Seite 2: Project Eternity - Comeback der Partygänger

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Übersicht dank Draufsicht

Bei der Erforschung der Welt marschieren die sechs Helden in zwei Reihen herum, auch Dreiecks- und T-Formation sollen noch integriert werden. Außerdem experimentiert Obsidian mit neuartigen Varianten, zum Beispiel einer Formation, bei der der Abstand zwischen robusten Kämpfern und fragilen Magiern größer ist - damit anrückende Nahkämpfer sich nicht gleich auf die Zauberwerfer stürzen. Obwohl die uns gezeigten Spielszenen noch ein rudimentäres Platzhalter-Interface am unteren Bildrand haben, springt der Wiedererkennungs-Funke sofort über: Die Szenerie mutet wie handgemalt an, dank der Kombination aus Kamerawinkel und Proportionen fühlen wir uns an lange Abende erinnert, in denen wir die Dungeons von Baldur's Gate, Icewind Dale & Co. erkundeten.

Und so hübsch die Mittendrin- Perspektive moderner Rollenspiele wie Skyrim oder Mass Effect auch aussieht, hat sie doch auch spielerische Nachteile: Sie eignet sich gut für Actionkämpfe mit einzelnen Helden, lässt aber die Übersicht vermissen, die wir für die Steuerung einer größeren Gruppe in taktischen Scharmützeln benötigen. Denn wie es sich für ein taktisches Old-School-Rollenspiel gehört, stehen die Planung und die Positionierung der einzelnen Spielfiguren im Mittelpunkt der Schlachten: Wir dürfen die Echtzeit-Kämpfe jederzeit einfrieren, um in Ruhe Kommandos zu verteilen. Neu ist der Modus »Slow Combat«, bei dem das Geschehen in Zeitlupe abläuft. So bleibt genug Muße, um die Truppe zu befehligen, ohne das Geschehen dafür ständig komplett anhalten zu müssen. Dank der flüssigen 3D-Animationen sieht der verlangsamte Kampfverlauf ziemlich cool aus und bringt einen Hauch von Bullet Time in die Fantasy-Gefechte.

Zwar erbt Project Eternity die Perspektive der Rollenspiele-Klassiker, nicht aber deren Krümelgrafik: Dank der technischen Modernisierung sieht es wesentlich detaillierter und einladender aus als seine Ahnen. Das liegt nicht nur an der höheren Auflösung, die Spielwelt wirkt auch durch eine Vielzahl kleiner Animationen lebendiger. Ein mit Blut gefülltes Becken in der Mitte einer Dungeon-Etage blubbert subtil, Fackeln flackern mit Partikeleffekten und spenden die dynamisches Licht. In der Mitte dieses Levels soll zudem noch ein animierter Wasserfall eingebaut werden.

Um eine der beiden Statuen schwebt eine Lichtkugel – man beachte den detaillierten Schattenwurf. Um eine der beiden Statuen schwebt eine Lichtkugel – man beachte den detaillierten Schattenwurf.

Neu sind auch Grafikeffekte wie volumetrischer Nebel, der geheimnisvoll durch eine Landschaft wabert. Die dynamischen Schatten der Charaktere werden realistisch vom Terrain deformiert, und die Spielwelt-Ausleuchtung sorgt für einen stufenlosen Tag-Nacht-Wechsel. Das 3D-Fundament der Unity-Engine macht sich zudem bei den Charakteren bemerkbar: Mit der Pixel-Technik von früher musste jede Animationsphase einzeln definiert werden, Sprites als Rollenspielfiguren sind aus Entwicklersicht daher »a big pain in the ass«, wie Brennecke betont: »Jede Veränderung am Charakter, etwa das Anlegen neuer Ausrüstung, machte einen Riesenaufwand, weil man alle Item-Kombinationen separat animieren musste. Mit einer 3D-Engine ist es hingegen ziemlich einfach, die einzelnen Bestandteile zu kombinieren.

Nach all den Jahren mit Einzelkind-Rollenspielen entzückt die Aussicht, endlich wieder eine ganze Heldentruppe zu konfigurieren und dirigieren. Warum ist niemand früher drauf gekommen ist, dieses Prinzip erneut aufzugreifen? Adam Brennecke meint dazu, dass Obsidian von jeher überzeugt war, dass es einen Markt für diese Art von Spiel gebe. Nur erwies es sich jahrelang als unmöglich, ein mittelgroßes Budget dafür finanziert zu bekommen: »Von den Publishern hörten wir Dinge wie: ›Nein, ihr müsst ein richtiges 3D-Spiel machen - ändert die Kamera!‹«. Obsidian war also auf die fast 4 Millionen Kickstarter-Spendendollar angewiesen. Solche Zahlen lassen auch andere aufhorchen: »Angesichts der Indie-Bewegung und des Wachstums von Steam erwärmen sich inzwischen mehr Publisher für solche Projekte«, ergänzt Brennecke.

