Seite 2: Insurgency im Test - Leistungsballern für Leidensfähige

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Hühnerställe und Teamwork

Umso wichtiger ist also die Frage, ob die Schießereien sich tatsächlich so taktisch spielen, wie es Insurgency in seiner Aufmache behauptet. Und hier führen die fehlenden Komfortelemente, unsere Allergie gegen jede noch so kleine Schusswunde und schwache Deckungsmöglichkeiten, die der Gegner mühelos durchlöchern kann (Stichwort Sperrholz), zu zwei zentralen Spielelementen, mit denen wir uns tunlichst vertraut machen sollten: behutsames Vorgehen und koordiniertes Teamwork.

Wir sollen beispielsweise in einem Ministeriumsgebäude Kontrollpunkte erobern und müssen dabei entscheiden, ob wir durch das Parkdeck, die Büroetage oder das Besucherfoyer vorrücken. Dabei haben wir natürlich keine Ahnung, welchen Weg die Gegner wählen - wir müssen nicht nur in der entsprechenden Etage mit plötzlichem Widerstand rechnen, es könnte auch über die Treppenhäuser jederzeit ein Rebell in unsere Seite springen.

Taktisches Vorgehen: Chaotisch Auf offener Straße sind wir alleine so geliefert wie dieser unvorsichtige Zeitgenosse.

Koordiniert Viel besser klappt's mit einem koordinierten Rauchvorhang - unsere Kollegen rücken ungesehen vor, wir geben Deckung.

Wer also einfach losrennt, landet in der Regel mit zwei Löchern im Hinterkopf auf der Nase. Viel besser klappt's, wenn wir um Ecken schauen und - noch wichtiger - unsere Team-Kollegen anweisen, die Eingänge zu sichern. Insurgency zeigt eindrucksvoll, welchen Unterschied ein funktionierendes Team im Gegensatz zu einem chaotischen Hühnerhaufen machen kann.

Im besten Fall heißt das: Wir nutzen den eingebauten Voice-Chat oder die Kurzbefehle à la »Wir brauchen Deckung« oder »Bereich gesichert« und arbeiten gemeinsam Räume und Flure ab, um am Ende mit voller Mannschaft den Kontrollpunkt für uns zu gewinnen.

Im schlimmsten Fall sieht's aber leider so aus, dass niemand die Chat-Features nutzt, der Trupp sich 20 Meter vom Startpunkt zerstreut und wir in den Hallen und Fluren ein paar Sekunden später das Ableben unserer Kameraden vernehmen können. Derzeit ist es noch Glückssache, ob man auf einem guten Server landet oder eben im Hühnerstall - am besten heuert man vorab ein paar Freunde an oder organisiert sich im Clan. Wie früher eben.

Rauer Realismus

Die größte Stärke von Insurgency sind tatsächlich die intensiven Gefechte: Wenn unsere Kollegen uns mit Sperrfeuer decken, während wir behutsam um den Feind herumschleichen, dann kitzelt das schon ordentlich die Nerven. Wir können keine Anzeigen checken, sondern verlassen uns auf unser Gehör.

Die Granate fegt den Aufständischen zwar quer über die Karte, dafür weiß aber jeder Spieler in zwei Kilometer Entfernung, wo wir sind. Die Granate fegt den Aufständischen zwar quer über die Karte, dafür weiß aber jeder Spieler in zwei Kilometer Entfernung, wo wir sind.

Denn wer schießt, verrät seine Position (dank der räumlichen Sound-Effekte kann man das ganz gut orten) - wenn der Gegner das clever einsetzt, kann er uns geschickt an der Nase herumführen. Haben wir den letzten Scharfschützen jetzt erwischt oder lauert er schweigend auf uns? Geben wir unseren Kollegen Bescheid, dass die Zone gesäubert ist und riskieren, sie in den sicheren Tod zu schicken? Solche Entscheidungen und die daraus entstehenden Situationen schaffen eine dichte Gefechtsatmosphäre, die uns über das schwache Technik-Gerüst hinwegtröstet.

Diese Wassereffekte...

Denn »alte Schule« ist nicht automatisch was Gutes. In optischer Hinsicht ist Insurgency derart von vorgestern, dass selbst Half Life 2 mit der Source-Engine schon hübschere Sachen angestellt hat.

Zum Glück gibt's kaum Flüsse. Zum Glück gibt's kaum Flüsse.

Textur-Brei, Klonsoldaten und - positiv ausgedrückt - minimalistische Wassereffekte massieren nicht gerade den Sehnerv. Klar, Insurgency ist ein Indie-Projekt und klar, früher war es nur eine Mod, aber gerade in der Source-Modding-Szene gibt's reihenweise schönere Beispiele für die betagte Engine. Und das kostenlos. Hinzu kommen gelegentliche Abstürze und Ruckler - Insurgency funktioniert im Schnitt aber weitgehend fehlerfrei und die Entwickler patchen in regelmäßigen Abständen Bugs und Balance-Schnitzer aus der Welt.

Taktik-Schach für Puristen

Den Kontrollpunkt auf offenem Feld zu verteidigen, ist ohne Team-Kollegen kaum zu schaffen. Den Kontrollpunkt auf offenem Feld zu verteidigen, ist ohne Team-Kollegen kaum zu schaffen.

Trotz der technischen Mängel wollen wir mal nicht so sein: Einen Multiplayer-Shooter anhand der Grafik abzustrafen, ist in etwa so, als würde man Schach doof finden, weil die Figuren öde aussehen und schwarz-weiß von vorgestern ist.

Denn wer taktische Gefechte spannend findet, frustresistent an den Start geht und sich auch ohne Erfahrungspunkte motiviert fühlt, der kann Insurgency trotz der Macken guten Gewissens eine Chance geben. Zwar bietet das Spiel als Multiplayer-Shooter weder im Bereich Teamwork noch in seiner Spielmechanik genug Neuerungen, um sich zur alleinigen Offenbarung für Taktik-Fans aufzuschwingen, aber gerade für Spieler, die in Counter Strike manchmal über die Hektik fluchen und den Realismus-Anspruch in Red Orchestra zu dominant finden, könnte das Indie-Projekt eine echte Alternative sein.

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