Seite 3: Symbolzensur in Deutschland - Geolock – muss das sein?

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Könnten Geolocks verboten werden?

GameStar: Könnten Geolocks zu Jugendschutzzwecken irgendwann verboten werden?

Sebastian Schwiddessen: Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Einsatz von Geoblocking zu diesem Zweck künftig untersagt wird. Das zeigt auch die Gesetzesinitiative zum Einsatz von Geoblocking im E-Commerce. Diese sieht ausdrücklich vor, dass Geoblocking ausnahmsweise erlaubt bleibt, wenn nationale Gesetze den Einsatz von Geoblocking gebieten. Zu den anerkannten nationalen Gesetzen gehört auch das deutsche Jugendschutzrecht. Es bleibt also weiterhin erlaubt, wenn Anbieter von Blu-rays mit Filmen oder Spielen deutsche Kunden von einem im ausländischen Shop erhältlichen indizierten Titel auf ihr deutsches Portal umleiten, wo es diesen Titel nicht zu kaufen gibt. Bei digitalen audiovisuellen Inhalten bleibt dies sowieso erlaubt, da hierfür die E-Commerce-Initiative nicht gilt. Noch dazu hat die EU Kommission gemeinsam mit der E-Commerce-Initiative auch angekündigt, europaweit den Jugendschutz bei digitalen Inhalten verstärken zu wollen. Geplant ist unter anderem ein Verhaltenskodex für Anbieterwie Youtube. Dies zeigt, dass auch auf EU-Ebene der Jugendschutz eine zunehmend wichtigere Rolle spielt. Deutsche Spieler sollten also nicht damit rechnen, dass sich an der Sperrung von Inhalten aufgrund von Jugendschutzvorschriften durch übergeordnetes EU-Recht künftig etwas ändert.

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GameStar: Paradox und viele andere Unternehmen sitzen im Ausland. Kann den Unternehmen die deutsche Rechtslage nicht egal sein? Andere Unternehmen setzen schließlich auch keine Geolocks ein.

Sebastian Schwiddessen: Das kann man so nicht sagen. Die Rechtsprechung hat bereits sehr früh entschieden, dass auch Ausländer sich nach deutschem Recht strafbar machen, wenn sie von ihrem Heimatland aus über das Internet Inhalte verbreiten, die zwar im Ausland nicht strafbar sind, in Deutschland aber schon. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Anbieter mit dem Abrufen des Angebots von Deutschland aus rechnet oder der Vertrieb nach Deutschland beabsichtigt ist. Sofern sich ausländische Anbieter nicht an deutsche Gesetze halten, müssen diese also im schlimmsten Fall mit einem Strafverfahren rechnen. In der Vergangenheit kam es durchaus schon vor, dass eine Reise nach Deutschland für den Verantwortlichen letztendlich mit einer Verurteilung endete. Sofern ein Unternehmen sich also nicht den wichtigen deutschen Markt verbauen möchte, sollte es tunlichst darauf achten, sich an die nationalen Gesetze zu halten. Das gilt umso mehr, wenn das jeweilige Unternehmen sogar eine Zweigstelle oder ein Tochterunternehmen in Deutschland betreibt. In den Fällen, in denen sich ausländische Unternehmen nicht an die deutschen Gesetze halten, kann natürlich nicht gleich daraus geschlossen werden, dass ihnen der deutsche Markt gleichgültig ist. In den meisten Fällen ist schlichtweg die Gesetzeslage nicht bekannt.

Könnte das Hakenkreuz-Verbot fallen?

GameStar: Wie stehen denn die Chancen, dass sich die Situation für deutsche Spieler noch einmal ändert und Symbol-Anpassungen oder Geolokalisierung aus diesem Grund für den deutschen Markt nicht mehr notwendig sind?

Sebastian Schwiddessen: Rechtlich gesehen stehen die Chancen dafür gar nicht mal schlecht. Wie bereits erwähnt, wird die Einzelfallentscheidung in Sachen Wolfenstein 3D nach heute fast einhelliger Ansicht als zu pauschal und veraltet angesehen. Die Ausgangssituation ist heute zudem eine ganz andere. Es gibt die USK als Kontrollinstanz und Spiele sind von der Rechtsprechung und anderen Institutionen vielfach als Kultur- und Kunstgut anerkannt worden. Entsprechend könnte auch vor Gericht argumentiert werden. Erforderlich ist letztendlich nur eine neue Gerichtsentscheidung, die sich dann idealerweise diesmal auch mit der Kunstfrage als Ausnahme auseinandersetzt und den Fehler der Wolfenstein-3D-Entscheidung korrigiert. Prozessual gibt es durchaus vielversprechende Möglichkeiten, um ein solches Urteil zu erstreiten.

1989 hat LucasArts die Hakenkreuze aus Indiana Jones: Der letzte Kreuzzug entfernt - indem man sie einfach übermalte. 1989 hat LucasArts die Hakenkreuze aus Indiana Jones: Der letzte Kreuzzug entfernt - indem man sie einfach übermalte.

GameStar: Warum hat die Spieleindustrie dann bislang nichts unternommen?

