnee bremst unseren Vormarsch gewaltig, Stürme behindern den Einsatz von Flugzeugen oder Schiffen. Es ist daher enorm wichtig, dass die richtigen Einheiten auch an der richtigen Stelle stehen und am besten noch zur richtigen Jahreszeit. Die stolzen 15.000 Provinzen des Spiels mögen vielleicht etwas übertrieben an der Zahl erscheinen, erlauben aber deutlich mehr Freiheit bei den Manövern und einen realistischeren Frontverlauf.

Hinzu kommt ein ausgeklügeltes Versorgungs- und Organisationssystem. Neben dem normalen Lebensbalken verfügen unsere Truppen auch über eine Anzeige, die ihre Organisation anzeigt. Abgekämpfte oder frisch platzierte Einheiten ziehen sich daher schnell aus Kämpfen zurück, sodass wir warten sollten bis sie sich ausreichend gesammelt haben. Auch die stetige Versorgung mit Nachschub und Treibstoff ist wichtig. Wird dieser unterbrochen, lösen sich die meisten Divisionen nach wenigen Wochen auf. Man sollte also beachten sich nicht einkesseln zu lassen. Die Versorgungseffizienz hängt dabei wieder mal von der Infrastruktur ab. Ist diese durch irgendwelche Faktoren beeinträchtigt, leidet die Moral der Truppe deutlich.

Die Gefechte sind mal wieder beeindruckend unbeeindruckend

 Die Gefechte sind wieder einmal beeindruckend unbeeindruckend

 

Gut gelungen ist auch das neue Kommandosystem. HQs sind nun keine sündhaft teuren Einheiten mehr, die hinter der Armee her kriechen, sondern Teil einer komplexen Kommandokette, die bis rauf zum Oberkommando reicht. Da jeder Offizier so Einfluss auf die unter ihm stehenden Truppen, bietet sich auch hier zahlreiche taktische Möglichkeiten. Nur schade, dass wir unsere Generäle nun beliebig befördern können und diese dabei keine Erfahrung mehr verlieren.

Die Kämpfe selbst gestalten sich nach wie vor reichlich unspektakulär. Außer einem sich verschiebenden Balken gibt es nicht sonderlich viel zu sehen. Immerhin werden jetzt kleine Zähler direkt auf der Weltkarte angezeigt, was der Übersicht deutlich zu Gute kommt. Leider übertreibt es Hearts of Iron 3 vor allem bei Schiffen und Flugzeugen deutlich mit den Stapelabzügen. Greifen wir mit besonders großen Verbänden an, wird ein Teil davon automatisch in die Reserve verschoben oder erhält Abzüge auf seine Kampfeffizienz. Während das System beim Heer noch recht gut funktioniert, leiden Marine und Luftwaffe deutlich darunter.

 

Ein kleiner Blick auf die sowjetische Kommandokette

Ein kleiner Blick auf die sowjetische Befehlskette

 

Großes Highlight bleiben weiterhin die Landungsunternehmen. Dieser sind außerordentlich aufwendig und erfordern ein geschicktes Zusammenwirken aller Einseitentypen. Vor allem weil sich Küstenabschnitte selbst durch zahlenmäßig unterlegene Gegner einfach verteidigen lassen. Umso befriedigender ist dann der Erfolg.

Abschließend noch ein kurzes Wort zum Multiplayer. Der gestaltet sich gerade mit Freunden sehr spaßig, vor allem weil man hier die historische Realität wunderbar über den Haufen werfen kann. Da die Spielgeschwindigkeit hier in der Regel festgelegt ist, sollte man aber etwas Geduld mitbringen.

Die Technik

 

Trotz seiner komplexen Spielmechanik folgt Hearts of Iron 3 leider der Serientradition aller Paradox-Spiele. Es sieht nicht sonderlich beeindruckend aus. Dabei wäre schlechte Grafik eher der falsche Begriff. Gut, die 3D-Einheiten sehen wirklich nicht pralle aus, der Übersicht wegen sollte man aber sowieso mit NATO-Symbolen (Countern) spielen. Vielmehr sieht das Spiel extrem unspektakulär aus. Die Menüs sind zwar aufgeräumt und übersichtlich und auch die Weltkarte besitzt zahlreiche unterschiedliche Darstellungsmodi. Dafür mangelt es aber auch an sonstigen Effekten. Die Karte ist komplett flach, Bäume oder sonstige Landschaftsmerkmale sind außerhalb der Geländeansicht praktisch nicht erkennbar. Videosequenzen sind ebenfalls nicht vorhanden. Während andere Spiele Handelsrouten zB. durch animierte Schiffe aufzeigen, gibt es hier, wenn überhaupt, nur langweilige Pfeile zu sehen. Zwar wirkt Hearts of Iron 3 so recht übersichtlich, etwas mehr optische Vielfalt hätte dem Spiel aber schon 2009 gut getan. Immerhin sieht es aber auch nicht großartig schlechter aus als vor fünf Jahren. Neulingen sei an dieser Stelle unbedingt der halboffizielle 4 GB-Patch empfohlen um einige unnötige Abstürze zu vermeiden.

