Fahrkarte, bitte...

Der Shooterfreund wird in letzter Zeit sehr verwöhnt: entweder unter gleissender Sonne die 'Battlefield'-Gegend zersprengen oder in düsteren Tunneln des...

von GROBI75 am: 05.04.2010

Der Shooterfreund wird in letzter Zeit sehr verwöhnt: entweder unter gleissender Sonne die 'Battlefield'-Gegend zersprengen oder in düsteren Tunneln des russischen Gegners von 'Bad Copmany 2' gruseln - beides geht hervorragend, wobei 'Metro 2033' die eigentliche Überraschung ist.

Das Setting ist der Hammer! Die Leute aus der Ukraine haben dafür einfach ein Händchen. Auch wenn die Endzeit in den Tunneln von Moskaus Metro nicht mit der erdrückenden realistischen Brisanz der Tschernobyl-Katastrophe in 'Stalker' gleichziehen kann, gelingt es mit einer ungemein präzisen Ausarbeitung der Umgebung das Defizit auszumerzen.

Es ist unglaublich, wie viele Details in die unterirdische Welt gestopft wurden. Manchmal ist es sogar fast etwas zuviel des Guten, wenn man vor lauter Spazierengucken das Ballern vergisst, aber noch nie kam mir eine Welt so lebendig und wirklich vor. Man riecht förmlich den Moder und Schimmel in den feuchten Gängen, den Atem der Mutanten und wird immer wieder dazu eingeladen in aller Ruhe durch die Gebiete zu streifen, Situationen zu beobachten und die Inszenierung zu geniessen. Man arbeitet sich eigentlich kaum vor, sondern lässt sich eher treiben. Dazu immer wieder erschreckende und visuell einfallsreiche Einschübe - klasse!

Es ist aber nicht alles eitel Dunkelheit. 'Metro 2033' ist hardwarelastig und die Figuren sind für meinen Geschmack etwas unförmig. In belebten Situationen wie auf Märkten, Versammlungen etc. wird es auch in 'Low'-Einstellungen ruckelig, aber der neuste Nvidia-Treiber brachte bei mir spürbar ein paar Frames mehr. Dann kann Metro auch seine Qualitäten ausspielen...
Das Ding sieht nämlich auch auf niedrigen Video-Einstellungen sehr gut aus und transportiert seine zum Schneiden dichte Atmosphäre mit einer ausgeklügelten Lichtsetzung und cleveren Tiefenschärfe-Effekte. Kämpfe sind z.B. aussergewöhnlich gestaltet und schwer zu beschreiben. Die 'Kameraführung' wenn man angegriffen wird, nachlädt, der Einsatz der Unschärfen - hochinteressant! Jeder Fight wirkt so, als schaue man tatsächlich durch eine Kamera, man empfindet eine gewisse klaustrophobische 'Körperlichkeit' mit der Spielfigur, was diesen Momenten oft eine spezielle Dramatik verleiht.

Von den Script-Sequenzen können sich selbst die CoD-Leute eine Scheibe abschneiden - und das meine ich ernst. Die Story wird überraschend einfallsreich erzählt und erzeugt Abwechslung, indem dem Spieler immer wieder interessante Charaktere zur Seite gestellt werden bzw. einen verlassen, was aber nur selten aufgesetzt wirkt.
Das gilt übrigens auch für die Gegner. Das Spiel inszeniert spannende Situationen, die auf die eigene Spielweise wirken. Man kann z.B. stupide eine Stellung des Feindes stürmen und in einem Shootout aufmischen. Oder man schleicht sich hindurch und bekommt Script-Momente serviert, die bei einer Schiesserei übergangen würden. So bin ich etwa erst beim zweiten - schleichenden - Anlauf Zeuge einer beklemmenden Hinrichtung geworden, die ich beim ersten mal gar nicht gesehen habe. Klasse gelungen sind auch die 'Bibliothekare'. Eine Mutantenart in der Bücherei verschanzt mit einer Vorliebe für nervenzerfetzende Auftritte.

Das einzige was mir mißfiel ist ein Abschnitt, in dem man sich glühenden 'Bällen' erwehren muss. Weil dort auch ein anfälliger KI-Partner Deckung für sich beansprucht, ist die Einlage schwer und vor allem irritierend einfallslos ausgefallen, nicht nur in Sachen Gegner-Design. Diese Sequenz ist zwar kurz, der Frust-Faktor dafür umso höher.
Geschenkt. Kurz darauf rappelt sich das Spiel und hievt den Spieler in ungeahnte Höhen - im wahrsten Sinne des Wortes. Aus dem Erdboden erwächst regelrecht ein furioser Showdown, gespickt mit Ausflügen in eine faszinierende Meta-Ebene, die der philosphischen Tiefe eines 'Stalker' kaum nachsteht. Natürlich sind auch hier die zwei verschiedenen Enden mit einer kleinen Hintertür versehen, aber es stinkt nicht nach unbefriedigendem Cliffhanger. Stattdessen laden sie zum Spekulieren ein, weil der Metro-Kosmos nicht restlos erklärt wird.

Ein tolles Spiel! Wer mit MP-Shootern nicht viel anfangen kann und sich bei Ballereien lieber in einer einehmenden Geschichte bzw. Welt verliert, der kann eine Fahrkarte lösen (obwohl ich mir 'Bioshock 2' noch nicht angesehen habe). Insbesondere das Finale muss man wirklich erlebt haben - das ist interaktive Kunst, so wie ich sie mir vorstelle. Es empfiehlt sich also für die Shooter-Zukunft, zur Abwechslung mit den Russen öfter mal Seite an Seite zu kämpfen.


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(2)
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