Schwarz wie die Nacht

Im Gegensatz zur Redaktion habe ich ja den Vorteil, das Spiel nach meinen eigenen Kriterien zu bewerten. Insofern wäre es auch kein Problem, LA-Noire eher...

von Sagehorn am: 23.03.2013

Im Gegensatz zur Redaktion habe ich ja den Vorteil, das Spiel nach meinen eigenen Kriterien zu bewerten. Insofern wäre es auch kein Problem, LA-Noire eher mit guten Filme zu vergleichen, als etwa mit Battlefield 3. (Computer-) Spiele werden eben immer Variabler. Viele Konsumenten suchen eher das Erlebnis, als den leistungsorientierten Kick.

Im Gegensatz zur Redaktion habe ich auch nicht die achtjährige Vorlaufzeit mitbekommen, in der das Spiel (wie soviele zuvor) mit dem Tag des Realease abgestürzt ist (...hier im übertragenem Sinne). Insofern kann auch in keinem Fall von einer Enttäuschung die Rede sein. Das einzige was man mitbekommen hat, waren die Zerwürfnisse im Team Bondi auf Grund schlechter Teammoral und extremer Crunchingphasen.

Wie dem auch sei. Es geht um LA Noire und Ich muss sagen, es gab für mich in letzter Zeit wenige Spiele, auf die ich mich derart gefreut habe, sie abends weiterzuspielen. Ich bin niemand, der besonders hysterisch auf dieses oder jenes reagiert, insofern bleibt die Analsyse einigermaßen trocken. :)

Zur Grafik wurde im Test das wichtigste gesagt, und die Redaktion ist bei der Faktenbewertung natürlich recht professionell. Klar ist es traurig, dass immer mehr Spiele von der Konsole auf den PC umgewandelt werden als umgekehrt. (Wohl auch einer der Gründe, warum der Absatz bei PC-Zubehör so eingebrochen ist.) Konsolen sind eben beliebter und da muss der Hersteller schon dran denken. Das soll aber keine Ausrede sein. Nichtsdestotrotz, und das steht für mich im Vordergrund, hat die Grafik den Spielspaß nie eingeschränkt. Man mag das als kleinlaut bezeichnen, ich seh es als Prioritätensetzung ;)

Der Sound ist absolut stimmig gewesen und es wurde, wenn man so will, kein akkustisches Klischee außen vor gelassen (was man ja auch erwartet). Blues, Jazz, Bebop etc: Musikalisch gesehen war alles dabei. Soweit ich weiß wurden sogar original Radioaufzeichnungen verwendet. Zu den Stimmen bzw. Dialogen kann man eigentlich auch nichts Negatives sagen. Keiner von den hunderten Sprechern hat einen schlechten Eindruck bei mir hinterlassen. Auch die raumspezifische Akkustik (Tunnel etc.) sowie die sonstigen Sounds (Waffen, Fahrzeuge) waren makellos.

Balance: Insgesamt recht ausgeglichen, manchmal kam ich mir jedoch ein wenig unvorbereitet vor, wenn es plötzlich zur Sache ging. Ist natürlich relativ undramatisch, da sich alles Wiederholen lässt. Dennoch kam ich mir da manchmal etwas dumm vor. (Der Lern-Unterschied zwischen SP-Spielen wie LA Noire und MP-Shootern ist natürlich, dass man bei ersteren am Schluss alles kann, während letztere dann erst wirklich losgehen.) Manche Dinge hab ich auch einfach gar nicht mitbekommen, z.B. dass man automatisch zum nächsten Ort "gebeamt" werden kann. Vielleicht wollte ich es aber auch einfach nicht wissen.. Ansonsten war der Schwierigkeitsgrad alles andere als knallhart und soweit ich weiß konnte man da auch nicht besonders viel dran ändern. Gestört hats mich nicht.

Atmosphäre: Was soll ich sagen, dafür habe ich mir das Spiel angeschafft. Ich bin ein großer Film-Noir Fan und liebe das (zum Teil a posteriori-) Lebensgefühl dieser Ära. Es gab selten momente, in denen ich nicht das Gefühl hatte, ein Teil des Ganzen zu sein. Auch die Stereotypen der Zeit waren alle Vorhanden, vom korrupten Cop bis zum entwurzelten Kriegshelden. Allein diese Gegenüberstellung vom morbiden Stadtleben und dem Krieg in Japan war großartig. Klar, vor allem die Sounduntermalung hat ihren Teil dazu beigetragen. Spätestens durch die verruchte Jazzmusik ist das gesamte Set in Nebelschwaden aufgegaben.

