Ist das wirklich "Mittelerde"?

Also, auf nach Mordor?!?! Also großer Fan von Tolkien und dem Fantasy-Genre allgemein hatte ich natürlich meine ganze speziellen Erwartungen und...

von - Gast - am: 16.10.2014

Also, auf nach Mordor?!?!

Also großer Fan von Tolkien und dem Fantasy-Genre allgemein hatte ich natürlich meine ganze speziellen Erwartungen und Hoffnungen, was dieses Spiel angeht. Vielleicht ist das nun das Kreuz, welches ich zu tragen habe und welches sich auch hier in dieser Rezi bemerkbar macht. Soviel vorweg: Das Spiel IST gut. Trotzdem gibt es ein paar Dinge, die für mich eine höhere Wertung verhindern. Welche das sind, lege ich im Folgenden genauer dar.

Worum geht's eigentlich?

Nun, man erfährt zu Beginn des Spiels, dass das "Dunkle Tor" früher nicht von Orks, sondern von Menschen bewacht wurde. In einem kurzen Kampf-Tutorial lernt man den Sohn Talions (das ist der Protagonist) kennen. Dann wird das Tor überfallen von Orks und die Familie Talions wird genau wie er getötet. Nur dass der Tod Talion nicht haben will und zurückschickt. Von da an ist er mit dem Geist Celebrimbors verschmolzen. Tolkien-Fans wissen, dass dieser später eine wichtige Rolle spielen wird beim Schmieden der Ringe der Macht. Dies hat aber nicht wirklich Gewicht in diesem Spiel. 

Als Talion schnitzeln wir uns durch die Ork-Horden, erfüllen Haupt und Nebenaufträge und klettern auf Türme, um die jeweiligen Areale aufzudecken. Wer jetzt denkt, dass ihn das dezent an Assassins Creed erinnert, der liegt relativ richtig. Schleichen, kämpfen, klettern...all das ist auch im Repertoire von Talion zu finden.

Trotzdem besitzt das Spiel genug Seele, um nicht als Klon durchzugehen.

Was ist das "Besondere"?

Nun, als besonderes Merkmal gilt dann wohl das Hierachie-System der Orkanführer, die alle zufallsgeneriert werden, eigene Stärken und Schwächen haben und die sich auch untereinander auf die Omme geben. Der interessanteste Teil des Spiels kann aber auch als seine größte Schwäche angesehen werden. Die Orks bleiben bis auf wenige Ausnahmen komplett austauschbar, die Hintergrundgeschichte findet ohne wirkliche Bindung zu den Häuptlingen statt. Es macht zwar Spaß, gegen die Typen anzutreten, allerdings ist die Balance manchmal schlicht nicht gegeben. So mancher Ork starb durch einen Kopfschuss mit dem Bogen - ein anderer niederer Häuptling hat mich 17 Mal (!!!!) umgebracht, bis ich ihn endlich erledigen konnte. Dachte ich zumindest, denn er hat überlebt und tauchte später nochmal auf, beschwerte sich über meinen Sieg gegen ihn und griff mich erneut an. Dabei sah er etwas anders (vernarbter) aus...diesmal ging er aber direkt unter, zur Sicherheit hab' ich dieses Mal den Kopf vom Rumpf getrennt... ;)

Gameplay und Story

Nun, Talion metzelt sich auf seinem Rachefeldzug durch die Horden von Orks. Diese Kämpfe sind einen Tick schwerer als in Assassins Creed, da Talion nicht in der Lage ist, jede Sekunde einen Gegner zu exekutieren. Er lernt zwar im Laufe des Spiels neue Fähigkeiten dazu, trotzdem ist es etwas schwerer als im "Vorbild". Das liegt vor allem auch daran, dass manche Gegner sich nicht einfach frontal angreifen lassen. Berserker brauchen vorher einen Betäubungsschlag und Schildträger...naja...die haben halt ihren Schild. ;)

Das Töten aus dem Hinterhalt funktioniert dagegen wie bei AC, allerdings geht das nicht bei allen Häuptlingen, diese sind manchmal immun gegen Fernkampf oder Schleichtattacken. Dafür haben sie individuelle Ängste und Schwachpunkte, die man erfahren kann, wenn man "Informanten" verhört. Diese sind leicht zu erkennen, wenn man in die Geisterwelt wechselt, was per Knopfdruck möglich ist. Dort erscheinen normale Orks blau, Bosse rot und Informanten eben grün. Diese kann man greifen und dem Willen Celebrimbors unterwerfen...dann spucken sie Infos über einen Boss der Wahl aus oder helfen gar, ihn überhaupt erst "aufzudecken" in der Hierachie-Pyramide.