Durch dieses Gebirge wabert volumetrischer Nebel, die Unity-Engine macht’s möglich. Durch dieses Gebirge wabert volumetrischer Nebel, die Unity-Engine macht’s möglich.

Bis zur Veröffentlichung soll noch rund ein Jahr vergehen, doch Obsidian-intern werden frühere Prototypen von Project Eternity bereits gespielt. Für die nächste Testversion arbeitet das Team daran, die elf Charakterklassen samt ihrer Spezialfähigkeiten bis Level 5 zu integrieren. Tim Cain, ein Veteran des ursprünglichen Fallout-Teams, ist kürzlich als Vollzeitkraft dazu gestoßen, die Inhaltsproduktion läuft auf Hochtouren: Brennecke scrollt durch den hausinternen Blog, auf dem Teammitglieder ihren Kollegen zeigen, woran sie gerade arbeiten.

Dann springen wir durch einige halbfertige Schauplätze wie die Gebirgslandschaft, die unsere Helden auf dem Weg zu einem Drachen-Wyrmling durchqueren. Dort, wo dessen Nest eingebaut werden soll, klafft noch eine Lücke in der Landschaft - das Schuppentier entsteht nebenan beim Kollegen, der Konzeptzeichnungen in ein 3D-Modell umsetzt. Dann besuchen wir eine Siedlung, in der sich die einzelnen Gebäude betreten lassen - auch wenn deren Interieur leer ist, weil an den entsprechenden Grafikinhalten noch gearbeitet wird. »Work in Progress«-Entwicklungsalltag eben, doch die unvollendeten Komponenten wirken schon mal stimmig und verheißungsvoll.

Der rechte Monitor zeigt die Vorlage zum Drachen-Wyrmling. In der Mitte entsteht das 3D-Modell, welches schließlich im Spielweltlevel links landet. Der rechte Monitor zeigt die Vorlage zum Drachen-Wyrmling. In der Mitte entsteht das 3D-Modell, welches schließlich im Spielweltlevel links landet.

Obsidians neues Kampfsystem ist derweil frei von den Restriktionen der D&D-Regeln, die ursprünglich für gesellige Tabletop-Runden erfunden wurden. Wer wen für wie viel Schaden trifft, das soll in Project Eternity klarer sein, dank der Verwendung von Prozentbereichen und weniger Regelausnahmen, wie sie für D&D typisch sind. Tim Cain seufzt ein Beispiel: »Da wirkt ›Einschläfern‹ nicht, weil das Ziel ein Elf und dadurch immun ist, aber dieses spezielle Gas setzt sich darüber hinweg, doch der Charakter hat ein Item, dass ihm einen Rettungswurf gibt ... und so weiter. Wir haben dagegen ein geradliniges System, das in Echtzeit abläuft und leicht zu verstehen ist. Es ist eine modernere Herangehensweise für ein Rollenspiel.« Josh Sawyer fügt hinzu: »Wir verwenden einen größeren Zahlenbereich mit mehr Detailgenauigkeit - D&D muss dagegen mit Würfeln funktionieren. Und deren vier bis 20 Werte kann man eben nicht beliebig oft unterteilen.«

Die Klassen

Fragt man Team-Mitglieder nach ihren Lieblingsklassen, hört man als Antwort meist »Cipher« oder »Chanter«. Kein Wunder, denn während neun der elf Klassen auf etablierten D&D-Konzepten basieren - kein Fantasy-Rollenspiel ohne Krieger, Dieb, Magier, Priester & Co. - handelt es sich bei diesem Pärchen um ungewöhnliche Obsidian-Eigenkreationen. Der Chanter lässt sich am ehesten mit einem Barden vergleichen, er sorgt für Schutz- und Stärkungszauber, zum Beispiel einen Feuerbonus für die Waffen aller Party-Mitglieder. Mit seinen »Chants«, also seinen Schlachtgesängen, rezitiert er Phrasen aus historischen Balladen und erweckt damit Geister, während er nebenbei normal weiterkämpft. Die Kombination der einzelnen Chants sorgt für Kombos, denn nachdem eine Phrase aufgesagt wurde, hält ihre Wirkung noch einige Sekunden weiter an. Inzwischen können Sie das nächste Zitat wählen, dessen Wirkung sich mit dem vorigen überschneidet. Fleißiges Chanten baut außerdem Energie auf, wodurch Angehörige dieser Klasse gelegentlich einen Schrei ausstoßen können. Der ist quasi ein Zauber mit direktem Effekt, der zum Beispiel alle Gegner in einem bestimmten Wirkungskegel schädigt. Dann geht es mit dem Chanten weiter, bis genug Kehlkopfkraft für den nächsten Schrei beisammen ist.

