Mass mit mangelndem Effect

Lang, lang haben die Fans (zu denen ich mich auch zähle) auf ein neues Mass Effect gewartet und ohne zu viel vorweg zu nehmen: Mass Effect Andromeda ist...

von Jcfr am: 02.06.2017

Lang, lang haben die Fans (zu denen ich mich auch zähle) auf ein neues Mass Effect gewartet und ohne zu viel vorweg zu nehmen: Mass Effect Andromeda ist durchaus ein gelungenes Spiel... die Dellen im Ruf des Entwicklers Bioware  glättet es jedoch nicht.

 

Soft Reboot im großen Stil aber mit wenig Tiefgang:

Anstatt sich mit dem kontroversen Ende des dritten Serienteils auseinanderzusetzen, haben die Entwickler sich eines kleinen Storykniffs bedient. So starten die Völker der Milchstraße zwischen Mass Effect 1 und 2 eine Initiative, die ferne Andromeda-Galaxie zu erkunden. Kurz vor Mass Effect 3 beginnt die Reise und gut sechshundert Jahre später erreichen die Archen den Heleus-Cluster in Andromeda.

Nach Ankunft türmen sich jedoch sehr schnell die Probleme, ist doch keine der zur Besiedlung auserkorenen, Welten bewohnbar und eine Anomalie aus dunkler Energie verwüstet den Raum im gesamten Cluster.  Als neuer Pathfinder der Initiative obliegt es nun dem Spieler, das Scheitern der Expedition abzuwenden.

Was grundsätzlich spannend klingt  hat ein Problem: die dünne Erzählstruktur der Story, die hauptsächlich am Anfang und am Ende packt. Wirklich befriedigend fällt die Geschichte dabei nicht aus, werden doch zu viele Nebenhandlungen eröffnet, ohne wirklich zu irgendeinem Abschluss gebracht zu werden. Wer ist der geheime "Wohltäter" hinter der Initiative und warum ließ er/sie Jien Garson (die Begründerin der Initiative) kurz nach Erreichen Andromedas umbringen?  Was genau ist das Ziel der Kett-Rasse? Was ist aus den Erschaffern der Relikte geworden und woher kommt die  Anomalie (Geißel)?

Sicher, es erwartet niemand das Andromeda gleich sein ganzes Story-Pulver verschießt aber wenn man am Ende der Handlung so klug ist wie zu Anfang ist das schon ziemlich unbefriedigend. Ein paar tiefere Einblicke hätten hier schon Wunder bewirkt, ebenso wie ein  paar mehr Story-Missionen.

Zwischen Ballerspaß und Tretmühle:
Ok, das Gameplay... puh, wo fängt man da an? Nun, serienüblich kann man sein Alter Ego im Charakter-Editor anpassen. Der fällt (auch serientypisch) eher ins untere Mittelmaß. Ein paar mehr Optionen als in der Vorgängern aber wenn man sieht, was manche MMOs mittlerweile an Anpassungsmöglichkeiten liefern, so muss man sagen dass sich Bioware hier keine besondere Mühe gemacht hat.

Eine gute Neuerung hingegen ist die Charakter-Entwicklung. Nicht länger ist man an Klassen gebunden und kann frei Punkte auf unterschiedliche Skills verteilen.  Ein wenig ärgerlich (für mich) ist dabei aber der Umstand, dass man stets nur maximal drei aktive Skills  zuweisen kann. Ja, man kann sich verschiedene "Skillsets" zurechtlegen, will man aber nicht ständig hin und her switchen fühlt  sich die Auswahl doch sehr beschränkt an.c

Eine weitere Neuerung sind die "Profile". Im Prinzip die Klassen aus den Vorgängern, die sich nun frei austauschen lassen und hauptsächlich Buffs auf bestimmte Skillkategorien liefern (Technik, Soldat, Biotik).  Wer also z.B. seine Levelpunkte in Techniker- und Soldaten-Skills investiert, für den eignet sich besonders das Wächter-Profil.

Wie schon in ME3 kann man auch in ME:A frei über die mitgeführten Waffen entscheiden und ist nicht mehr durch Klassen auf bestimmte Waffengattungen beschränkt. (Dazu aber später mehr noch beim Crafting). Eine Sache aber, die mich persönlich genervt hat: Obwohl ich meine skills jederzeit (auch im Kampf) frei ändern kann, gilt das nicht für die Ausrüstung. Ganz gleich, wie viele Waffen man im Inventar hat, frei anlegen lassen sich diese nicht. WTF!

