Jump´n´Run-/Stealthmix in spielerischer Perfektion

Sie sind klein, drahtig, schwarz gekleidet und voller Tatendrang – eigentlich sind sie die verwegensten Meuchelmörder, die man sich vorstellen kann....

von TheVG am: 11.10.2015

Sie sind klein, drahtig, schwarz gekleidet und voller Tatendrang – eigentlich sind sie die verwegensten Meuchelmörder, die man sich vorstellen kann. Sie huschen durch die Nacht, klettern über dich hinweg, und noch bevor du Notiz von ihnen nimmst, hast du ihr Messer in der Brust...

Ninjas sind die Leisetreter der asiatischen Kampf- und Killkunst, die Schatten in der Nacht. Daher wundere ich mich schon darüber, dass Ninjas in Spielen selten ihren Fähigkeiten entsprechend eingesetzt wurden. Erinnere ich mich an „The Last Ninja“, ist dessen Hauptfigur zwar wendig und – wenn die Steuerung dich nicht in den Wahnsinn treibt – sprunggewaltig, doch in Kämpfen leisetreten ist nicht. Ähnliches trifft auch auf spätere Releases zu, seien es „Ninja Gaiden“ oder Prügelspiele á la „Killer Instinct“; sie alle waren nur eine Hülle für actionlastige Spieleerfahrungen. Nun ließ Klei Entertainment ihren eigenen Meuchler auf die Spielewelt los, wenn auch in ungewöhnlicher Optik für das Genre. So ist dieses Spiel ja „nur“ ein 2D-Jump´n´Run, aber mit einer wichtigen und vielleicht wagemutigen Neuerung: dem Stealth-Modus, der für einen Ninja so charakteristisch ist und ihm endlich die passende Spielemechanik spendierte. Ob das in dieser Konstellation überhaupt funktionieren kann, lest ihr in den nächsten Zeilen.

 

Der Lange mit der bunten Haut

Warum erzähle ich euch dieses Mal nichts Genaues über die Story eines Spiels? Ganz einfach: Es ist in „Mark of the Ninja“ kaum etwas davon vorhanden. Zwar wird das, was Klei als Story verkaufen will, in hübsch gezeichneten und animierten Zwischenfilmchen gezeigt, ist aber für mich so unbedeutend wie das Kaffeekränzchen von Tante Trude auf dem Weihnachtsmarkt. Nur so viel: Es geht lediglich um Ehre für einen Ninjaclan, der (aus welchem Grund auch immer) von Feinden angegriffen wird. Natürlich wird sich dafür gerächt, und die Zwischensequenzen geben höchstens noch den Bossen ein Gesicht. Sonst fehlt es mir einfach an allem: Wer ist der Feind wirklich? Warum tut er dem Clan das an? Historische Hintergründe? Wer ist der namenlose Ninja, in dessen Körper wir schlüpfen? - und so weiter, und so fort...

Abgelenkt

Bleibt noch des Ninjas Begleiterin Ora, mit der ich in den folgenden Spielstunden die Levels abarbeiten werde. Auch die ist nur eine leere Hülle einer Spielfigur, konfrontiert mich lediglich mit den folgenden Spielsituationen und kann man für eigentlich gar nichts gebrauchen. Die Dame lässt mich nämlich mit meiner Arbeit alleine und huscht ständig ins Bild, wenn ich Levelabschnitte erfolgreich absolviert habe. Irgendwann höre ich nur noch mit halben Ohr hin, wenn sie mal wieder ihre Warnungen und Beschreibungen ausspricht, und somit lässt sich über Story so gut wie gar nichts Gutes resümieren.

Ich würde gerne berichten, dass die Geschichte irgendwie sympathisch, klamaukig oder gar handwerklich gut gemacht wäre. Ist sie aber nicht, zumindest nicht in meinen Augen. Das Spiel nimmt sich sehr ernst, trotz (oder trendigerweise gerade wegen) des Comiclooks entsteht der Eindruck, dass hier versucht wurde, dem Ninjagenre einen epischen Rahmen zu spendieren, driftet aber gerne ins unfreiwillig Komische ab – etwa wenn der Held mit einem Eimer Wasser nach einer Tattoosession gelöscht werden muss und es derart qualmt, als hätte ein Schmied gerade sein Eisen bearbeitet.