»Core Four« - Nicht sonderlich originell, aber diese Kernklassen gehören einfach in jedes Fantasy-Rollenspiel.

Kämpfer: Im Verteidiger-Modus werden die Nahkämpfer zu besonders robusten Tanks.
Priester: spendieren jede Menge Heilung und anregende Buffs für die ganze Truppe.
Schurke: können prima schleichen und Angriffen ausweichen. Schadensbonus, wenn man Gegnern in den Rücken fällt.
Zauberer: Schwerpunkt Schadenszauber, können auch ein buffendes Totem beschwören.

Fünf Freunde - Etwas ausgefallenere Klassen, die an bekannte D&D-Vorbilder erinnern.

Barbar: Wilde Burschen, die rasant übers Schlachtfeld sprinten, um sich auf den nächsten Feind zu stürzen.
Paladin: eingeschränkte Heilfähigkeiten, aber sehr robust und Wiederbelebungs-Starthilfe leistend.
Waldläufer: Die Naturburschen teilen mit ihrem Begleitertier einen gemeinsamen Vorrat an Lebenspunkten.
Druide: Tierform durch Gestaltenwandlung annehmen und damit neue Sonderfähigkeiten erlangen.
Mönch: Eingesteckter Schaden füllt die Ressource »Wunden«, mit der Spezialangriffe ausgelöst werden.

Zwei Spezialitäten - Die beiden ungewöhnlichsten Klassen im Aufgebot sollen für spielerische Frische sorgen.

Chanter: Reihen einzelne Phrasen für Buff-Kombos aneinander und greifen mit Schreien direkt ins Kampfgeschehen ein.
Cipher: Zapfen die Seele von Freund oder Feind an um verschiedene Effekte rund um das Ziel entstehen zu lassen.

Die Cipher-Klasse lässt sich am ehesten mit den Psionikern von Dungeons & Dragons vergleichen, die sich mit Gedankenkraft in die Oberstübchen anderer Helden einschleichen und Objekte per Telekinese bewegen können. Doch auch hier gibt es einige Unterschiede. Cipher-Fähigkeiten zeichnen sich dadurch aus, dass sie zunächst eine eher bescheidene Wirkung entfalten, die durch fortlaufende Konzentration allmählich zunimmt. So wächst zum Beispiel »Mind Jab« vom irritierenden Kopfweh zur verheerenden Schadensspitze beim gepeinigten Gegner.

»Cipher sind in der Lage, die Seele anderer Leute anzuzapfen und zu manipulieren, um Energie zu erzeugen«, erklärt Josh Sawyer die Klasse. Die Auswirkungen entstehen rund um die Spielfigur, deren Seele anvisiert wird, was einige interessante taktische Möglichkeiten eröffnet. Zum Beispiel kann ein elektroschockendes Energiefeld zwischen Feind und Cipher entstehen, dessen Wirkungsbereich sich verlagert, wenn die beiden »Seelengefährten« sich übers Schlachtfeld bewegen. »Ein Cipher benötigt immer eine andere Person als Anker für seine Fähigkeiten,« betont Sawyer. »Das ist ein einschränkender Faktor, sorgt aber auch für einige einmalige Effekte.« Dabei ist die Ressource »Focus« zu beachten, die ein Cipher durch Attacken erst einmal aufbauen muss.

Bei so vielen Old-School-Zutaten in Project Eternity stellt sich die Frage nach dem Schwierigkeitsgrad: Soll der ähnlich knackig ausfallen wie vor einem Jahrzehnt oder modernen Sanftheitsbedürfnissen entgegenkommen? Sowohl als auch, meint Josh Sawyer sinngemäß: »Wir wollen, dass die Kämpfe taktisch anspruchsvoll, aber nicht frustrierend sind. Der Standard-Schwierigkeitsgrad wird nicht so knallhart sein wie damals bei Icewind Dale 2, sondern eher auf dem Niveau von dessen Vorgänger liegen. Wenn dir das immer noch zu viel ist, kannst du auch eine Stufe runter gehen und es leichter haben. Gehst du dagegen von der Standard-Einstellung aus eine Stufe rauf, dann betrittst du die Schwierigkeitsgefilde von Baldur's Gate 2 oder Icewind Dale 2.«

Der höchste Härtegrad hört nicht umsonst auf den lieblichen Namen »Pfad der Verdammten«. Für die Extraportion Retro-Flair ist auch ein Experten-Modus geplant, bei dem diverse Komfortfeatures abgeschaltet werden, das Interface sparsamer ausfällt und es weniger Hinweise gibt. Wer es noch härter möchte, kann seine Nerven im Spielmodus »Trial of Iron« strapazieren: Ähnlich wie beim Hardcore-Diablo gibt es nur einen Spielstand -wird die Party besiegt, wird dieser automatisch gelöscht.

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