Prison Architect und das Rote Kreuz - Das sagt der Anwalt: Sind Entwickler Kriegsverbrecher?

Die Entwickler von Prison Architect haben unerlaubt das Rote Kreuz verwendet und so gegen die Genfer Konvention verstoßen. Wir fragen einen Anwalt, ob dieses Schicksal auch anderen Spielen droht.

Weil in der Verkaufsversion des Gefängnis-Aufbauspiels Prison Architect ein Rotes Kreuz zu sehen war, schickte das Britische Rote Kreuz eine mahnende E-Mail an die Entwickler: Das rote Kreuz sei »kein allgemeines Zeichen für Krankenwagen, erste Hilfe, Krankenpflege oder Ähnliches«, sondern das geschützte Kennzeichen einer internationalen Organisation. Wer es verwende - vor allem zu kommerziellen Zwecken - verstoße gegen die Genfer Konvention und müsse mit Strafen rechnen.

Das klingt völlig absurd: Ein wenige Pixel großes Kreuzchen, das in Prison Architect auf Sanitäter-Rucksäcken und Krankenwagen prangt, stellt einen Verstoß gegen die Genfer Konvention dar? Jene Genfer Konvention, die im realen Kriegsfall den Umgang mit Verwundeten, Kriegsgefangenen und Zivilisten regelt?

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Die Prison-Architect-Entwickler färbten das Kreuz nicht nur im Spiel um (jetzt ist es grün), sondern erklärten auch in einem Video, dass sie wegen des Verstoßes gegen die Konvention nun offiziell als »Kriegsverbrecher gelten. Aber - stimmt das denn? Ist der Gebrauch des Roten Kreuzes wirklich strafbar? Und müssen nun nach Prison Architect auch andere Spielemacher mit Konsequenzen rechnen?

Diese Fragen reichen wir an einen Experten weiter: Sebastian Schwiddessen, LL.M. ist Rechtsanwalt im Bereich IT- und Medienrecht bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Baker & McKenzie. Er berät nationale und internationale Mandaten aus der Entertainment- und IT-Branche.

Sind Entwickler Kriegsverbrecher?

GameStar: Die Entwickler des Spiels Prison Architect soll durch die Verwendung des Roten Kreuzes die Genfer Konvention gebrochen haben und bezeichnen sich nun als »Kriegsverbrecher«. Ist das rechtlich korrekt?

Sebastian Schwiddessen: Das ist nicht richtig. Die dahingehende Äußerung der Entwickler war sicherlich nicht ganz ernst gemeint. Zwar verbietet die Genfer Konvention in Art. 53 tatsächlich die Verwendung des Roten Kreuzes, und viele Länder haben dieses Verbot im Rahmen der Umsetzung der Genfer Konvention auch in nationales Recht übernommen, so etwa Großbritannien. Um ein Kriegsverbrechen zu begehen, muss jedoch auch ein realer bewaffneter Konflikt vorliegen, der bestimmte Voraussetzungen erfüllt. Virtuelle Konflikte reichen dabei nicht aus. Und selbst in einem realen bewaffneten Konflikt sind nur ausgewählte und schwere Verstöße gegen die Regeln des Völkerrechts gemeint. Etwa ein vorsätzlicher Angriff auf die Zivilbevölkerung. Die Verwendung des Roten Kreuzes in einem Computerspiel stellt somit zwar eine Verletzung der Genfer Konvention dar, als »Kriegsverbrecher" gilt man deswegen aber nicht.

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GameStar: Darf man das Rote Kreuz als geschütztes Kennzeichen einer internationalen Organisation also tatsächlich nicht in einem Spiel darstellen?

Sebastian Schwiddessen: Das ist tatsächlich nicht erlaubt. Länder, die sich der Genfer Konvention angeschlossen haben, haben sich unter anderem verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um den unbefugten Gebrauch des Wahrzeichens des »Roten Kreuzes« und aller Zeichen, die eine Nachahmung darstellen, zu verhindern. Dementsprechend haben viele Länder nationale Gesetze erlassen, welche die Nutzung des Roten Kreuzes durch Dritte untersagen. Allerdings weichen die Sanktionsmöglichkeiten von Land zu Land stark voneinander ab. In Deutschland ist das Verbot etwa in §3 des Gesetzes über das Deutsche Rote Kreuz und andere freiwillige Hilfsgesellschaften im Sinne des Genfer Rotkreuz-Abkommens geregelt.