Bedienung: Jaja, die Bedienung. Ich bin ja eigentlich ein glühender Verfechter der First-Person, da ich alles andere für "unrealistisch" halte.. allerdings hat sie auch ihre Nachteile. Meine Erfahrung ist es, dass third person am besten für Stories geeignet ist. Ein Grund dafür ist wohl, dass man weniger Kontrolle über das Spielgeschehen besitzt (Perspektive) und besser "geführt"(beschissen ;)) werden kann. Ausserdem kennt man die dritte Perspektive ja auch ausreichend aus der Literatur. ;) Ich komm auf das Thema auch eigentlich nur, weil die Perspektive für Entwickler um einiges anspruchsvoller ist: Wohin mit der Kamera? Was macht man mit der Steuerung, wenn die Kamera sich dreht? Wie schaffe ich die beste Perspektive in Kontext von bester Spielbarkeit? Was das betrifft, braucht man sich keine Illusionen machen. Es ist unmöglich eine perfekte 3rd Person zu entwickeln, die in jeder Situation 100% zuverlässig ist. Und so kommt es bei LA Noire schonmal vor, dass man in einem Feuergefecht den Gegner nicht ins Visier bekommt, weil irgendwas dazwischen gerät usw. Aus den eben genannten Gründen sollte man da aber etwas zurückhaltend sein. Auch die Tatorte wurden von den GS-Redakteuren teilweise kritisiert. Da kann ich nur ganz polemisch sagen: Macht es besser. ;) Das Konzept von Open-World und Itemsuche widerspricht sich ab einem gewissen Detailgrad. Nicht ohne Grund hat man deshalb diese (relativ gut in die Atmosphäre integrierten) Signale eingebaut. Hardcore-Sammler, so ist hinzuzufügen, können dieses Geräusch ja übrigens auch abstellen. Ich hatte diese Option erst während des Spiels entdeckt und sie dann nicht mehr aktiviert. Allerdings nehme ich an, dass hier noch am ehesten ein höherer Schwierigkeitsgrad zu erkennen ist. Immerhin gibt es nur zwei wirklich relevante Elemente für Erfolg: Beweise und Verhöre. Und selbst für die Verhöre braucht man Beweise. Insgesamt glaube ich nicht, dass man bei 3rd Person eine viel bessere Tatort-Steuerung ermöglichen kann. Kritisch anmerken ist höchstens, dass die Steuerung in bestimmten Einzelsituationen Aussetzer hatte. Mein Hauptproblem war, dass der Spieler, wenn er direkt in eine Wand gelaufen ist, nicht mehr umdrehen konnte, weil er sich irgendwie verfangen hatte.

Zum Umfang brauch ich eigentlich nicht mehr viel sagen, da das meiste schon bei Atmosphäre erwähnt wurde. Positiv herausstellen kann man vor allem noch die vielen "liebevoll" gestalteten Objekte, ob es jetzt Gebäude, Autos oder sonstiges Ambiente war. Besonders die Autos haben es mir angetan. Das Physikmodell war ziemlich überzeugend und die unterschiedlichen Eigenschaften haben Lust auf GTAs gemacht. :P Was ich etwas schade fand, war die Tatsache, dass man die "geklauten" Autos lediglich angucken kann (oder was?). Richtig cool gewesen wäre es, wenn man die Autos quasi zum Standardvehikel hätte deklarieren können.  Was mir vielleicht ein wenig zu kurz kam, war die Waffenauswahl. Auch die Tatsache, dass ich, mit einer Ausnahme, immer die selbe Standardwaffe hatte, war mir als Waffennarr etwas zu wenig. ;) Anderen Waffen lediglich durch den Gegner zu bekommen ist eher merkwürdig und unorthodox. Allerdings sollte insgesamt doch betont werden, dass das Spiel (bei mir) weitaus länger dauerte, als etwa Fallout3 NV. Muss insgesamt 'ne ganz schöne Arbeit gewesen sein. ;)

