Im Dunkeln ist gut Munkeln

Wenn ich in meiner Kindheit Blödsinn angestellt hatte, dann bekam ich entweder eine ordentliche Standpauke oder wurde auf´s Zimmer geschickt. Das ist...

von TheVG am: 13.02.2013

Wenn ich in meiner Kindheit Blödsinn angestellt hatte, dann bekam ich entweder eine ordentliche Standpauke oder wurde auf´s Zimmer geschickt. Das ist zwar ärgerlich und man heult sich vielleicht die Ohren aus, aber sonst passierte auch nicht viel mehr und die Angelegenheit war schnell vergessen. Ich möchte deswegen niemals in die Situation geraten, die sich in „Legend of Grimrock“ darbietet. Wer sich hier etwas zu Schulden hat kommen lassen, wird erst mal eingekerkert und dann je nach Schwere der Schuld gar in ein Verlies geschmissen.

So auch unsere kleine Party, mit der wir in diesem Dungeon Crawler-Spiel unterwegs sein werden. Moment! Dungeon Crawler?? Hat jemand den Flux-Kompensator ausgepackt und uns versehentlich in die 80er katapultiert?

 

Der Weg zurück

Ich muss zugeben, dass mir dieses Genre damals nicht geschmeckt hatte. Es war meist ein bisschen lahmatmig, sich via Aktionsbuttonklickerei durch dunkle Gänge zu stottern und die Kämpfe durch die undynamische Schaltflächenbedienung zu bestreiten. Naja, früher war das halt so, und Zeiger-basierte Spiele wie Maniac Mansion waren ja auch nicht anders zu lösen, bis der Amiga mal das Prinzip der Mausbedienung verbesserte. Rein prinzipiell waren diese Spiele aber dem Fantasysetting überlassen, und der Rollenspielpart tat sein Übriges, eher eine eigene Fanbasis anzusprechen – der ich nicht angehörte.

Nun brach der Frühling im Jahre 2012 herein, und „Legend of Grimrock“ wurde veröffentlicht. Als fleißiger Testleser war ich natürlich erstaunt darüber, was die Indie-Szene denn so zutage trug, und die Idee, das Dungeon Crawler-Spielprinzip wieder zu erwecken, ließ meine Ohren schließlich doch klingeln. Da liest man von guter Steuerung, einprägsames Gameplay sowie unkomplizierte Inventarverwaltung – ok, so weit, so innovativ. Jetzt habe ich das Spiel lange in meiner To-do-Liste gehabt und mich endlich dazu entschieden, 15 € hinzublättern.

 

Tief unten

Also lasse ich mich mit den Gefährten in´s Verlies werfen und suche angestrengt den Ausgang. Nun ist das Dungeon gerade mal 10 Ebenen tief und nicht allzu verschachtelt aufgebaut, was aber nicht heißt, dass die Spielzeit ein anspruchsloses Unterfangen sein würde. Man bewegt sich in Echtzeit, aber nicht Shooter-typisch, das heißt in diesem Fall, dass wir „tile-based“, also quadrat- oder feldweise, unterwegs sind. Ein Druck auf die Richtungstaste bewirkt, dass wir uns ein Feld weiter bewegen. Drehen funktionieren ebenfalls über die Tastatur, was anfangs recht gewöhnungsbedürftig ist und z.B. in Kämpfen verwöhnte Maus/Tastatur-Spieler etwas Übung abverlangt. Trotzdem ist „Legend of Grimrock“ besser spielbar als noch seine früheren Vorbilder. Das Suchen der Schaltflächen ist hiermit ad acta gelegt, und nach erster Eingewöhnung ist man schnell etwas flotter unterwegs.