Sebastian Schwiddessen: Das kann unterschiedliche Ursachen haben. Zunächst wissen viele Unternehmen schlichtweg nicht, dass die jetzige Situation nicht in Stein gemeißelt ist und durchaus eine Änderung möglich wäre. Zum Teil wird aber auch befürchtet, dass man für eine neue Entscheidung zunächst einen Strafprozess riskieren muss, den man am Ende eventuell verliert. Dann stünde man als vorbestraft da und hat nichts gewonnen. Zumindest diese Sorge ist aber unzutreffend, da es für eine neue Gerichtsentscheidung gar nicht erforderlich wäre, ein Strafverfahren zu provozieren. Neben der Strafgerichtsbarkeit gibt es auch andere Rechtswege. Ein neues Urteil lässt sich also völlig ohne strafrechtliche Risiken erreichen.

GameStar: Geht es nicht eher darum, dass Firmen einen Imageschaden fürchten, wenn sie ein »Recht auf Hakenkreuze« einklagen?

Sebastian Schwiddessen: Da haben Sie Recht. Auch das ist ein verständlicher Grund, weshalb seitens der Spieleindustrie mit Zurückhaltung agiert wird. Ich halte diese Sorge aber für unbegründet. Letztendlich ginge es in einer solchen Entscheidung in erster Linie gar nicht um verfassungswidrige Kennzeichen, sondern um die Frage der Kunstqualität und Sozialadäquanz von Spielen und damit im Kern um ein anderes und viel wichtigeres Thema. In der Vergangenheit wurden schon ähnliche Urteile erstritten. Das Bundesverfassungsgericht hat etwa die Kunstqualität auf T-Shirts mit Hitlerportraits ausgedehnt, die nur bei sehr genauem Hinsehen als Satire zu erkennen waren. Der BGH hat entschieden, dass auch der Verkauf einer Buchantiquität mit einem verbotenen Kennzeichen sozialadäquat ist. Bei der Frage eines möglichen Imageschadens gilt es auch zu bedenken, dass viele Spieler und damit potenzielle Kunden gut informiert sind und es regelmäßig sogar begrüßen, wenn sich Unternehmen dafür einsetzen, die unbearbeitete Version eines Spiels auf den Markt zu bringen. Gerade beim Thema Geolock zeigt sich zudem, dass Imagerisiken auch anderweitig entstehen können.

Auch in den Classic-Levels von Wolfenstein: The New Order (und hier im Standalone-Addon The Old Blood) wurden alle Hakenkreuze entfernt. Auch in den Classic-Levels von Wolfenstein: The New Order (und hier im Standalone-Addon The Old Blood) wurden alle Hakenkreuze entfernt.

GameStar: Wäre ein solches Gerichtsverfahren nicht zu teuer?

Sebastian Schwiddessen: Das bezweifle ich. Die rein rechtlichen Fragen in einem solchen Verfahren sind letztlich nicht sonderlich kompliziert. Selbst ein durch alle Instanzen gehendes Verfahren dürfte im Vergleich zu den Kosten, die der Spieleindustrie in den letzten Jahren aufgrund der Problematik entstanden sind, verhältnismäßig gering sein. Man denke nur an die Kosten für die häufig sehr aufwändige Anpassung der deutschen Version und damit einhergehende Terminverschiebungen. Viele Kunden reagieren auf Geolocks und angepasste Versionen zudem mit Unmut. Vom Verlust ganzer Auflagen, die zurückgerufen wurden, weil während der Anpassung versehentlich ein paar Symbole übersehen wurden, ganz zu schweigen. Bedenkt man, dass Deutschland einer der wichtigsten Spielemärkte der Welt ist, dürfte der Wegfall dieser Kostenfaktoren die Nachteile bei Weitem überwiegen. Zudem könnten auch ältere, von der Problematik betroffene Kultspiele gegebenenfalls neu veröffentlicht werden und neuen Umsatz generieren. Man denke nur an die Indiana-Jones-Reihe und an neuere, erfolgreiche Spiele mit einem hohen künstlerischen Anspruch, wie etwa South Park oder Wolfenstein: The New Order. Da die gesamte Spieleindustrie in Deutschland betroffen ist bzw. profitieren würde, würde sich auch ein gemeinsames Vorgehen anbieten, um so die Ressourcen zu bündeln. Logistisch dürfte das leicht zu bewältigen sein.

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GameStar: Aber wäre so ein Verfahren nicht zu zeitaufwändig und käme für das jeweilige Spiel zu spät?

Sebastian Schwiddessen: Das kommt auf die Herangehensweise an. Meines Erachtens wäre es sinnvoll, zunächst ein beliebiges älteres Spiel aus den letzten paar Jahren zu nehmen und dieses für eine neue Gerichtsentscheidung zu nutzen. Es muss ja kein brandaktuelles Spiel sein, um die Rechtsfrage entscheiden zu lassen. Bis zum nächsten aktuellen Spiele-Blockbuster wäre die Entscheidung dann vielleicht schon gefallen und die Investition zahlt sich durch Kostenersparnisse und höhere Verkaufszahlen aus. Natürlich kann aber auch jedes aktuelle Spiel genutzt werden. Dann erscheint dieses eben zunächst parallel als angepasste Version und im besten Fall wird die Originalversion später nachgeschoben. Darüber hinaus ist nicht gesagt, dass ein Verfahren zwingend bis zur letzten Instanz geführt werden muss. Es gibt also genügend Möglichkeiten, zeitlich und rechtlich sinnvoll zu agieren.

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