Leveldesign: Was soll man da sagen? Eigentlich ist daran vieles zu loben und wenig zu kritisieren. Die Kurzeinsätze haben mir gut gefallen, auch die Idee, dass man je nach Situation (und Position) entscheiden kann, ob man sie annimmt. Die Unberechenbarkeiten der Handlungen sind eine der großen Stärken des Spieles. Man weiß nie genau, wen man gerade vor sich hat. Klar möglicherweise gab es die ein oder andere Flucht zuviel, aber wer weiß das schon so genau? ;) Die Redaktion schreibt, dass es zu wenig Rätsel gab. Was genau ist damit gemeint? Irgendwelches Zusammensetzen von Gegenständen oder Entschlüsselungen? Naja, das war eigentlich ganz okay. Ansonsten wäre die Balance wieder flöten gegangen. Wie häufig hat Humphrey Bogart irgendwelche Tüfteleien durchgespielt? :P Okay, um wieder sachlich zu werden, hier ein kleiner Kritikpunkt, der das Openworld-Gefühl etwas verringert hat: Die Cuts. Ich bin mir nicht sicher, ob die technisch notwendig sind, ich vermute es aber nicht unbedingt. Wenns nach mir ginge, müssten die Kurzeinsätze nicht mit einer Sequenz enden. Ein Hauptgrund dafür ist sicher, dass es sich hierbei um Episoden handeln soll, die man ja auch später nochmal starten darf. Ein anderer nerviger Cut verläuft immer bei Ankunft am Zielort. Das hätte man ruhig lassen können. Vor allem weil in der Sequenz auch ständig das "Original"-Auto verwendet wurde. Es wäre doch auch viel atmosphärischer, wenn man selbst den Wagen parkt und dann ins Gebäude geht. Eine weitere Sache, die mich mehr oder weniger irritiert hat, war, dass man in der Stadt tun oder lassen konnte, was man will. Andere Wagen zu Schrott fahren, Menschen überrollen, Autos klauen.. Okay, es wurde am Ende pekuniär sanktioniert, aber das halte ich doch für ein wenig unverhältnismäßig ;) Ich kann nur sagen, dass ich wie ein Wahnsinniger durch die Stadt gerast bin und im Grunde in jeder Kurve die Handbremse verwendet hab. Naja, hat auch Spaß gemacht. ;) Ein weiteres Highlight waren natürlich die Verhöre, die ich aus technischer Perspektive für revolutionär halte. Allein deshalb muss das Spiel mit Preisen überschüttet werden (..auch wenn die Technologien und die Konzepte sicher schon vorher vorhanden waren). Aber, dass Spiele sich mit Themen wie Mikroexpressionen und Verhaltenspsychologie auseinander setzen, beweist einmal mehr, dass die Kloppies aus der Programmierabteilung mit der Spielgestaltung nichts mehr zutun haben. ;) Ich denke auch, dass das Feature eigentlich zu krass für die Spielewelt ist, da man eigentlich ein Grundstudium in Psychologie benötigte.. Aber zum Glück gibts ja auch Beweise. ;)

Zur KI braucht man eigentlich nicht sonderlich viel sagen. Die Zivilisten waren recht souverän, das Fußvolk vielleicht etwas zu schreckhaft. Aber ich seh das natürlich aus meiner Perspektive. ;) Die Autofahrer haben einen sehr guten Eindruck hinterlassen. Insgesamt eine recht gutes Verkehrssystem. Die Gegner und meine Mitspieler waren auch angemessen. Keine Totalausfälle oder ähnliches. Alles einigermaßen Filmreif. Allerdings, und da muss man sich nichts vormachen, sind die meisten Szenen auch größtenteils geskriptet. Wieso auch nicht?

Handlung: Das eigentliche Kernstück dieses Spiels. Insgesamt um einiges aufwändiger als ein durchschnittlicher Hollywoodstreifen. Eine Tatsache, die bis heute immer wieder vergessen wird. Es zeigte sich schnell, dass an den Drehbüchern absolute Profis beteiligt waren. Sowohl der Plot, als auch  Dramaturgie, Charaktere sowie der Anspruch insgesamt waren auf einem extrem hohen Niveau. Schon allein deshalb gebührt dem Spiel höchste Anerkennung. Es gibt sehr viele Spiele, bei denen Zwischensequenzen als reine Makulatur oder Trinkpause zwischen dem Geballer betrachtet werden. Bei LA Noire: Das Komplette Gegenteil. Man hat es im wahrsten Sinne mit Charakteren zutun, die in der gesamten Spielbreite enorm facettenreich aufgestellt sind. Was mir allerdings am meisten Freude bereitet hat, und das ist auch eigentlich der wahre Charme, war der subtile Humor in fast jeder Situation. Ich musste tatsächlich ziemlich häufig laut lachen, etwa so wie bei Hitchcock-Filmen. Selbst an Tatorten mit übelst zugerichteten Menschen war immer diese Prise schwarzer Humor zugegen. Klar ist der auch notwendig, damit die Charaktere nicht ihren Verstand verlieren. Aber es sind dann doch auch immer wieder Situationen, welche von einer Absurdität leben, die nur als Betrachter verständlich ist. Allein die Diskreditierung von Phelps nach dem Komplott gegen ihn wird spätetens dann schreiend komisch, wenn sein "neuer" Kollege Herschel zugibt, seit zwei Jahren keine Nachbarn mehr befragt zu haben. Großartig. ;) Ausserdem spielt natürlich die deutsche Elsa - die zwar keine Femme Fatal ist - eine Hauptrolle. Sowas kommt immer gut an. ;)

Insgesamt war das Spiel für mich ein Erlebnis, dass ich in keiner Sekunde bereut oder bezweifelt habe. (Okay, abgesehen von dem Zeitpunkt, als es vorbei war..) Videospiele werden immer vielschichtiger und variabler, so sollten sie auch behandelt werden. Wenn ich LA Noire beispielsweise mit Metro2033 vergleiche, könnte ich nicht sagen, wieso letzteres 4% mehr bekommen sollte. Gemessen an den Innovationen ist LA Noire ein Meilenstein, und deswegen erlaube ich mir eine etwas höhere Punktzahl.


Wertung
Pro und Kontra
  • Atmosphäre
  • Handlung
  • Verhöre
  • Umfang
  • Selten Steuerung

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(3)
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