Blizzard gegen Bossland - Wie illegal sind Cheat-Tools?

Blizzard hat den Cheat-Entwickler Bossland wegen seines Overwatch-Tools verklagt, zwei weitere Verfahren gehen im Oktober vor den Bundesgerichtshof. Wir fragen den Anwalt, wie Blizzards Chancen stehen.

Blizzard hat Bossland verklagt, den Entwickler des »Watchover Tyrant« für Overwatch. Der ist zweifellos ein Cheat-Tool: Er zeigt Informationen wie Position und Lebenspunkte aller Spieler auf der Karte an und verschafft damit unfaire Vorteile. Blizzard möchte dem einen Riegel vorschieben und hat seine Klage gegen Bossland daher in den USA eingereicht - mit der Begründung, dass Bossland Hacks und Bots für Blizzard-Spiele an Nutzer in den Vereinigten Staaten verkauft, seine Aktivitäten gezielt gegen Blizzard als kalifornisches Unternehmen richtet und angeblich Einwohner der USA bezahlt, um die Hacks zu testen, amerikanische Server und Domains zur Verfügung zu stellen und dergleichen. Der Bossland-CEO Zwetan Letschew hat erklärt, dass Kalifornien keinerlei Zuständigkeit in dem Fall hat, weil seine Firma keinen Sitz und keine Mitarbeiter in den Vereinigten Staaten hat.

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Derweil bahnt sich auch in Deutschland eine Entscheidung an. Am 6. Oktober werden zwei Fälle vor dem Bundesgerichtshof (BGH) verhandelt, darunter die Klage, mit der alles begann: Blizzard gegen den WoW-Bot Honorbuddy, ihr erster Schlag gegen Bossland aus dem Jahr 2011. Blizzard gewann diesen Fall bereits vor dem Landgericht und dem Oberlandgericht Hamburg, aber Bossland legte beide Male Berufung beziehungsweise Revision ein. Nun muss der BGH abschließend einige enorm wichtige Fragen klären - und die könnten zum Präzedenzfall werden, wenn es um den Handel mit Cheat-Programmen geht. Nicht nur in Deutschland, sondern weltweit.

Wir wollen an dieser Stelle das Hauptaugenmerk auf den Overwatch-Fall richten: Kann Blizzard seine Klage durchsetzen? Welche rechtlichen Grundlagen gibt es? Diese Fragen reichen wir an einen Experten weiter: Sebastian Schwiddessen, LL.M.ist Rechtsanwalt im Bereich IT- und Medienrecht bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Baker & McKenzie. Er berät nationale und internationale Mandaten aus der Entertainment- und IT-Branche.

Im Interview spricht er über die Durchsetzbarkeit amerikanischer Gerichtsurteile in Deutschland, die Gültigkeit von EULAs und die »Anstiftung« zum EULA-Verstoß durch Cheat-Entwickler. Außerdem besprechen wir, ob Cheat-Tools, die Teile des Original-Programmcodes enthalten, gegen das Urheberrecht verstoßen, ob cheatende Spieler einem Spielehersteller finanziellen Schaden zufügen - und wie der BGH in der am 6. Oktober beginnenden Verhandlung letztlich entscheiden könnte.

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Gilt ein US-Urteil in Deutschland?

GameStar: Bossland-CEO Zwetan Letschew hat erklärt, dass Kalifornien keinerlei Zuständigkeit in dem Fall hat, weil seine Firma keinen Sitz und keine Mitarbeiter in den Vereinigten Staaten hat. Unter welchen Bedingungen kann Blizzard überhaupt darauf hoffen, vor einem kalifornischen Gericht ein rechtskräftiges Urteil in dem Fall zu erwirken?

Sebastian Schwiddessen: Eine Zivilklage vor einem US-Gericht gegen ein ausländisches Unternehmen ohne Sitz und Mitarbeiter in den USA ist nicht so ungewöhnlich, wie sie zunächst klingt. Zwar werden die meisten Klagen in Ländern erhoben, in denen das beklagte Unternehmen auch präsent ist, Ausnahmen kommen jedoch regelmäßig vor. Für eine Klage in den USA muss das entsprechende US-Gericht zuständig sein. Die Zuständigkeit wird im jeweiligen Einzelfall bestimmt. Hierbei spielt vor allem das Rechtsinstitut der sogenannten »Minimum Contacts« eine Rolle. Danach können auch Unternehmen ohne Sitz oder Hauptgeschäft in den USA verklagt werden, wenn im jeweiligen US-Bundestaat minimale Aktivitäten seitens des beklagten Unternehmens stattfinden oder stattgefunden haben.

