Rätsel Jones und die Seele des Adventures

Wie habe ich sie geliebt, die Trilogie von Indiana Jones mit seinem coolen Helden, dem Schlapphut und der kultigen Peitsche. Aber auch die Mythen und das...

von - Gast - am: 24.10.2010

Wie habe ich sie geliebt, die Trilogie von Indiana Jones mit seinem coolen Helden, dem Schlapphut und der kultigen Peitsche. Aber auch die Mythen und das Entdeckertum um religiöse Hochkultur waren nicht uninteressant. Animation Arts (Geheimakte 1 und 2) baut Lost Horizon um genau dieses Vorbild auf und schickt den Spieler rund um die Welt, um – wie sollte es anders sein – in Wettrennen gegen die Nazis ein altes Geheimnis zu lüften.

Die Nadel im Heuhaufen

Fenton Paddock, ehemaliger Soldat im Dienste ihrer Majestät, schlägt sich im Jahre 1936 als Warenlieferant in Hong Kong durch. Dass er in seinem Tun die hiesige Triade gegen sich aufgehetzt hat, stimmt uns gleich passend in das Szenario ein. Paddock wird im Hafen in eine Holzkiste gesperrt im Wasser versenkt, und mit Hilfe unseres Brieftascheninhalts und etwas Teer, der als Dichtungsmasse für die Bretter diente, können wir uns aus dem Sarg befreien. Zurück am eigenen Hangar mit eigenem Flugzeug werden wir sogleich mit unserer Vergangenheit konfrontiert: Unser alter Soldatenkumpel Richard wird vermisst, und der Vater, ebenso Fentons Mentor, bittet uns, ihn zu suchen.

Wer nun die Indiana Jones-Filme kennt, wird sich schnell damit identifizieren können, denn die Anlehnungen an die Lucas/Spielberg-Streifen sind nur allzu offensichtlich. Der Beginn in Hong Kong hat etliche Parallelen zu „Tempel des Todes“, und während des Spiels sind die Locations nicht minder mit denen aus dem „letzten Kreuzzug“ zu vergleichen. Das soll aber keine Kritik sein, denn das Weltenbummler-Epos macht jederorts zu jeder Zeit Spaß. Egal, ob wir nun im verschneiten Tibet ein Kloster suchen, in Marokko einen Professor ausfindig machen müssen oder im indischen Dschungel Lagunen durchschwimmen – überall erwarten uns anspruchsvolle Rätsel.

Das Adventure ist geradezu vollgepackt mit solchen Aufgaben, und diese sind auch noch entsprechend unterhaltsam ausgefallen. Das liegt zum einen an der Fülle der Kopfnüsse, zum anderen am ordentlichen Niveau. Fast alle Rätsel sind in sich logisch aufgebaut, und das Prinzip Sammeln-Kombinieren-Anwenden funktioniert einfach prächtig. Nur selten wurde es ein klein wenig unlogisch oder unübersichtlich, und die Bedienung ist in jeder Hinsicht perfekt gelungen. Fenton latscht nur selten zu langsam durch die Szenen, rennt ansonsten hindurch, und Bilderwechsel lassen sich bequem durch Doppelklicks abkürzen. Dabei wurde auch auf einen sinnvollen Szenenaufbau geachtet, so dass wir kaum unnötige Distanzen zu bewältigen haben. Noch als Schmankerl obendrauf gibt es Hot Spot-Anzeigen, die man gut gebrauchen kann.

Tieferer Sinn

Diese Liebe zum Detail erfreut den gestandenen Adventure-Spieler, aber was wäre ein solches Spiel ohne eine durchdachte Geschichte? Wer nun glaubt, dass die Indiana Jones-Parallelen zu arg durchscheinen und das Spiel nur wie ein müder Abklatsch wirkt, irrt gewaltig. Man hat sozusagen bekannte Szenarien mit komplett neuem Inhalt gefüllt. So ist Paddock auch kein cooler Actionheld, sondern ein geläuterter Ex-Offizier, dem eine Gewissensentscheidung immer noch auf der Seele liegt. Inwiefern diese ihn wieder einholt, erfahren wir in der ordentlichen Spielzeit von mindestens 14 Stunden. Zwar sind die Nazis wieder als der klassische Bösewicht vertreten und fallen auch entsprechend stereotyp aus, aber bilden sie auch hier wieder den nötigen Antrieb für Paddocks weitere Reise.