 

Shadowman

Nur damit jetzt kein falscher Eindruck entsteht: Die Story ist jetzt so ziemlich das einzige, das im Spiel abstinkt. Eigentlich ist der lange Lulatsch im schwarzen Dress ja eine coole Socke, der sich rituelle Tattoos anfertigen lässt, somit dem Spiel seinen Titel verleiht und endlich seiner Zunft würdig eingesetzt wird. Damit wird der Stealthmodus zum tragenden Element des 2D-Jump´n´Runs, was sich im ersten Moment etwas befremdlich anhören mag. Doch funktioniert diese Kombi wunderbar: Lichtquellen sind eindeutig zu erkennen, und auch die Sichtfelder und -kegel meinerselbst sowie die der Gegner sind für unser jeweiliges Vorhaben sichtbar. Also kann ich jede Situation im Spiel mit Geduld und Spucke planen, Umgebung, Gegner und meine eigenen Mitgifte sondieren und einsetzen.

Dabei gibt es ein paar Dinge zu beachten. Wände sind zwar nicht durchgängig „haftbar“, aber alle, die mit einer weißen Schicht überzogen sind, kann der Ninja beklettern. Weiter gibt es besondere Flächen, Äste oder Lampen, auf denen man sich relativ gefahrlos niederlassen und sich bewegen kann. Dies mit einer Tötungsaktion zu verbinden, muss man jedoch erst mal erlernen bzw. freischalten. Der Entwickler hat dabei darauf geachtet, den Anteil der Selbstläufer und den für die Entdeckungswütigen fair zu verteilen. Man wird also einen gewissen Anteil an Perks wie von selbst erhalten, doch gibt es noch einiges mehr, das als Anreiz vorgelegt wurde. Wer etwa Levels ohne entdeckt zu werden absolviert, wird nicht nur mit den üblichen Steam-Achievements belohnt, sondern auch im Spiel mit einem Siegel ausgestattet, mit dem man später sein Repertoire aufstocken kann. Darüber hinaus erfasst das Spiel zum Ende eines jeden Levels meine Fortschritte und den Spielstil, vergibt Punkte und Siegel, die man dann an speziellen Stationen einlösen kann.

Anfangs ist das Repertoire noch überschaubar. Wird man von den Wachen übersehen, kann man sich leise hinter sie schleichen und sie durch Mausklick und verlangter Wischbewegung leicht abmurksen. Später dann wird die Sache immer vielseitiger: Wir können nach Freischaltung aus Verstecken heraus töten oder uns von höherliegenden Plattformen abseilen, die Gegner quasi in der Luft meucheln und sie einfach am Seil hängenlassen, was ebenfalls Extrapunkte gibt. Das macht richtig viel Spaß, erspart auch Gott sei Dank wegen der gelungenen Maus-/Tastatur-Kombi verknotete Finger.

 

Fähnchen, Röllchen und Clickbaits

Im Grunde reizt das Spiel alles aus, was an Ideen in ein 2D-Spiel dieser Art gestopft werden kann. Man kann von A nach B zum Ziel kommen, wird aber auch mit kleinen, alternativen Routen belohnt, die Schriftrollen, ergo Siegelpunkte, bereithalten. Bei den Schriftrollen verhält sich das fast schon ein bisschen wie bei den Mario-Plattformern. Hat man spezielle Ecken und somit Portale entdeckt, wird man in einen separaten Abschnitt transportiert, welche sich als abwechslungsreiche Puzzleminilevels herausstellen. Man lernt nämlich während des eigentlichen Spiels, dass Laserbarrieren und Kisten auf Schienen den Anspruch heben, und nun wird einem in diesen Sonderräumen noch mal alles an Geschicklichkeit abverlangt, um an die begehrten Röllchen zu gelangen. Als Belohnung erhält man dann 1000 Punkte, ein Siegel und ein bisschen bedeutungsschwangeres Gelaber á la „Der Meister predigt zweideutige Hinweise für den Ninja, bevor er sich als würdig erweist“. Ich hab´s ja schon erwähnt: Dieses Gesülze steht in keinem besonderen Zusammenhang. Egal, ich nehm auch die 1000 Punkte und das Siegel, und wem das Gerede etwas gibt, der nimmt eben auch das.

Ein bisschen unsinnig empfinde ich die Idee der Levelstationen und den Menübereich bei der Fertigkeitenentwicklung. Irgendwo im Level sieht man ein schwarzes Fähnchen stehen, was bedeutet: Hier kannst du deine sauer verdienten Punkte in Fähigkeiten umtauschen. Die sind dann recht logisch aufgebaut: eine Spalte Kampftechniken, eine für Ablenkungsschnickschnack und eine für Angriffsspielzeug. Man sucht sich also etwas aus, klickt sie an, wenn man die nötige Menge Siegelpunkte besitzt und darf sie anschließend auch gleich einsetzen. Na ja, würde ich gerne gleich einsetzen, denn danach muss man sich – warum auch immer – nochmal durch drei weitere Spalten durchklicken und dies extra bestätigen. Das muss man auch jedes Mal tun, und ich frage mich bis zum jetzigen Zeitpunkt, was dieses Geklicke soll (abgesetztes Menüfeature, das man vergessen hat, aus dem Programm zu entfernen?). Eine freies Menüfeature hätte dem Spiel jedoch viel besser gestanden.