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GameStar: Worum kann es da gehen?

Sebastian Schwiddessen: Dazu zählen etwa Unternehmenswerbung oder Geschäftstätigkeiten. Aber auch eine Geschäftsreise kann schon einen ausreichenden »Minimum Contact« darstellen. Erst recht ausreichend ist, wenn das beklagte Unternehmen eine Webseite betreibt, die von Ortsansässigen des jeweiligen Bundesstaates besucht wird und dort zumindest geringe Umsätze erwirtschaftet. Die von Blizzard angeführten Argumente eignen sich also durchaus, um die Zuständigkeit eines US-Gerichts zu begründen. Dass die Gegenseite dies anders sieht, ist selbstverständlich. Ich halte es aber für recht wahrscheinlich, dass sich das Gericht als zuständig ansehen wird.

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GameStar: Kann ein US-Urteil zugunsten von Blizzard in Deutschland denn überhaupt vollstreckt werden?

Sebastian Schwiddessen: Das ist durchaus möglich. Zwar gibt es kein gegenseitiges Abkommen über die Anerkennung von Gerichtsurteilen zwischen Deutschland und den USA, allerdings kann der Kläger nach dem Erstreiten eines ausländischen Urteils Klage auf Anerkennung und Vollstreckbarerklärung des ausländischen Urteils in Deutschland erheben. Ein entsprechendes Verfahren ist in der Zivilprozessordnung (ZPO) in § 328 und § 722 ausdrücklich vorgesehen. In einem solchen Anerkennungsverfahren werden dann unterschiedliche Voraussetzungen geprüft, etwa ob das Urteil mit deutschem Recht vereinbar ist, ob das ausländische Gericht zuständig war, und ob die relevanten Schriftstücke korrekt zugestellt wurden. Für die Anerkennung ausländischer Urteile existieren zudem Zustellungsmöglichkeiten und Verfahren, die eine Anerkennung in Deutschland erleichtern beziehungsweise die Chancen hierfür verbessern.

GameStar: Was geschieht, wenn das Urteil in Deutschland nicht anerkannt wird?

Sebastian Schwiddessen: Ein US-Urteil muss nicht zwingend in Deutschland vollstreckt werden. Es könnte auch in einem anderen Land vollstreckt werden, in dem die unterlegene Partei Vermögenswerte besitzt, die dann im Wege der Zwangsvollstreckung verwertet werden können. In anderen Ländern ist die Anerkennung von US-Urteilen noch einmal erheblich einfacher, etwa in Südkorea. Und selbst wenn Bossland zurzeit keinerlei Vermögenswerte in einem Drittstaat unterhält, bleiben US-Urteile über einen sehr langen Zeitraum vollstreckbar. Blizzard erhält also die Option, später in anderen Ländern die Zwangsvollstreckung zu betreiben, sollte Bossland sich jemals dort niederlassen.

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Warum klagt Blizzard in den USA?

GameStar: Klagt Blizzard denn in Kalifornien, weil sie nach dortigem Recht mehr Aussicht auf Erfolg haben als vor deutschen Gerichten?

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Sebastian Schwiddessen: Darum geht es meiner Ansicht nach nicht. Blizzard hat auch in Deutschland bislang alle wichtigen Klagen gewonnen. Zwar wurden einige wenige Klagen verloren, dabei ging es jedoch eher um unbedeutende Nebenkriegsschauplätze. Spätestens nach den Entscheidungen des OLG Hamburg zum Wettbewerbsrecht und des OLG Dresden zum Urheberrecht kann man konstatieren, dass der Rechtsstreit für Bossland alles andere als gut läuft. Auch vor dem BGH wird Bossland meiner Ansicht nach in den wichtigen Punkten verlieren. Die Rechtsverletzungen sind einfach zu offensichtlich.