Herbeigerufene Sanitäter trugen in Prison Architect ein winziges Rotes Kreuz auf dem Rucksack. Herbeigerufene Sanitäter trugen in Prison Architect ein winziges Rotes Kreuz auf dem Rucksack.

GameStar: Drohen Strafen, wenn man das Emblem des Roten Kreuzes in Deutschland unerlaubt nutzt?

Sebastian Schwiddessen: Aus der Norm ergeben sich keine Sanktionsmöglichkeiten für den Fall eines Verstoßes. Das Deutsche Rote Kreuz hat auf Grundlage dieser Norm aber zumindest die Möglichkeit, die Nutzung zu untersagen; notfalls auch gerichtlich. Die Norm beinhaltet jedoch auch eine Ausnahme. So kann Dritten eine beschreibende Benutzung des Zeichens und der Bezeichnungen nur untersagt werden, wenn diese geeignet ist, das Recht auf die Verwendung durch das Deutsche Rote Kreuz in Frage zu stellen. Wann das konkret der Fall ist, muss je nach Einzelfall entschieden werden.

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GameStar: Wie sieht es in anderen Ländern aus?

Sebastian Schwiddessen: In anderen Ländern ist das Verbot zum Teil erheblich strenger umgesetzt und ein Missbrauch auch mit unmittelbaren Sanktionen belegt. In Großbritannien kann etwa eine Geldbuße verhängt werden. In der Schweiz droht sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. In Kanada hatte das Rote Kreuz im Übrigen bereits 2006 eine Pressemitteilung veröffentlicht und Videospielehersteller darin aufgefordert, die Verwendung des Symbols in Videospielen zu unterlassen, da man beobachtet hatte, dass diese dort häufig auf MediPacks etc. zu finden sei.

Prison Architect - Test-Video: Im besten Knast der Welt Video starten 3:37 Prison Architect - Test-Video: Im besten Knast der Welt

Was bedeutet das für andere Spiele?

GameStar: Und was bedeutet das für andere Spiele, die das rote Kreuz verwenden?

Sebastian Schwiddessen: Vielen Spieleherstellern ist die Problematik nicht bekannt. Das mag auch daran liegen, dass es zahlreiche Verstöße gibt, von denen die meisten nicht geahndet werden. In der Vergangenheit haben einige Spielhersteller, die von dem Verbot erst später Kenntnis erlangt haben, ihre Spiele nachträglich angepasst. So wurde etwa bei Doom das auf den MediPacks zu findende rote Kreuz nachträglich in ein rot-weißes Pillensymbol umgeändert. Häufig wird aufgrund dieser Problematik anstelle eines roten Kreuzes auch ein grünes Kreuz verwendet, so wie jetzt im Fall von Prison Architect. Im Zweifel oder bei Problemen sollten Spielehersteller je nach Land zuvor rechtlichen Rat einholen, um die genaue Rechtslage einschätzen zu können.

GameStar: Gilt das auch für andere Kennzeichen, etwa das Logo der Vereinten Nationen?

Sebastian Schwiddessen: Das kann man so pauschal nicht beantworten. In den verschiedenen Ländern können unterschiedliche Symbole aus ganz unterschiedlichen Gründen verboten sein. Deutsche Spieler etwa kennen die leidige Diskussion um das Verbot von verfassungsfeindlichen Symbolen in Videospielen nur zu gut. In einigen nicht-christlich geprägten Ländern darf aus religiösen Gründen ein rotes Kreuz nicht einmal vom Roten Kreuz verwendet werden, weshalb die Organisation dort seit jeher Roter Halbmond heißt. Diesbezüglich gibt es zahlreiche Beispiele. Auch Symbole von internationalen Organisationen können darunter fallen, wobei die Rechtslage in jedem Land unterschiedlich sein kann. Die Flagge der Vereinten Nationen unterliegt ebenfalls Beschränkungen, insbesondere im Hinblick auf die kommerzielle Verwendung.

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