»Need for Speed: Untergang« - Kommentar zum Absturz der Traditionsserie

Kommentar zum Absturz der Traditionsserie

Kriegt EA mit Need for Speed nochmal die Kurve? Kriegt EA mit Need for Speed nochmal die Kurve?

87,85,79,72. Das sind nicht die PS-Angaben der neusten Golf-Modelle, sondern die GameStar-Wertungen für die jüngsten Need for Speed-Spiele von Most Wanted bis Undercover. Und damit niemand glaubt, dass wir mit dieser Meinung alleine stehen: Bei der internationalen Rankingseite MetaCritics.com, die bei manchem Entwickler auch als Indikator für Bonuszahlungen dient, fielen die durchschnittlichen Wertungen für Electronic Arts Rennspielserie in den vergangenen vier Jahren sogar von 82 auf nunmehr 60 Prozent.

Die Need for Speed-Serie ist neben Madden NFL, Die Sims und Fifa eine der wichtigsten Einnahmequellen von Electronic Arts. Alleine im vergangenen Weihnachtsgeschäft ging Need for Speed: ProStreet 5,5 Millionen Mal für PC, Xbox 360, Playstation 3 & Co. über die Ladentheke. Eine große Zahl, aber angesichts von 7 Millionen verkauftenMost Wanted-Packungen seinerzeit hat die Serie schon zu diesem Zeitpunkt einen kommerziellen Rückschlag erlebt. Und es kommt noch besser: Diese 7 Millionen verkauften Exemplare bedeuteten schon einen Rückgang von 38 Prozent gegenüber Need for Speed: Underground 2 im Jahr davor! Schon damals hatte die US-Website Gamespot gemutmaßt, dass die »Cash-Cow« möglicherweise so langsam auf ihre letzte Weide geführt würde.

Speziell die Electronic Arts-Manager haben ein scharfes Auge auf die sinkenden Umsatzzahlen. Also entschieden Sie nach Most Wanted, dass künftig zwei Entwickler-Teams an der Rennserie arbeiten sollen, damit zwar weiterhin jedes Jahr ein neuer Teil erscheinen kann, aber die Entwickler nun zwei Jahre Zeit pro Titel haben. Während an Carbon geschraubt wurde, arbeitete eine andere Mannschaft bereits an ProStreet. EA-Boss John Riccitiello gab in seinen unzähligen Interviews seit seiner Amtsübernahme das Motto vor: Mehr Qualität, mehr Innovationen. Erst jüngst verteidigte er nachdrücklich die Einstellung des C&C-Shooters Tiberums. Wenn die Qualität nicht stimme, dann müsse man auch ein Projekt »killen«. Und Spiele wie Dead Space, Mirror's Edge oder auch Fifa 09 zeigen ja, das EA auf dem richtigen Weg ist. Auch der Einkauf von Bioware und die Zusammenarbeit mit Valve (Half-Life 2: Orange Box) und Crytek (Crysis) haben dem Publisher international anerkannte Spiele ins Sortiment gebracht.

Wie kann es dann aber zu diesen Problemen bei Need for Speed kommen? Wieso wird Undercover veröffentlicht, obwohl es trotz vier Jahre alter Technik auf der Playstation 3 nicht sauber läuft und auf dem PC viel zu hohe Hardware-Anforderungen hat -- die ganze Liste von Unzulänglichkeiten des neuesten Teils können Sie im GameStar-Test nachlesen. Es ist ja nicht so, dass es (auch im Konzern) keine Studios mehr gäbe, die erstklassige Arcade-Rennspiele abliefern können: Das bald ein Jahr alte und von EA Criterion entwickelte Burnout Paradise (erscheint im Januar für PC) wischt mit Need for Speed: Undercover den Boden auf. Und Rockstar zeigt mit Midnight Club L.A. wie ein modernes Tuning-Rennspiel in einer offenen Welt auszusehen hat.

Aber wahrscheinlich werden wir in einigen Monaten von Riccitiello dann hören: »ich dachte, das Spiel war okay, was das Gameplay anbelangt. Es war [aber] nicht gut.« Das sagte der EA-Boss nämlich erst im Juni 2008 auf einer Analystenkonferenz über Need for Speed: ProStreet. Dann schob er nach: »Ich bin zuversichtlich, dass Undercover ein deutlich besseres Spiel als ProStreet sein wird.« Seiner Ansicht nach sei das Need for Speed-Studio in Vancouver über die letzten acht Jahre an die Grenzen der Leistungsfähigkeit getrieben worden. Aber die Aufstockung des Personals und der längere Entwicklungszyklus würden nun Früchte tragen.

Die Wertungen und Kritiken des neuesten Need for Speed sprechen eine andere Sprache: Undercover ist nochmals ein Rückschritt gegenüber ProStreet. Natürlich kann sich EA eine einjährige Pause, vor allem vor dem Hintergrund des ohnehin schwierigen Umfeldes, nicht leisten. Aber ein simples »weiter so« kann es nicht geben. Fans verzeihen Fehler und kehren zu ihren Lieblingen auch nach Durststrecken zurück -- wie Christopher Nolan mit Batman Begins eindrucksvoll bewies. Nur endlos ist ihre Geduld nicht und selbst eine Traditionsmarke wie Need for Speed übersteht nicht viele Rückschläge wie Undercover. Vielleicht ist die Zeit reif für einen Neustart, mit einem komplett neuen Studio. Denn wenn EA nicht handelt, werden die Spieler dem Publisher die Entscheidung abnehmen -- indem Sie der Serie endgültig den Rücken kehren.

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