GameStar: Und worum geht es dann bei der Klage in den USA?

Sebastian Schwiddessen: Die Klage in den USA dient vermutlich eher dem Ziel, bei Bossland möglichst viele Ressourcen zu binden. Anders als in Deutschland trägt in den USA nämlich jede Partei selbst die eigenen Prozess- und Anwaltskosten. Also auch die obsiegende Partei. Selbst wenn Bossland sich daher erfolgreich gegen die Klage in den USA zur Wehr setzen sollte, müsste Bossland trotzdem die eigenen Prozess- und Anwaltskosten tragen. Stellt Bossland sich dem Verfahren in den USA hingegen nicht, droht dort ein Versäumnisurteil. Anschließend kann dann in Deutschland auf Anerkennung des Versäumnisurteils geklagt werden, um spätestens dann weitere Ressourcen von Bossland zu binden. Setzt Bossland sich andererseits bereits in den USA zur Wehr und verliert dort, stehen zunächst die dortigen Kosten zu Buche und anschließend kann Blizzard in Deutschland auf Anerkennung des erstrittenen Urteils klagen und nochmals Ressourcen binden. Auf Bossland kommen daher weitere Prozesskosten zu, völlig unabhängig davon, ob man das Verfahren am Ende gewinnt oder verliert. Blizzard nimmt die eigenen Prozesskosten vermutlich in Kauf, da der finanzielle Schaden, den Blizzard durch Bosslands Produkte erleidet, um ein Vielfaches größer ist.

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Umgeht ein Cheat-Tool den Kopierschutz?

GameStar: Blizzard nutzt Cheatschutzprogramme, um Cheater aus ihren Spielen auszusperren und Hacks zu identifizieren. Die Bossland-Hacks sind darauf ausgelegt, von diesen Programmen nicht entdeckt zu werden. Damit verstoßen sie laut Blizzard gegen den Digital Millennium Copyright Act (»DMCA«), 17 U.S.C. §1201(b)(1), indem sie Blizzards Schutzmaßnahmen umgehen. Liegt hier tatsächlich ein Copyright-Verstoß vor?

Sebastian Schwiddessen: Meiner Ansicht nach ja. § 1201(b)(1)(A) des DMCA sieht ausdrücklich vor, dass die Herstellung oder das öffentliche Anbieten eines Produkts einen Copyright-Verstoß darstellt, wenn es vorrangig zum Zweck entworfen wurde, technische Schutzmaßnahmen zu umgehen, die dazu dienen die Rechte des Urhebers zu schützen. Genau dazu dienen die meisten Bossland-Produkte. Ferner verbietet § 1201(b)(1)(B) DMCA Produkte, die wirtschaftlich keinen anderen Nutzen verfolgen, als urheberrechtliche Schutzmaßnahmen zu umgehen. Auch das trifft auf einige Teile der Bossland-Produkte zu, da diese keinen Nutzen verfolgen - abgesehen von der Möglichkeit Blizzards Schutzmaßnahmen zu umgehen.

Im Internet gibt es kostenpflichtige Cheat-Tools für fast alle Spiele, hier ein Wall-Hack für Call of Duty: Ghosts. Im Internet gibt es kostenpflichtige Cheat-Tools für fast alle Spiele, hier ein Wall-Hack für Call of Duty: Ghosts.

GameStar: Außerdem verschlüsselt Blizzard seine Spieldateien, damit Hacker die für Cheats notwendigen Dateien nicht einfach abrufen können. Ist es illegal, solche Programmdateien zu entschlüsseln?

Sebastian Schwiddessen: Ja. Zumindest nach dem Wortlaut der Vorschrift ist das sehr wahrscheinlich. Als Umgehung einer technischen Maßnahme gilt demnach auch die Entschlüsselung eines Werkes ohne das Einverständnis des Urhebers. In Deutschland kommt es auf die Frage im Übrigen gar nicht entscheidend an, da nach der bisher erfolgten Rechtsprechung des OLG Dresden schon die kommerzielle Nutzung der Client-Software zur Herstellung der Bots einen Urheberrechtsverstoß darstellt. Das Urteil des BGH hierzu bleibt noch abzuwarten, ich habe aber wenig Zweifel, dass diese Rechtsprechung dort bestätigt wird.