Nun ist der typische Dungeon Crawler kein Labyrinth ohne Hindernisse, und auch hier gibt es eine Menge zu tun, um den finalen Ausgang zu finden. Die düsteren Gänge sind mit etlichen Gegnern gesäumt, und auch die Rätseldichte kann sich sehen lassen. Zu ersterem lässt sich sagen, dass man alles rausgekramt hat, was das Fantasysetting so hergibt. Neben Riesenschnecken oder giftigen Spinnen hat man es auch mit ganz anderem Kaliber wie monströsen Trollen oder neongrünen Schleimbatzen zu tun. Die hat man auch nicht mal locker mit zwei bis drei Angriffen erledigt. Spinnen zehren regelmäßig durch ihre Giftangriffe an der Gesundheit unserer Mitstreiter, Trolle kloppen uns mal locker die halbe Gesundheit weg. Wie Ihr seht, ist „Legend of Grimrock“ richtig starker Tobak, der nur mit Timing, Übersicht und etwas Glück zu bewältigen ist.

Nicht nur die Gegner sind da eine harte Nuss, sondern auch die zahlreichen Rätsel. Durch die räumlichen steuerungstechnischen Einschränkungen werden so manche Kopfnüsse zu einem anstrengenden Unterfangen. Nach dem Trial-and-Error-Prinzip sind diese Rätsel aber nicht unlösbar. Erstens wird man zum Glück nur selten von Gegnern überrascht, und zweitens gar behutsam an den Anfang des Rätsels verfrachtet, wenn etwas schiefginge. So muss man sich beispielsweise in einem Portalrätsel richtig drehen, die richtige Position finden, um einer Druckplatte im Boden ein Messer hinzuwerfen. Dadurch schließt sich eine Falltür, über die man schließlich einen neuen Abschnitt der Ebene erreicht. Der Kniff dabei: Einfach ist das nicht, denn hier gibt es Teleportationsfelder, die ständig in Bewegung sind und uns an den Anfang des Rätsels zurückbringen, sollten wir da rein geraten. Das Rätseldesign ist jedenfalls sehr einfallsreich und in seiner Anzahl nicht von schlechten Eltern. Da soll mal einer sagen, Tomb Raider hätte viele solcher Aufgaben zu bieten...

 

Schwer beladen

Nicht nur schnetzeln und rätseln stehen in „Legend of Grimrock“ auf dem Programm, sondern auch die Inventarverwaltung. Wichtig dabei zu beachten: Man sollte den Partymitgliedern das ins Gepäck stecken, was sie auch brauchen können. Pflanzen und Flaschen gehören nur gefüllt in das Inventar der Kämpfer, ansonsten sollte der Magier seine Alchemiefähigkeiten nutzen, um Heil- oder Entgiftungstränke herzustellen. Die Dungeons sind so aufgebaut, dass man in vielen Ecken Einsteckbares bergen kann. Da sollte man sich überlegen, wem man was zuordnet, damit die Übersicht nicht flöten geht. Dabei ist das Inventar auch schnell voll, auch wenn wir 4 mal 21 Plätze dafür parat haben.

Die Anordnung der Party bleibt stets starr, so dass man den beiden vorderen die Nahkampfwaffen in die Hand drücken sollte und der Diebin Messer oder Wurfsterne. Da ist noch nichts besonderes auszumachen, aber durch das Prinzip der Mausklickerei ist gerade der Magier eine Ausnahme. Apropos in die Hand drücken: Man tut dies regelrecht, um seine Schwerter, Bomben oder Schilde überhaupt zu benutzen. Am rechten unteren Bildschirmrand sind die Partymitglieder aufgezeigt, dazu gibt es ein Fenster mit zwei Händen, denen man per Drag&Drop die Waffen in die Griffel gibt. Ein Rechtsklick führt indes einen Angriff aus. Einzig beim Magier wird das etwas komplizierter, denn der braucht eine freie Hand und zaubert auch erst, wenn man ein Runenfenster richtig anklickt und sozusagen den Abschuss bestätigt. Das kennt man schon aus „Dungeon Master“ und ist sicherlich nicht einfach zu handeln. Und wer im Inventar gerade zu fummeln hat, wird wohl auch nicht selten durch Gegnerangriffe überrascht werden. Komfortfunktionen wie ein integrierter Pausenmodus war immer ein Faktor zu Lasten der Spannung, hier sorgt das für regelmäßige Herzsprünge („System Shock“ lässt grüßen).