Getötete Häuptlinge werden nach einer Weile durch Nachrücker ersetzt, was das Ganze interessant und flexibel hält. Die bereits erwähnten Machtkämpfe untereinander geben der Sache dann noch die entsprechende Würze, vor allem dann, wenn man sich einmischt und die Dinge in die gewünschten Bahnen lenkt.

Außer den Orks gibt es auch noch Ghule, Caragore und Graugs. Ghule sind bis auf ihre Matronen mit einem Schlag zu töten, treten allerdings in Massen auf. Auf Caragoren kann Talion reiten, wenn er die Viecher per Tastenspielchen zähmt. Graugs sind riesengroß und können sogar Trolle umbringen. Sie sind bezwingbar, allerdings ist es ein krasser Aufwand ohne wirklichen Ertrag. Auch Menschen sind auf der Karte unterwegs, allerdings nur als Sklaven. Tötet Talion ihre Aufpasser, bedanken sie sich artig und rücken manchmal einen neuen Auftrag oder eben auch Informationen über Bosse heraus.

Die Story ist relativ blass, und auch Talion selbst gewinnt nicht unbedingt an Konturen. Trotz des wirklich krassen emotionalen Beginns konnte zumindest ich keine wirkliche Bindung zu der Figur aufbauen. Es macht Spaß ihn zu spielen, aber ein Gefühl wie zum Beispiel zu Jack aus "Black Flag" stellte sich bei mir nicht ein.

Die Technik

Nun, technisch gibt es wenig auszusetzen. Die Grafik ist detailliert und gestochen scharf, die Weitsicht ist mehr als ausreichend und der Sound über jeden Zweifel erhaben. Die Sprecher machen ihre Sache wirklich sehr gut, Sprüche und Provokationen sind durchgehend auf Niveau der Filme. 

Leider sind die Sprüche trotzdem auch ein Quell für ein Ärgernis. Allzu oft hört man nämlich einen Ork irgendwelche Geschichten erzählen, sich beschweren oder angeben. Wenn man sich dann anschleicht und den Typen ins Blickfeld bekommt stellt man fest, dass er das Ganze anscheinend einem Stein oder seinem unsichtbaren Freund Oskar erzählt hat - denn sonst ist niemand da. Find' ich irgendwie ein bisschen strange und das drückt auch die Atmosphäre in solchen Momenten. Allerdings ist dies dann schon Jammern auf hohem Niveau.

Das Fazit

So, jetzt habe ich den Salat. Es ist relativ schwer, dieses Spiel fair zu beurteilen. Für sich allein genommen ist "Mordors Schatten" ein wirklich gutes Spiel, das dem Zocker viel zu bieten hat. Kleinere Balance-Schwächen oder Längen in der Story haben andere Hits auch. Was mich persönlich wirklich stört ist einfach die Tatsache, dass es ein "Herr der Ringe"-Spiel sein will - denn davon merkt man die meiste Zeit herzlich wenig. Die Figuren bleiben austauschbar, so etwas wäre Tolkien nicht passiert. Natürlich, die Orks sehen aus wie im Film, das schafft schon Atmosphäre. Aber eine wirkliche Verbindung zum Buch stellte sich bei mir während des gesamten Spielens nicht ein. Das mag auch daran liegen, dass man ab der Mitte des Spiels am Nurnen-Meer herumspringt, und in dieser Gegend spielen die Filme nun mal einfach nicht. Trotzdem, die Hypothek ein Spiel aus der Welt von Tolkien abliefern zu wollen hat einfach Gewicht. Man hat sich von Seiten der Hersteller drauf eingelassen und muss nun einfach auch damit leben, dass dies in eine Beurteilung mit einfließt.

Ich spreche dem Spiel dennoch eine Kaufempfehlung aus. Es ist eigenständig genug, um kein billiger AC-Klon zu sein, nutzt aber dennoch die Stärken seines Vorbilds so gekonnt aus, dass ein wirklich gutes Game draus geworden ist. AC-Fans und Fantasy-Anhänger können aus meiner Sicht nichts falsch machen mit dem Kauf. HdR-Fanatiker werden ebenso wie ich viel zu meckern finden, trotzdem wird man auch dann noch gut unterhalten für sein Geld. Vielleicht ist es einfach besser, nicht zu viel "Tolkien" zu erwarten - dann entfaltet das Spiel seinen Charme und man kommt aus dem Staunen auch öfter mal nicht heraus.


Wertung
Pro und Kontra
  • AC-Feeling in Fantasy-Welt
  • Sehr gute Grafik
  • Herausragend gute Sprecher
  • Lange Spielzeit
  • Viele Missionen und Nebenaufträge
  • Stimme Welt (ohne HdR-Brille)
  • Scheitert ein wenig an der Tolkien-Vorlage
  • Orks führen ab und an Selbstgespräche
  • Etwas Abwechslung hätte der Umgebung gut getan
  • Balance könnte Nachjustierung vertragen

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(4)
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