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Gilt die EULA oder nicht?

GameStar: Um ein Blizzard-Spiel herunterladen und spielen zu können, müssen Nutzer zunächst einer Vereinbarung zustimmen, dass sie keine Cheats nutzen oder verbreiten und keine Spieldateien modifizieren. Wie bindend sind solche EULA-Vereinbarungen?

Sebastian Schwiddessen: Das ist eine gute Frage, die in den bisherigen Verfahren in Deutschland unterschiedlich beurteilt wurde. Das LG Hamburg hatte wesentliche Vorschriften des End User License Agreements (EULA) zunächst als bloße spielinterne Regeln angesehen. Diese würden damit auch keiner AGB-Kontrolle unterliegen. Das OLG Hamburg sah das in zweiter Instanz anders und stufte die EULA-Regularien als AGB ein, die zwischen Blizzard und dem Spieler vereinbart werden und die - so das OLG Hamburg weiter - im Übrigen auch wirksam sind. Die Spieler verpflichten sich somit durch Zustimmung zu den EULA-Regularien dazu, nicht zu schummeln. Auch hier steht das BGH-Urteil aber noch aus. In den USA ist die Einbindung von AGB in Verträgen noch einfacher als in Deutschland. Von daher gehe ich stark davon aus, dass das angerufene Gericht in Kalifornien die EULA-Bestimmungen ebenfalls als vertragliche Vereinbarung zwischen dem Spieleanbieter und Spieler ansehen wird.

GameStar: Bildet die Tatsache, dass Bossland Produkte anbietet, die es anderen ermöglichen, durch den Einsatz von Cheats gegen die EULA zu verstoßen, überhaupt eine Grundlage für eine Klage?

Sebastian Schwiddessen: Auch das ist eine interessante Frage. Durch die Nutzung von Hacks begehen zunächst die entsprechenden Spieler Vertragsbruch. Sie können daher vom Spiel ausgeschlossen werden, wie es ja auch regelmäßig geschieht. Die Frage ist aber, ob Bossland die jeweiligen Spieler zu diesem Vertragsbruch verleitet hat. Das wäre sowohl in den USA als auch in Deutschland wettbewerbswidrig und ausreichende Grundlage für eine Klage. In Deutschland wurde die Frage vom OLG Hamburg bereits entscheiden. Nach dem OLG Hamburg begehen deutsche Spieler zwar keinen Vertragsbruch, dennoch hat Bossland das Verfahren insgesamt verloren, da es nach dem Gericht hierauf aus unterschiedlichen Gründen gar nicht ankommt.

Das Verfahren um Honorbuddy, einen Bot für World of Warcraft, geht im Oktober vor den Bundesgerichtshof. Das Verfahren um Honorbuddy, einen Bot für World of Warcraft, geht im Oktober vor den Bundesgerichtshof.

GameStar: Und deutsche Spieler begehen keinen Vertragsbruch, weil die Entscheidung, den Bot zu verwenden, nicht bei Bossland liegt, sondern beim Spieler selbst?

Sebastian Schwiddessen: Genau. Ferner konnte das Gericht nicht feststellen, dass Bossland über das bloße Angebot der Hacks hinaus auf die Spieler irgendwie einwirkt. Wie gesagt hat Bossland das Verfahren trotzdem verloren, da es hierauf am Ende nicht entscheidend ankam, weil noch andere Rechtsverletzungen im Raum standen. Die von Blizzard in den USA erhobene Klage stützt sich jedenfalls auch auf den Aspekt einer Verleitung zum Vertragsbruch durch Bossland. Begründet wird dies konsequenterweise nicht nur damit, dass Bossland seine Produkte gegenüber US-Bürgern anbietet, sondern diesen darüber hinaus auch beim Einsatz der Software hilft, etwa über das extra dafür eingerichtete Forum. Es ist also gut möglich, dass die Frage des Vertragsbruchs in den USA anders beurteilt wird.

Wie wird der BGH entscheiden?

GameStar: Wie wird der BGH diese Frage ihrer Ansicht nach entscheiden?