Bald stellt sich auch heraus, für welchen Aufwand wir die ganzen Abenteuer auf uns nehmen. Ein Kloster birgt nämlich in einem geheimen Raum einen Zugang zu einer Welt, die etliche wissenschaftliche und religiöse Fragen der Menschheit erklären würden. Da auch die Nazis sich dieses Wissen zunutze machen wollen, entsteht also schnell ein Wettlauf um die Zukunft der Menschheit.

Die Protagonisten sind demnach alles andere als stereotyp gehalten, und der Identifikationsfaktor ist sofort gegeben. Einzig bei den Feinden wurde da ein wenig geschlampt, da hätte ich mir mehr Tiefe der Figuren gewünscht, und Paddocks Begleiterin Kim macht sich durch ihre Zickerei auch kaum Freunde. Dennoch bietet die Story einige schön gesetzte Storyturns und ist ansonsten sehr vielschichtig ausgefallen, was sich zum Finale hin sehr schön zusammenfindet. Und auch das Finale selbst wurde entsprechend inszeniert, so dass es den Namen Finale verdient hat. Dazu tragen auch die sehr guten Zwischensequenzen bei, die die Kapitel passend einleiten oder beenden und durch ihre actionhaltige Inszenierung bestechen.

Paradiesische Transusen

In den Geheimakte-Teilen hatte Animation Arts schon zeigen dürfen, dass sie die Locations stimmungsvoll in Szene setzen können, und in „Lost Horizon“ wurde dies geradezu exzessiv betrieben. Jeder Bildschirm bietet toll gezeichnete Hintergründe, und die Effekte wurden unaufdringlich in die Szenen eingefügt. Einziges Manko sind die Figuren, die ein wenig detailarm ausgefallen sind und für den heutigen Standard zu hölzern modelliert wurden. Das lässt sich verkraften, denn dafür sind die Animationen meist sehr gut gelungen und fast bugfrei ausgefallen. Herausgestochen haben für mich vor allem die Wasserdarstellungen.

Auch die Sounds können sich hören lassen, auch wenn die Fülle in manchen Szenen etwas schwankt. Hintergründe sind subtil eingefügt, und auch sonstige Aktionen bieten immer die passende Geräuschkulisse – vorbildlich. Dazu gesellt sich auch eine ganze Riege sehr guter deutscher Sprecher. Hier ist allerdings das größte Manko des Spiels zu erwähnen. Die Dialoge wurden teils unnötig in die Länge gezogen, und Paddock kommentiert des Öfteren Rätselstellungen und –lösungen in geradezu tranigem Stoismus. Da erträgt man wichtige Abschnitte gerne, auch wenn sie sehr ausladende Erklärungen machen, aber im Spiel selbst hätte man sich Paddocks erklärende Kommentare gerne sparen können. Jedenfalls habe ich oft genug die Dialoge übersprungen, die ich als unnötig ansah, und das waren nicht wenige. Dazu ist das Tempo bei den Gesprächen meist etwas laaangsaaaam.

Fazit

Paddock ist kein Jones, und das ist gut so. In all den Parallelen ist „Lost Horizon“ ein sehr gutes Adventure mit eigener, vielschichtiger und spannender Story, und die Rätsel für alle Schwierigkeitsgruppen erstaunlich gut eingefügt. Anfänger werden gut gelockt, Profis dürften auch mal hier und da eine passende Aufgabe finden. Es ist eben nicht Jones, sondern eher eine Hommage mit komplett eigenem Stil.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: Szenen, Effekte, Animationen
  • Sound: Hintergründe, Sprecher, Musik
  • Balance: für viele Schwierigkeitsgruppen spielbar
  • Atmosphäre: Weltenbummler-Atmo, spannende Sequenzen
  • Bedienung: perfekt
  • Umfang: hohe Spielzeit, viele Locations, Abwechslung
  • Handlung: sehr gute, spannende Story
  • Charaktere: Gute Protagonisten
  • Dialoge: Lernfaktor, viele Infos
  • Rätsel: massig Rätsel und Minispiele auf hohem Niveau
  • Grafik: Modelle
  • Sound: -
  • Balance: -
  • Atmosphäre: Nazis bleiben blass, Kim ist nur am Zicken
  • Bedienung: -
  • Umfang: -
  • Handlung: kleine Macken
  • Charaktere: Nazis, Kim
  • Dialoge: Tempo, teils ausufernd
  • Rätsel: -

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(4)
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