 

Höchst intensiv

Wenn wir schon über Spannung sprechen, bringe ich gleich mal die Technik mit ins Spiel. Während noch ein bisschen orchestrale Musik und hübsch gezeichnete Bilder mit Storytext den Gang ins Dunkle einleiten, bleibt man im Kerker davon verschont. Der verwöhnte AAA-Titel-Spieler wird das nicht gut finden, wenn gerade mal das über die Kiste flimmert, aber mehr braucht „Grimrock“ ehrlich gesagt auch nicht. Die Geschichte ist zwar kaum vorhanden, aber wer hätte als Dungeon Crawler-Fan sowas erwartet? Jedenfalls zeigt die 3D-Engine, dass sie durchaus stimmungsvoll designt werden kann. Licht und Schatten sind hier eine Augenweide und Spannungsförderer par Excellence, und das stimmungsvolle Setting wurde kompromisslos durchgezogen. Da lässt es sich locker verschmerzen, dass die Animationen der Gegner lange nicht dem Standard professioneller Technik entsprechen. Es wirkt teils belustigend, wenn Skelette in Rüstung ständig Oberschenkelaerobic betreiben und sonstige Gegner keine vielfältigen Bewegungen drauf haben. Die ein oder andere Animation mehr hätte dem Spiel und seiner Mechanik sicher gut getan.

Auch hat der Sound mit seinem Independent-Anstrich zu kämpfen. Wenn Gegner hörbar in der Nähe sind, kann es passieren, dass die Geräusche ungefiltert durch Wände zu vernehmen sind. Das weiß man heute besser zu lösen, jedoch tut das der Spannung keinen Abbruch. Dies in Verbindung mit düsterem Windgeheul oder unheilvollem Schnattern lassen uns permanent die Nackenhaare gen Himmel/Decke stehen. Dass es in den Kerkern keine Musik gibt, halte ich nicht für einen Negativpunkt, sondern für konsequentes Einhalten der Idee. Vielleicht sollte man noch bemäkeln, dass die Soundeffekt recht spärlich sind und nicht sehr vielseitig daher kommen. Da werden Aktionen gerade mal mit kurzen Soundschnipseln serviert, was sich schnell abnutzt und schnell bedeutungslos wird.

So ist „Grimrock“ tatsächlich in Sachen Spannung und Spielmechanik ein übelst intensives Erlebnis. Die einfachsten Methoden haben dafür gesorgt, dass ich permanent unter Strom stehe, was ich seit dem ersten „Dead Space“ nicht mehr erlebt habe. Wer sich nicht zu schade ist, eine andersartige Spielmechanik anzunehmen, sollte hier unbedingt zugreifen – alle anderen, also die retrosüchtigen „Dungeon Master“-Fans, werden trotz des leicht gestiegenen Komforts ebenfalls Gefallen an den Kerkermauern finden. Ich jedenfalls bereue jetzt sogar ein bisschen, dass ich das Genre damals so konsequent gemieden hatte.


Wertung
Pro und Kontra
  • Stimmungsvolles Grafikgerüst
  • Minimalistische, aber spannungsgeladene Soundkulisse
  • Einfache Inventarverwaltung
  • Bessere Bedienung als die alten DC-Spiele
  • Zum Zerreißen spannend
  • Vielfältige und knackig schwere Gegnerschaft
  • Vielseitiges Rätseldesign
  • Animationen billig
  • Soundschnipsel wiederholen sich schnell
  • Magie umständlich zu benutzen
  • Leichte Frustmomente

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(1)
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