Sebastian Schwiddessen: Ob die Frage der Verleitung zum Vertragsbruch auch noch Gegenstand des BGH-Verfahrens ist, wissen aktuell nur die Parteien. Ich halte die Begründung, mit der das OLG Hamburg eine Verleitung zum Vertragsbruch durch Bossland abgelehnt hat, jedenfalls nicht für zutreffend. Auch das LG Hamburg hat diese Frage im Jahr 2009 anders beurteilt und eine Verleitung zum Vertragsbruch in einem anderen Cheatbot-Verfahren bejaht. Es kann meines Erachtens nicht darauf ankommen, dass die Entscheidung, den Bot zu nutzen, beim Spieler selbst liegt. Würde man das zum Maßstab machen, läge ein Verleiten zum Vertragsbruch fast nie vor. Allenfalls in völlig abwegigen Erpressungssituationen könnte man dann noch von »verleiten« sprechen.

GameStar: Also könnte der BGH die Frage des Verleitens zum Vertragsbruch auch anders entscheiden?

Sebastian Schwiddessen: Sofern die Frage noch Teil des Verfahrens ist: Ja, durchaus. Meiner Ansicht nach setzt ein »Verleiten« begrifflich lediglich voraus, dass jemand zu etwas ermuntert wird. Dass die Person die Entscheidung selbst trifft, spielt keine Rolle. Davon abgesehen unternimmt Bossland über den bloßen Verkauf seiner Produkte hinaus sehr wohl zahlreiche weitere Aktivitäten, durch die den Spielern die Nutzung der Hacks erleichtert oder schmackhaft gemacht wird. So betreibt man ein gut besuchtes Serviceforum, und auch die Werbung ist speziell darauf angelegt, die Vorzüge der Hacks und damit des Vertragsbruchs für potentielle Kunden aufzuzeigen.

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Verstoßen Cheat-Tools gegen das Urheberrecht?

GameStar: Blizzard geht davon aus, dass Bossland Overwatch-Spieldateien entschlüsselt und ausliest, um Informationen wie eine Karte mit den Positionen aller Spieler anzuzeigen. Gilt so ein Programm als »derivative work«, also als von Overwatch abgeleitetes Produkt? Ist es prinzipiell illegal, solche Drittprogramme zu kommerziell vertriebenen Spielen zu programmieren und zu verkaufen?

Sebastian Schwiddessen: Mit »derivative work« ist ein neues Programm gemeint, in dem ein nicht völlig unbedeutender Teil des ursprünglichen Werks in konkreter beziehungsweise dauerhafter Form enthalten ist, und das eine ausreichende eigene Originalität besitzt. Ein solches abgeleitetes Werk benötigt also eine gewisse Schöpfungshöhe. Dann kann es für sich ein neues Werk darstellen. Sofern also in den Bossland-Hacks bestimmte Elemente aus den Spielen von Blizzard enthalten sind, können sie rechtlich durchaus als abgeleitetes Werk eingestuft werden. In Deutschland ist die Herstellung derartiger Werke zwar auch ohne Zustimmung des ursprünglichen Urhebers erlaubt, sofern das neue Werk aber veröffentlicht oder verwertet werden soll, bedarf es in der Regel der Zustimmung durch den Urheber. Diese liegt im vorliegenden Fall offensichtlich nicht vor. Tatsächlich beinhaltet die EULA ausdrücklich eine Regelung, nach der die Anfertigung von »derivative works« nicht gestattet ist. In den USA stellt sich die Situation ähnlich dar. Dort steht das Recht ein abgeleitetes Werk zu erstellen, in erster Linie dem Urheber zu. Zwar gibt es Ausnahmen, in denen die Herstellung gerechtfertigt sein kann, aber auch in den USA bestehen ohne Zustimmung des Urhebers keinerlei Rechte an dem noch aus dem ursprünglichen Werk stammenden Teil. Damit ist auch dort eine Verwertung ohne Zustimmung nicht erlaubt.

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GameStar: Hat Blizzard denn das Recht, über seine EULA »derivative works« zu verbieten - und können sie das gerichtlich durchsetzen?

