Seite 3: Pillars of Eternity im Test - Spitzenspiel mit Seele

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Taktische Tiefe

Das macht Kämpfe weit taktischer und anspruchsvoller, als bisher in einem Spiel dieses Genres, denn unsere Gruppe kann sich nicht mehr bis zum Hals hochbuffen, bevor sie den bösen Bären unangespitzt in den Boden rammt. Mit Hilfe der Spähfähigkeit finden wir nicht nur Fallen, versteckte Schalter oder Beutelager. Wir können damit auch die Gegend auskundschaften, um Feinde herumschleichen, die uns zu stark sind oder unsere Gruppe perfekt positionieren, bevor wir aus dem Schatten zuschlagen.

Kämpfe bieten viele taktische Möglichkeiten. Wir können Feinde beispielsweise in Durchgängen oder Engpässen blockieren. Kämpfe bieten viele taktische Möglichkeiten. Wir können Feinde beispielsweise in Durchgängen oder Engpässen blockieren.

Oder wir blockieren Engpässe mit unseren Nahkämpfern und eröffnen mit Fernkämpfern die Klopperei: Dann kommt ein riesiges Arsenal von Fähigkeiten und Zaubersprüchen zum Einsatz - und jede/r einzelne davon ist nützlich für bestimmte Situationen. Krieger werfen Feinde zu Boden, Magier jagen hochgefährliche Flächenzauber in Feindesgruppen, unser Medium kontrolliert Feinde oder induziert Wahnvorstellungen in bedauernswerte Gegnerseelen.

Der Priester schützt und heilt und kontrolliert sich einen Wolf - sein Repertoire an teamdienlichen Zaubern ist exorbitant! Und eine der coolsten neuen Klassen ist der Sänger, dem wir immer neue sogenannte Phrasen beibringen und nach Bedarf zu einem Gesang zusammenstellen, dessen Intonation nach und nach besondere Fähigkeiten im Kampf freischaltet.

Das umreißt nur dürftig die taktischen Möglichkeiten, die sich uns im Kampf bieten. Eine drehbare Kamera brauchen wir nicht, die Auswahlkreise sowie halbdurchsichtige Strukturen sorgen so gut wie immer für ausreichende Übersicht. Ja, Obsidian, so verleiht man Kämpfen Tiefe und Seele. Genau so!

Wir regeln die Thronfolge des Dyrwalds neu. Mit Waffengewalt. Wir regeln die Thronfolge des Dyrwalds neu. Mit Waffengewalt.

Dass teilweise die Wegfindung hakt, wir Charaktere zum gewünschten Angriffsziel dirigieren müssen und unsere Helden manchmal auch einfach gar nicht angreifen, stört da auch nicht groß. Spätestens, wenn wir einen höheren Schwierigkeitsgrad als »Normal« wählen, müssen wir sowieso taktisches Mikromanagement betreiben und die Fähigkeiten und Zauber unserer Gruppe kennen und sinnvoll einsetzen. Oder wir versuchen eben, Kämpfen aus dem Weg zu gehen - wenn möglich.

Aber kostet es uns nicht Erfahrung, wenn wir Feinde umgehen? Nein, denn es gibt keine Erfahrung mehr fürs stumpfe Geprügel. Erfahrung (auf insgesamt zwölf Stufen) bekommen wir nur solange für Kämpfe, bis wir den Gegnertyp für unser Bestiarium ausreichend studiert haben. Dann wissen wir genau, welche Art Waffe effektiv gegen diesen Gegner ist oder welches Element ihn so gar nicht juckt. Erfahrung bekommen wir aber auch fürs Erkunden der Welt, für das Entschärfen von Fallen oder das Entdecken von Geheimnissen. Und natürlich für die Erledigung von Quests.

Talente und Konsequenzen

In solchen gezeichneten Sequenzen werden spannende Aktionen beschrieben, die von unseren Talenten abhängen. In solchen gezeichneten Sequenzen werden spannende Aktionen beschrieben, die von unseren Talenten abhängen.

Haben wir ausreichend Erfahrung gesammelt, dürfen wir Fähigkeitenpunkte in fünf Talentbereiche aufteilen: Heimlichkeit, Athletik, Wissen, Mechanik und Überleben. Mechanik ist beispielsweise für die Entdeckung und Entschärfung von Fallen wichtig. Das macht in dem offenen Klassensystem aber nicht mehr nur der Schurke: In unserem Spieldurchlauf war der Priester der technisch versierte Mann! Prinzipiell können wir jeden Charakter auf eine uns passende Rolle zuschneiden. Magier in Platte? Kein Problem, denn die Schwere der Rüstung beeinflusst »nur« die Zeit, die zwischen zwei Aktionen vergeht.

Die Talente sind zusätzlich für einen erzählerischen Kniff zuständig. So finden wir immer wieder Orte, die wir nicht oder nur schwer erreichen können. In gezeichneten Ereignisbildschirmen können wir unser Vorgehen wählen. Haben wir einen Enterhaken und ein Seil dabei, können wir versuchen, damit den Abgrund zu überqueren oder zum Fenster im ersten Stock eines schwer gesicherten Gebäudes hochzuklettern.

Und dann wird ein Talentwurf auf Athletik durchgeführt: Bestehen wir, kommen wir unbeschadet an. Schaffen wir es nicht, oder ziehen uns Verletzungen zu, kann das eine Handverstauchung oder eine Gehirnerschütterung nach sich ziehen, die uns eine ganze Weile erhalten bleiben und unsere Werte in Mitleidenschaft ziehen. So schafft man Atmosphäre, Glaubwürdigkeit und sinnvolle Konsequenz! Wir sind begeistert!

