Wo die Würfel rollen
Gegen den Trend zu weitläufigen Ego-Rollenspielen mit Solo-Held und Actionkämpfen sperrt sich das Werk des amerikanischen Entwicklungsstudios Obsidian (Knights of the Old Republic 2) mit beinahe altmodischer Regelhaftigkeit und Detailtiefe. Neverwinter Nights 2 basiert auf dem amerikanischen Rollenspiel-Standardwerk Dungeons & Dragons (D&D), das auf Gruppenspiele mit Stift, Papier und Würfel ausgelegt ist. Seit mehr als 20 Jahren gibt es Computer-Umsetzungen des Systems; zuletzt startete diesen Sommer das Internet-Rollenspiel D&D Online. Alle D&D-Umsetzungen schöpfen aus dem ausgefeilten und geschichtenreichen Fantasy-Fundus der Papiervorlage, arbeiten sich aber auch seit jeher an den spröden Regelvorgaben ab, die auf fortwährende Talentproben hinauslaufen. Neverwinter Nights 2 setzt diese Tradition fort: Hier wird gewürfelt. Natürlich übernimmt das der Computer. Aber im Gegensatz zu anderen Rollenspielen legt das Schwertküsten-Abenteuer dabei seine Mechanismen offen: Kurzmeldungen zeigen immer an, welche Werte eine Würfelprobe ergeben hat, warum also ein Schwerthieb, ein Zauber, eine Überredungsfinte geglückt oder gescheitert ist. Dem Fluss moderner Rollenspiele à la Oblivion, die ihr Inneres zugunsten einer störungsfreien Welterfahrung verbergen, setzt Neverwinter Nights 2 die völlige Nachvollziehbarkeit der Spielmechanik entgegen. Damit bietet es eine Tiefe der Kontrolle über die Helden und deren Aktionen, die wie von selbst für eine starke Identifikation mit jedem einzelnen sorgt. Dadurch und wegen ihrer ausgefeilten, versponnenen Charaktere wachsen Ihnen Ihre Gefährten in Windeseile ans Herz. Sie leben und leiden mit ihnen - und begleiten sie durch eine verschlungene Geschichte.
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