Sebastian Schwiddessen: Ja. Wie schon erläutert, bedarf es spätestens für die Verwertung eines derivativen Werks der Zustimmung des ursprünglichen Urhebers. Eine solche Zustimmung kann durch das EULA ausdrücklich ausgeschlossen werden. Wird das derivative Werk trotzdem vertrieben, stehen dem ursprünglichen Urheber unterschiedliche Ansprüche zu, die zum Gegenstand einer Klage gemacht werden können - zum Beispiel Unterlassungsansprüche.

Schaden Cheater Blizzard finanziell?

GameStar: Blizzard erklärt, dass Bossland dem Studio finanzielle Schäden zufügt, weil cheatende Spieler den Unterhaltungswert und den Ruf von Blizzards Spielen bei ehrlichen Spielern beeinträchtigen und sie damit Kunden verlieren. Lässt sich damit eine Schadensersatzforderung begründen? Könnte Blizzard einen echten Einkommensverlust, der direkt von Bosslands Cheats verursacht wurde, überhaupt beweisen?

Sebastian Schwiddessen: Absolut. Das OLG Hamburg hat diesbezüglich klare Worte gefunden: »Es liegt auf der Hand, dass aus der Sicht des angesprochenen Verkehrs, zu dem auch die Mitglieder des Senats gehören, ein auf Wettbewerb ausgerichtetes Spiel, bei dem ehrliche Spieler gegenüber unehrlichen Spielern benachteiligt werden, erheblich an Attraktivität einbüßt. Der Erfolg jedes als kompetitiv konzipierten Spiels steht und fällt mit der Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen der Spieler.« In dem Verfahren ging es im Übrigen nicht nur um einen wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsanspruch, sondern auch darum, dass Blizzard von Bossland genaue Auskunft darüber verlangt hat, wie viele Bots Bossland bisher verkauft hat und welcher Umsatz damit generiert wurde. Das Gericht hat auch diesen Auskunftsanspruch bejaht.

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GameStar: Inwiefern spielt das eine Rolle?

Sebastian Schwiddessen: Die von Bossland zu tätigenden Auskünfte können später zur Vorbereitung eines Schadensersatzprozesses dienen und sind dann für Beweisfragen relevant. Das Gericht hat außerdem gleichzeitig festgestellt, dass Bossland alle entstandenen und künftig entstehenden markenrechtlichen Schäden zu ersetzen hat. Auch das OLG Dresden, vor dem es um urheberrechtliche Fragen ging, hat einen entsprechenden Auskunftsanspruch gegen den CEO von Bossland bejaht. Und auch dort hat man gleich festgestellt, dass dieser alle aus den verfahrensgegenständlichen Handlungen entstandenen oder noch entstehenden Schäden zu ersetzen hat. Sofern der BGH beide Urteile aufrechterhält, was meines Erachtens sehr wahrscheinlich ist, wird es daher langsam eng für Bossland.

GameStar: Außerdem erklärt Blizzard, dass die Cheats ihnen beträchtlichen Aufwand zur Schadenskontrolle abverlangen. Dazu gehören regelmäßige Aktualisierungen der Spiele- und Anti-Cheat-Tools, Kundenanfragen, das Identifizieren und Sperren von Cheatern etc. Blizzard schätzt, dass ihnen dadurch zehn bis mehrere hundert Millionen Dollar Schaden entstanden sind. Ist dies eine legitime Basis für eine Schadensersatzforderung?

Sebastian Schwiddessen: Natürlich ist auch das eine legitime Basis für einen Schadensersatzanspruch. Es liegt auf der Hand, dass Blizzard ohne die Cheatbots von Bossland keine Kosten entstehen würden, um auf diese zu reagieren. Genau solche Schäden können im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs geltend gemacht werden. Die Höhe kann durchaus beträchtlich sein, bedenkt man, dass es um mehrere sehr erfolgreiche Spiele geht und Bossland bereits seit Jahren aktiv ist. Die genaue Schadenshöhe wird allerdings erst später ein Thema sein, vorausgesetzt der BGH bestätigt die bisherigen Urteile.In den USA gibt es zudem die häufig sehr hohen »Punitive Damages«, die vielen Menschen aus den Medien bekannt sein dürften. Damit soll nicht nur der Schaden kompensiert werden, sondern der Schädiger zugleich eine Strafe erhalten.

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