Einschätzung zu Rassismus etc. in Kingdom Come

Kingdome Come: Deliverance ist ein Open-World Rollenspiel im Böhmen des 15. Jahrhunderts. Einen allgemeinen Testbericht zu den Rollenspiel-Features findet...

von Philipp Baum am: 15.02.2018

Kingdome Come: Deliverance ist ein Open-World Rollenspiel im Böhmen des 15. Jahrhunderts. Einen allgemeinen Testbericht zu den Rollenspiel-Features findet ihr hier auf Gamestar.de (http://www.gamestar.de/artikel/kingdom-come-deliverance-das-tschechische-gothic,3325978.html) oder in anderen Spielemagazinen.

Ich habe bisher insgesamt 24 Stunden im Spiel verbracht und finde KCD insgesamt ein gelungenes Spiel. Gerade die "langweiligen" eher storyorientierten Quest und der Realismus der Kämpfe gefällt mir sehr. Ich möchte mich in diesem Testbericht auf den Aspekt von Rassismus und Diskriminierung innerhalb des Spiels beschränken, da es dazu schon eine große Debatte gab, die in Tests jetzt oft nur noch am Rande erwähnt wird.

Games& Politik
Ich finde es eine sehr gute Entwicklung, dass politische Debatte innerhalb der Gaming-Community eine immer größere Rolle spielen, weil einfach sehr sehr viele Menschen und Rassismus und Diskriminierung leiden und ich finde, dass das geändert werden muss. Ich wünsche mir, dass Spiele bestehende Fremdenfeindlichkeit und Unterdrückung nicht verstärken, sondern ihren Teil zu einem guten Leben für alle beitragen. Allerdings sind sie in ersten Linie Entertainment-Produkte und ich habe nicht den Anspruch, dass jedes Spiel politische Aufklärungsarbeit leistet. Wenn Spiele jedoch gesellschaftliche Debatte aufgreifen, wünsche ich mir, dass sich die Entwickler*innen Gedanken machen und uns ein differenziertes Bild bieten.

Fremdenfeindlichkeit in KCD
Kindom Come: Deliverance hat den Anspruch, das Böhmen des 15. Jahrhunderts "authentisch" darzustellen. Das es diesem großen Anspruch nicht in allen Punkten gerecht werden kann ist die eine Sache, darüber hinaus erzeugt dieser Anspruch aber Vorstellung bei alle Spielenden, wie das Mittelalter "in echt" war.

Das ist deswegen problematisch, weil im Spiel eine Invasionsarmee vorkommt, die von den tschechischen Böhmen "Kumanen" genannt wird. Diese werden als grausame, eindimensionale Monster ohne Gewissen dargestellt. Wenn wir die Bewohner*innen der Stadt Rattay zu ihnen befragen hören wir, dass sie angeblich "Leute bei lebendigem Leiben häuten" würden und "die Grausamkeit lieben". In meinen bisher 24 Stunden Spielzeit bin ich keinem "Kumanen" begegnet, mit dem ich reden konnte, nur solchen mit Schwert oder Axt in der Hand, wenn sie mich auf dem Weg überfallen.

Diese Menschen nannten sich selbst Kiptschak und wurden von den Mongolen aus der Türkei vertrieben, siedelten sich in Ungarn an und wurden mit der Zeit Teil des ungarischen Königreichs.

Gruppenbezogene Vorurteile werden im Spiel auch im Bezug auf die innerhalb Böhmens vertriebenen Geflüchteten aus Skalitz thematisiert. Diese fliehen nach Rattay, wo uns die Bewohner*innen sagen: "Ich wünschte dieses Geschmeiß wäre weg. Ich weiß, dass sie Pech hatten, doch sie tun nichts außer stehlen und Ärger machen". Auch dies ist möglicherweise realistisch, doch auch hier können wir kaum mit den Skalitzer*innen (unsere ehemaligen Nachbar*innen!) ins Gespräch kommen und andere Blickwinkel auf ihre Position bekommen. Es gibt meines Wissens nach auch nur eine Situation, wo wir vermitteln können zwischen einer Bettlerin aus Skalitz und einen Ladenbesitzer in Rattay. Sonst können wir uns maximal mit ihnen prügeln.