Zu schwer, um Spaß zu machen?

Schafft das Spiel denn überhaupt die Balance zwischen Herausforderung und Spielspaß? Und noch wichtiger: Kommen auch Anfänger und Nicht-Taktiker auf ihre Kosten? Die Antwort ist einfach und lautet: Ja, absolut. Die Schwierigkeitsregelung im Spiel ist die vielleicht durchdachteste, die uns je untergekommen ist. Wer es gern unkompliziert mag und nicht lange an einem Kampf tüfteln will, wer maximal in großen Bosskämpfen ein klein wenig Herausforderung sucht, der spielt auf »leicht«. Der normale Schwierigkeitsgrad ist für halbwegs erfahrene Spieler, denen eine mittlere Herausforderung ausreicht. »Mittel« heißt in diesem Fall, dass die Gruppe gern mal stirbt und große Kämpfe oft auf Messers Schneide stehen.

Der niedliche kleine Hund ist unser Begleiter, kämpfen kann er aber nicht. Wir können aber auch ein süßes kleines Ferkel, einen Minidrachen oder die Zombiekatze als Haustier mitnehmen. Der niedliche kleine Hund ist unser Begleiter, kämpfen kann er aber nicht. Wir können aber auch ein süßes kleines Ferkel, einen Minidrachen oder die Zombiekatze als Haustier mitnehmen.

Profis greifen zum Schwierigkeitsgrad »schwer«: Hier wird nicht einfach an den Monsterfähigkeiten geschraubt, hier werden uns mehr Monster in anderen Zusammensetzungen vor die Nase gesetzt. Die Gegnerwerte werden dann in der letzten Schwierigkeitsstufe zusätzlich angehoben und für den Overkill setzen wir ein Häkchen, bei dem wir nur das eine Savegame haben, das beim Verlassen des Spiels angelegt wird. Stirbt die Gruppe, wird es gelöscht. Da sollte für jeden die passende Einstellung dabei sein.

Wunderbare Welt von Eora

Die tolle Atmosphäre spiegelt sich auch im abwechslungsreichen Weltdesign wider. Wirken die alten Infinity-Engine-Welten heute etwas platt, glänzt Pillars of Eternity mit vorgerenderten Hintergründen, die einen Detailgrad erreichen, der für die heutige Zeit absolut angemessen ist. Toll animiertes Wasser, Schmetterlinge im Wind, von den Bäumen fallendes Laub, streunende Tiere, tolle Licht- und Raucheffekte: Es ist einfach fantastisch anzusehen. Gut, abgesehen von den Effekten sind die Umgebungen statisch, Bäume etwa stehen immer steif in der Gegend herum. Dafür ist aber auch der Tag- und Nachtwechsel glaubwürdig inszeniert, nachts begegnen uns auf der Straße weniger und auch andere Leute (Kriminelle und Kurtisanen!).

Überall finden sich kleine Beschreibungen der Umgebungen. Da lesen wir an einem halb eingestürzten Haus den Hinweis, dass sich Feldmäuse unter den Holzbalken eingenistet haben. Oder die Zombiekatze, das Ergebnis von Beseelungsexperimenten, die wir als Begleittier mitnehmen können, wird anschaulich-widerlich beschrieben (»Du versuchst, sie zu streicheln. Ein Klumpen Fell löst sich«). Dadurch werden die visuellen Eindrücke so geschickt untermalt, dass unsere Fantasie den Rest erledigt und uns so mit vergleichsweise geringen Mitteln eine wunderbar stimmungsvolle Welt präsentiert.

Umgebungsbeschreibungen Nur ein kleiner Trick, aber eine großartige Wirkung: kleine Umgebungsbeschreibungen sorgen für zusätzliche Immersion.

Umgebungsdetails Die Details in der Welt sind erstaunlich: Das drehende Mühlrad mahlt richtig Korn.

Item-Geschichten Viele Gegenstände haben tolle Geschichten parat!

Noch dazu dürfen wir immer mal wieder die Seelen von Passanten »lesen« - und erleben dabei mal witzige, mal traurige, mal erbauliche, mal schreckliche Geschichten. Die deutsche Übersetzung holpert zwar gelegentlich, ist im Großen und Ganzen aber gelungen - bei den Texten, die Sprachausgabe bleibt englisch.

Die grafischen Details leiden in der vollen Zoomstufe durch eine leichte, aber störende Unschärfe, hier wurde Potenzial verschenkt. Aber schon auf der mittleren Ansicht ist der Anblick - vor allem auch der Charaktere - stimmig. Selbst die Finger sind zu sehen, die Animationen bei Handlungen wie dem Entschärfen von Fallen oder im Kampf sind sehr gut. Auch Sound ist gelungen! Kampfgeräusche krachen, Zauber werden gesprochen, sirren, fetzen, zischen und brutzeln um uns herum. In alten Ruinen knarzt das Holz, Geister heulen und jammern. Wasser gluckert, die Schrittgeräusche passen sich perfekt dem Untergrund an. In der Stadt hören wir lebendige Umgebungen, im Wald zwitschern die Vögel, pfeift der Wind, rauscht das Wasser. Und die englischen Sprecher, die viele Dialogteile vertonen, sind großartig!

Wir haben selten eine Welt gesehen, die trotz eigentlich statischer Hintergründe so lebendig wirkte. Die Welt von Eora ist rundum ein Erlebnis, ein Abenteuer, ein Epos mit ganz viel Seele geworden. Im wahrsten Sinne des Wortes.

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