Das alles zusammen mit dem neuen Jumpjet-Modul sorgt für ein angenehm dynamisches Gameplay. Nicht mehr länger stures Ducken hinter Deckung, wie einst.  In ME:A nutzt man die Jumpjets um schnell auszuweichen,  Feinden in die Flanke zu fallen oder erhöhte Positionen zu erreichen. Die Gegner-KI ist dabei nicht immer die Beste und vor allem in höheren Levelstufen können Feinde nur noch in Massen gefährlich werden.  Ein weiteres Manko ist die Gegnervielfalt. Nach spätestens einem Drittel des Spiels hat man alles gesehen und dass verschiedene Welten nur verschiedene Variationen derselben Alien-Viecher behausen ist schon geradezu enttäuschend.

Überhaupt erinnern mich die Planeten-Karten viel zu oft unangenehm an Dragon Age Inquisition. Will heißen: Viel Raum  mit dem stetig gleichen, respawnenden Mobs und ein paar generischen Mini-Aufgaben. Zum Glück eignet sich der Nomad ganz gut, um unerwünschten Mob-Begnungen aus dem Weg zu gehen, auch wenn sich das Vehikel  gelegentlich genauso störrisch verhält, wie der Mako aus ME1.

Bioware will dem Spieler das Gefühl eines Entdeckers verleihen, worunter die Handlung leidet... zumal es abseits einer Handvoll von Welten nichts zu entdecken gibt und das Ressourcen-Farming auf den Planetenoberflächen mit dem Nomad genauso zäh und nervig ausfällt, wie seineseits das Planetenscannen in ME2. 

Neues Schiff, neue Crew:

Statt der Normandy steht dem Spieler diesmal die Tempest zur Verfügung, die vor allem durch einen Umstand auffält: keine nervigen Aufzug-Fahrten mehr. Was ich von der neuen Crew halten soll, dessen bin ich mir nicht sicher. Mir schien irgendwie, dass sie gleichzeitig  anders als die Alte sein sollte und doch zugleich eine Hommage. Drack und Wrex sind beide mürrische Kroganer... dennoch mag ich Drack ein wenig mehr (Sein "alter-Mann-Getue" erinnert mich an Danny Glover aus Lethal Weapon). Cora ist ein steifes Spiegelbild von Ashley (wenn auch nicht so xenophob).  Lexi hat mich an Liara erinnert (was denn Umstand das sie nicht zur Romanze verfügbar war umso ärgerlicher macht) und Vetra könnte eine Schwester von Garrus sein. Mit Peebee und Liam bin ich nicht warm geworden und Kallo ist sträflich unterbenutzt.

Das überflüssigste Crafting-System seit langem:

Ok, ich geb zu,  ich bin nicht wirklich ein Freund von Crafting. Ganz einfach weil es meist mit zähem Rohstofffarmen verbunden ist... Und ja, das ist auch ein Problem von ME:A. Das egentliche Problem lässt sich hier aber anhand einer Begebenheit erläutern, welche ich im Spiel hatte.

So wollte ich ein neues Scharfschützengewehr für eine Hauptmission basteln.  Zuvor benutzt: Black Widow III. Gecraftet: Black Widow V... mit einem Twist. Ich dachte mir, sei doch mal experimentierfreudig und kombiniere das Schema mid einem Energie-lader-Modul aus dem Relikt-Tech-Tree (in der Hoffnung eine Art Railgun zu erschaffen). Und allein von den Zahlenwerten her war das Erschaffene besser als der Vorgänger... allein, wo ich zuvor mit der BW III alles mit zwei Kopfschüssen erledigt habe, bedurfte es mit der neuen Variation meist eines GANZEN MAGAZINS... und das obwohl laut Zahlen die Waffe besser war. WTF?  Darüber hinaus gab es in der Hauptmission keine Gelegenheit, zur alten Waffe zurückzuwechseln.

Und genau das ist das Problem: Experimentieren bringt nichts, jede Standard-Ausführung ist optimal. Dazu kommt, das mancher Waffentyp geradezu sinnlos ist.  Wer einmal die Scattershot-Schrotflinte ausprobiert hat, weiß wie sich ein Konfetti-Sprüher anfühlt. Die Reegar-Karabine, die ich früher so gerne mochte, fühlt sich hier wie eine Wasserpistole mit einem Meter Reichweite an.  Keine Andere Schrotflinte kann es an Schaden und Präzision mit der Dhan aufnehmen.