Keine Diskussion
Was meiner Meinung nach in all diesen Situationen zu kurz kommt, dass wir nicht nur die Vorurteile hören, sondern uns mit den Menschen selbst auseinandersetzen können oder schwierige moralische Entscheidungen treffen und Konflikte lösen können.

Einerseits mag die Wahrnehmung der Kiptschak für die tschechische Bevölkerung vollkommen verständlich sein, da sie ja als Teil einer Invasionsarmee kamen. Andererseits ist diese eindimensionale Wahrnehmung von Menschengruppe und ihre Stilisierung zu Monstern ohne Gefühle die Keimzelle von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Ich hätte mir gewünscht, dass sie komplexer dargestellt werden, dass gezeigt wird wie alle Armee Kriegsverbrechen begehen und diese nicht nur "die Bösen aus dem Osten" begehen. Vielleicht kommt das auch noch im Verlauf der Kampagne, ich schätze, dass ich erst ca. 30% des Spiels gesehen habe.

Wenn die Rattayer meine Skalitzer Bekannten und Freund*innen als "Geschmeiß" bezeichnen, würde ich gerne diskutieren können. Ich möchte erklären können, dass unter ihnen viele gute Leute sind, sie aber einfach ihren Berufen nicht mehr nachgehen können, weil ihre Werkstätten und Höfe verbrannt sind. Vielleicht verhindert sogar das Zunftrecht oder ähnliches, dass sie in Rattay arbeiten. Ich würde gerne mit den ehemaligen Skalitzern über ihre Situation und die Flucht reden können. Ich möchte meine Beziehungen zu den Adeligen nutzen, um mit für bessere Lebensbedingungen für sie einzusetzen.

Ich finde, dass das aus Heinrichs Perspektive total logisch wäre. Stattdessen ist er ein ziemlich empathieloser Klotz, der nur die Rache, nicht aber das Schicksal der Überlebenden im Kopf hat. Da möchte ich mich zumindest entscheiden können, wie ich Prioritäten setze.

Eindimensionale Persönlichkeiten
Vielschichtigkeit der Charaktere ist insgesamt nicht gerade eine Stärke von Kingdom Come: Deliverance und deshalb vermute ich hinter dieser Darstellung keine schlechte Absicht, "psychologischer" Realismus ist wahrscheinlich einfach keine Stärke der Warhorse Studios.

Die meisten Charaktere lassen sich mit wenigen Adjektiven beschreiben und ihre Entscheidungen, zb. zu welchen König sie loyal sind und was sie tun scheint einfach und ohne große innere Konflikte abzulaufen. Zumindest erfahren wir diese nicht.

Natürlich sind viele Rollenspiele psychologisch und auf gesellschaftliche Konflikte bezogen nicht sehr komplex, hier wäre jedoch deutlich mehr möglich gewesen. Dafür müssten sich allerdings die Entwickler*innen vermutlich mit der Komplexität von gesellschaftlichen Debatten beschäftigen und simples Gut/Böse-Denken hinter sich lassen. Gerade in einer Zeit wie unserer, wo Rassismus und Rechte Parteien wieder einen Aufschwung erfahren, ist das vielleicht sehr utopisch aber trotzdem nicht weniger notwendig.

Mein Fazit
Wenn ein Spiel Fremdenfeindlichkeit wie die Bezeichnung von Geflüchteten als "Geschmeiß" beinhaltet, sollte es das auch diskutierbar machen und den Spielenden ermöglichen, darauf zu antworten und verschiedene Perspektiven zu hören.

Ich würde mich sehr über Mods oder DLC's freuen, die die Kumanen oder die Geflüchteten (und alle anderen Charaktere) komplexer darstellen. Sie könnten Dialogoptionen schaffen, wie ich auf fremdenfeindliche Sprüche reagieren kann und Dialoge und Interaktione mit Geflüchteten oder Kumanen hinzufügen.

 

Ps: Ich freue mich über Diskussion, lerne gerne dazu und lese gerne andere Sichtweisen. Aber bitte pöbelt nicht nur rum! Frei nach Heinrichs Vater: "Wenn du jemanden überzeugen willst, dann nur mit Argumenten, nicht mit Beleidigungen"


Wertung
Pro und Kontra
  • Thematisierung von Fremdenfeindlichkeit
  • eindimensionale Charaktere
  • einseitige Darstellung von gesellschaftlichen Konflikten
  • keine in-Game Diskussion über Fremdenfeindlichkeit möglich

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(2)
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