Mäßig animierte 3D-Einheiten sind bereits der grafische Höhepunkt

 Mäßig animierte 3D-Einheiten sind leider schon der grafische Höhepunkt

 

Soundtechnisch bietet sich ein ähnliches Bild. Die Musik passt sich zwar der jeweiligen Situation an und wirkt auch stimmungsvoll, großartige Effekte gibt es aber auch hier nicht.

Die KI hinterlässt ein zwiespältiges Bild. Vor allem auf den höheren Schwierigkeitsgeraden zeigt sie sich angenehm aggressiv und sucht Lücken in unserer Verteidigung. So bemerkte Großbritannien bei einer Partie mit Deutschland schnell das unverteidigte Wilhelmshaven und setze dort geschwind einige Divisionen ab, die durch die Royal Navy gedeckt wurden. Anderseits kommt es dann immer wieder zu merkwürdigen Aussetzern, wie ich sie Eingangs geschildert habe. Besonders bei einer ahistorischen Spielweise zeigt sich der Computer häufig überfordert.

Dafür funktioniert die Verwaltungs-KI recht gut. Fast alle großen Bereiche des Spiels, von der Forschung bis zum Militär, kann man komplett der KI überlassen. Die agiert darin überraschend gut, auch wenn man sie lieber vom Diplomatie-Menü fern halten sollte.

Erfreulicherweise ist das Spiel aber wieder sehr gut modbar. Egal, ob neue Einheiten, Texturen oder Ereignisse. Von kompletten Overhauls, etwa im Ersten Weltkrieg oder in der Moderne, bis hin zu kleinen Anpassungen, bietet die Modding-Community so ziemlich alles, was das Herz begehrt.

 

Solche schicken 2D-Bilder gibt es nur mit Mods

Solche schicken 2D-Grafiken gibt es nur mit Mods

 

Warum erzähle ich das alles? Ein Fazit

 

Puh, einen Test zu einem Paradox-Titel zu schreiben ist fast so schwer wie einen zu verstehen. Die große Stärke von Hearts of Iron 3 liegt in seiner Komplexität. Vor allem wirkt das Spiel niemals überladen und ein Großteil der Features greift sinnvoll ineinander. All diese Bereiche erfolgreich unter einen Hut zu bringen macht ungeheuer Spaß und wird auch mit entsprechendem Erfolg belohnt. Ich hätte in diesem Test natürlich auch nur die Neuerungen im Vergleich zu Hearts of Iron 2 unterbringen können. Dann wäre er aber vermutlich nur für Serienkenner interessant gewesen. Um den Reiz von Hearts of Iron 3 rüber zu bringen, muss man einfach ein wenig näher auf die Spielmechanik eingehen. Man könnte noch eine ganze Menge mehr schreiben, etwa über Reserve-Einheiten, Schlachtpläne oder Kriegsziele. Aber das hätte total den Rahmen gesprengt.

Damit kommen wir aber auch zur anderen Seite der Medaille. Das Spiel ist für Einsteiger viel zu schwer. Trotz guter Menüführung, KI-Unterstützung, und diversen Tooltips, werden Neulinge Wochen, wenn nicht sogar Monate brauchen um wirklich alle Aspekte zu verstehen. Niemand sagt, dass ein Titel nicht komplex sein darf. Komplexität heißt aber auch, dass man den Spieler bei der Hand nehmen sollte und ihm die Mechanik am besten am Spiel selbst erklärt. Ständige Verweise auf das Handbuch und unzureichendes Tutorial sind da der falsche Weg. Auch etwas mehr optische Vielfalt hätte Hearts of Iron 3 gut getan.

Wer sich aber darauf einlässt, wird mit einem tollen Strategietitel belohnt, der über Monate zu motivieren weiß. Ich hoffe, dass ich diese Faszination einigermaßen überzeugend darstellen konnte. Sollte sich irgendwo ein inhaltlicher Fehler finden, bitte ich um einen freundlichen Hinweis. Das lässt sich bei einem Paradox-Titel leider nicht ausschließen.

An der Ostfront tut sich hingegen weiterhin nichts. Blöde KI...


Wertung
Pro und Kontra
  • enorm hoher Wiederspielwert
  • Nationen spielen sich deutlich anders
  • Mechaniken greifen gut ineinander
  • nie unfair
  • jede Menge taktische Möglichkeiten
  • stimmungsvolle Musik
  • übersichtliche Menüs
  • für Einsteiger viel zu schwer
  • lediglich zweckmäßige Grafik
  • kaum Soundeffekte
  • gelegentliche KI-Aussetzer

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

zu schwer

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



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