Das wäre aber auch so ziemlich das einzige Manko im Bedienungsumfeld und Interface-Design. Ich will fast schon behaupten, dass sich die Steuerung intuitiv nutzen lässt, weil ich mich nie dabei erwischt hatte, eine Taste auf dem Keyboard suchen zu müssen. Auf dem Gamepad wird das wohl noch einen Ticken besser laufen (habe ich nicht getestet).

 

Hampelmanns Schatten

Den Comicstil habe ich schon ausgesprochen, hier eine nähere Beschreibung dazu. Im Grunde zeigt dieser sich so, wie es die Entwickler gerne in ihren Spielen verwenden. Ihre „Shank“-Spiele sehen so aus, und auch „Don´t Starve“ lässt so manch optische Parallele zu. Im Spiel selbst fällt der Stil jedoch gar nicht so sehr auf. Wichtigstes Element ist der Einsatz von Schatten, denn sind alle Plattformen in Schwarz gehalten worden. Hintergründe haben wiederum einen eigenen Stil, fehlen nur noch die Figuren, die im Schatten anders wirken als im Licht. Im Licht sind es die üblichen Comicfiguren, im Schatten werden sie dann gerne zu bewegungsfreudigen Hampelmännern im Baukastenformat. Jedenfalls läuft alles äußerst flüssig und super animiert ab. Die Grafik ist also durchaus stilvoll und einem Jump´n´Run schön angepasst worden.

Auch beim Sound haben die Entwickler alles richtig gemacht. Die Vortonung der Figuren wiederholt sich nur selten, besonders witzig fiel mir hier der australische Sicherheitschef auf, der andererseits wieder in die unfreiwillige Komik driftet. Sonst hält sich die Akustik spieldienlich zurück. Alle Sounds klingen, wie sie sollen, nerven nicht, machen Spaß. Dazu gibt es einen anständigen Soundtrack, der wieder ein bisschen episch sein will, aber irgendwann so dezent in den Hintergrund rückt, dass man ihn gar nicht mehr so richtig wahrnimmt. Das muss nichts Schlechtes bedeuten, weil man mit dem Spiel und seinen Rätseln genug zu tun hat und sich da gar nicht mehr so sehr auf die Töne konzentriert. Im Umkehrschluss mag das auch bedeuten, dass er nicht heraussticht und keine catchy Melodien zu bieten hat – aber was soll´s.

 

Mund zu, Messer gewetzt

Es war schon eine Weile her, seitdem ich einen Plattformer mit innovativen Ideen und einer gelungenen Crossovermechanik spielen durfte, und „Mark of the Ninja“ fällt definitiv in diese Kerbe. Dass Stealth auch in zwei Dimensionen funktionieren kann, beweist Klei Entertainment sehr eindrucksvoll. Leider ist der Storyrahmen die Achillesferse des Spiels, in dem man sich eher über die peinlichen Momente lustig macht oder nur angeödetes Seufzen herausbringt. Zum Glück muss man sich die Zwischenfilmchen nicht antun, kann sie also überspringen. Wäre letztlich noch eine verbesserte Interface-Funktion eingesetzt worden, wäre die Wertung noch höher ausgefallen, so bleibt trotz der kleinen Macken ein sehr unterhaltsames, angemessen forderndes und gelenkiges Spiel übrig, dass man sich mindestens ein mal antun sollte. Die „New Game Plus“-Funktion bietet nämlich eine andere Spielerfahrung, die man nach erstem erfolgreichem Durchgang freischaltet. Damit schlägt das Game so manchen Mario-Klon schon um Längen, und sei es nur, um zu beweisen, dass Ninjas mehr sind als nur drahtige Kerlchen, die man im Actionmodus irgendwelcher Prügelspielchen verbraten müsste. 

 

(Bilderquelle: GS-Bilderarchiv)


Wertung
Pro und Kontra
  • Schöner Grafikstil
  • Butterweiche Animationen
  • Gute Soundkulisse
  • Angenehmer Soundtrack
  • Abwechslungsreiches Leveldesign
  • Gute Lernkurve
  • Wiederspielwert durch "New Game Plus"-Modus
  • KI reagiert regelmäßig auf alle Unstimmigkeiten
  • Nicht ganz stimmiger Grafikstil
  • Spiel nimmt sich ein bisschen zu ernst
  • Story grottig und unlogisch
  • Fähigkeitenmenü
  • KI lässt sich leicht austricksen

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



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