Und wozu gibt es überhaupt shops, wenn man alles Craften kann? Statt Ausrüstung zu verkaufen, ist es sinnvoller, diese in Rohstoffe zu zerlegen, mit denen man dann dieselben Standard-Versionen anfertigt. Dadurch fühlt sich Craften im Endeffekt mehr wie Upgraden in ME3 an. Rüstungsvariationen gibt es nur wenige, ebenso wie Designs für legere Outfits (Ehrlich, Bioware, wann lernt ihr, dass Spieler gerne Optionen haben um ihren Charakter anzupassen?).

Entscheidungen ohne Einfluss:

Und wieder ein Problem aus Inquisition recycelt: Kaum eine Entscheidung im Spiel hat Konsequenzen. Militär- oder Forschungskolonie? Ändert weder an der Optik des Außenpostens noch am Spielfluss etwas. Ja, im Finale kriegt man etwas mehr Unterstützung aber das fällt kaum ins Gewicht.  Und genauso verhält es sich im gesamten Spiel.

Nach dreimaligem Durchspielen sind mir nur zwei Unterschiede wirklich aufgefallen. zum Einen überlebt die Kapitänin der Hyperion-Arche  im Finale, wenn man die anderen Pathfinder auf seiner Seite hat  und zum Andern bekommt man nur einen Außenposten auf Elaaden wenn man Morda den Antriebskern überlässt. Alles andere ist ausgelagert auf ME:A2... worauf die Fans wohl länger warten dürften, nun da EA die Serie erst mal aufs Eis gelegt hat.

Dabei, was verschenkt Bioware hier Potential! Keine Option auf verschiedene Außenposten an verschiedenen Positionen mit verschiedenem Zweck und entsprechenden Nebenquests. Keine weiteren Alien-Völker neben Kett und Angaraner. Jedes Durchspielen fühlt sich nahezu exakt wie das Vorige an... und das nach all der Fan-Kritik an Inquisition. Traurig, Bioware.

Starr mich nicht so an:

Ok, die Technik... kurz und gut: Die Umgebung sieht klasse aus, auch wenn die Planetensettings abwechslungsreicher hätten ausfallen können. Zwei Wüstenwelten ala Tatooine aber kein Dagoba ober Coruscant? Und dabei hätte ds Szenario einer neuen Galaxie Platz für so viel Kreativität geboten.

Was die Animationen angeht... nun ja, nach mehreren Patchs geht es jetzt so einigermaßen. Ab und zu trift man noch auf Aussetzer und die Mimik fällt häufig noch recht hölzern aus. Kein Vergleich zu the witcher 3. Zumindest aber haben die Entwickler den Npcs das unheimliche Starren abgewöhnt.

Auf AAA-Niveau sind die Animationen zwar noch nicht, aber wenigstens auch nicht mehr auf Monty-Python-Level. Und Hallelujah, man kann endlich die Flugsequenzen von Planet zu Planet skippen.

Fazit:

Andromeda, Andromeda, was soll ich nur sagen? Mir scheint, für jeden positiven Designpunkt haben die Entwickler einen Schnitzer übersehen. Spaß hatte ich dennoch, wenn auch meine Erwartungen von Beginn an, trotz Hype, nicht so hoch waren. Die größten Sünden fallen einem ohnehin erst nach mehrmaligen Durchspielen auf (wie etwa die Entscheidungen ohne tiefere Auswirkungen oder Konsequenzen, sowie das Waffen-Crafting). Gameplay-mäßig macht es Spaß und das Highlight sind die Story- und Loyalitätsmissionen... von denen es leider viel zu wenige gibt. Hätte Bioware mehr auf Kritikpunkte an Vorgängertitel geachtet und Handlung, Charakteren und Animationen mehr aufmerksamkeit geschenkt, es hätte etwas Episches werden können. Gut ist Mass Effect Andromeda dennoch allemal.  Als Fan der Serie bin ich bereit, über manches hinwegzusehen, Nicht-Fans können der Wertung allerdings noch fünf Punkte abziehen.

Den Multiplayer habe ich, über ein, zwei Runden hinaus nicht groß benutzt, dürfte aber all jenen Spaß machen, die schon in ME3 ihre Freude daran hatten.


Wertung
Pro und Kontra
  • Freies Skillen
  • Dynamische Kämpfe
  • Atmosphärische Umgebungen
  • Viel Umfang
  • Gute Vertonung
  • Crafting nicht durchdacht
  • Animationen hölzern
  • Handlung bleibt auf der Strecke
  • Repetitive Missionen auf Planetenoberfläche

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 100 Stunden



Kommentare(7)
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