Open Routine-Doom

Im Weltuntergangsgewerbe tut sich ja allgemein nur schleppend etwas, aber mit Fallout 3 hatte Bethesda 2008 bewiesen gehabt, dass postapokalyptische Szenarien...

von TheVG am: 31.05.2013

Im Weltuntergangsgewerbe tut sich ja allgemein nur schleppend etwas, aber mit Fallout 3 hatte Bethesda 2008 bewiesen gehabt, dass postapokalyptische Szenarien doch ihren Reiz haben können. Basierend auf der Rollenspielreihe aus den späten 90ern erlebte das Genre eine kleine Rennaissance. Borderlands mal außen vor gelassen (spielt nämlich auf einem anderen Planeten), traute sich auch id Software schnell daran, ein Ödland zu schaffen, in dem man sich mit Ballerpower gegen Banditen und Mutanten zur Wehr setzen musste. 2011 war es dann auch so weit, und Rage erblickte das Licht der Welt. Dabei ist das Spiel schon für sich eine kleine Sensation. Wer id kennt, weiß, dass eigentlich nur klassischer Shooter draufsteht. Doch versuchten sich die Väter des Egoshooters mal an einer offenen Welt mit Rollenspielelementen. Ich war sehr gespannt darauf, als ich nach der üblichen Steam-Installation und fetten 17 GB auf der Festplatte endlich die postapokalyptische Welt betreten durfte.

Wohnlich - Das Design ist wohl gelungen und vermittelt die richtig Atmosphäre

Zu spät

Wenn mal kein Bruce Willis zur Stelle ist, dann hat die Erde wohl nicht viel zu lachen. Denn als ein riesiger Asteroid auf unsere Heimat einzuschlagen droht, ist die Menschheit gegen das Monster schlichtweg machtlos. Also werden wir alias der Protagonist zusammen mit anderen Auserwählten in die so genannte Arche gesteckt und tief in der Erde vergraben. So kommt es, wie es kommen muss, und der Gesteinsbrocken schlägt frontal ein. Mehr als 100 Jahre später erwachen wir letztlich als einziger Überlebender der Arche wieder und sehen uns der Welt entgegen, die sich nach der Katastrophe entwickelt hat.

 

Hier herrscht – wie sollte es auch anders sein – das Gesetz des Dschungels vor. Banditenclans plündern und kämpfen um ihr Überleben, während sich andere in neu gegründeten Städten um Ruhe und Ordnung bemühen. Doch bleibt unser Auftauchen natürlich nicht ohne Folgen. Die Städter sind uns skeptisch gestimmt, aber noch mehr fürchten sie das Eingreifen der Regierungstruppen. Denn wir tragen ein Geheimnis mit uns, das die neue Weltordnung zum Erschüttern bringen könnte...

Ich finde es, du nicht? - Dan Hagar scheint an sein Territorium gefesselt zu sein und schickt uns für Medikamente los.

Fast zu schnell

Wer schon mit Borderlands seinen Spaß hatte, dürfte sich in Rage schnell wohlfühlen. Ich sage bewusst nicht Fallout, weil Rage leider nicht das RPG-Prinzip des Bethesda-Rückkehrers erreichen kann. Ja, wir brauchen Geld. Ja, wir haben ein Inventar. Ja, wir bauen uns spezielle Ausrüstung. Aber entwickeln wir unseren Charakter nicht, erledigen keine aufwändigen, vielschichtigen Aufgaben oder führen Multiple-Choice-Gespräche mit Einfluss auf den Spielablauf. Wir sammeln eher wie in Gearbox´ Sammelshooter Aufgaben und alles, was uns in den Bildschirm kommt. Die Aufgaben haben eher den Sinn, Banditen und Mutanten zu erschießen geschweige denn Botengänge auszuführen, für mehr ist Rage einfach zu actionlastig geworden, also doch wieder typisch id.

Das beginnt schon mit den ersten Abschnitten, wo uns zu Beginn ein Mutant anfällt (nette Begrüßung in der neuen Welt) und ein gewisser Dan Hagar uns das Leben rettet. Der ist so nett, uns in seiner Siedlung aufzunehmen, bittet uns aber auch sogleich um diverse Gefallen, wo ich mich fragen musste, ob der Rüstung und Sonnenbrille tragende Glatzkopf das auch nicht hätte selbst erledigen können. Nein, da ruft er ein vom Kryoschlaf geschwächten Archebewohner zu Hilfe und macht einen auf Logistiker samt Schreibbrett in den Griffeln. Na schön, Nachvollziehbarkeit hin oder her, dafür werden wir gleich mal stilecht in die Spielmechanik eingeführt. In der Siedlung beschränkt sich das noch auf das Bewegen, anschließend wird auf den Buggy in der Garage gehüpft und ein weiteres, wichtiges Element von Rage zutage getragen: das Fahren. Denn das Spiel mit seiner Open World-Ausrichtung setzt viel auf solche Einlagen, in denen wir von Ort zu Ort, sprich von Auftrag zu Auftrag rollen oder uns eben die Freiheit nehmen können, in der Einöde Mäuschen zu spielen. Dabei ist die Steuerung etwas zu direkt ausgefallen, was man sich aber schnell angewöhnen kann.

Auch hier ist der Vergleich zu Borderlands kein abwegiger, denn der Einstieg verläuft so recht schnell. Wer nun ein id-Veteran ist, wird auch mit Rage keine Probleme haben, da schon der erste Auftrag zeigt, dass das Spiel sich im Shootersektor eben wie ein astreiner id-Titel spielt. Schnörkellose Action, sehr gute Shootersteuerung (leider ohne zusätzliche Bewegungstasten wie dem Hinauslehnen) und verschachtelten, aber auch schlauchigen Levelabschnitten. Also ballern wir uns durch ein paar Ruinen, und ein paar Ghost-Banditen (die mich vom Design frappierend an The Witcher erinnern) später sind wir auch schon wieder am Eingang, um uns unsere Belohnung abzuholen.

Belohnungen sind zwar nicht so üppig wie in Borderlands, aber lohnt sich das Durchsuchen der Leichen oder Aufklauben jedes losen Gegenstandes auf Dauer durchaus. Dies sind meist Einzelteile oder Reliquien aus vergangener Zeit, denn die sind im Grunde sehr beliebt oder notwendig, also nehmt ruhig jede noch so banal anmutende Konservendose mit, die so rumsteht. Man kann den Kram im Notfall verkaufen, sollte ihn aber aufheben, weil sich dadurch nützliche Zusatzwaffen oder Bandagen basteln lassen. Die Bauanleitungen gibt´s durch Erledigen von Aufgaben, wer also denkt, er habe einen Haufen Schrott im Gepäck, irrt sich in den meisten Fällen.

Wo ist der Grand Canyon? - Auch außerhalb der Siedlungen können wir uns (begrenzt) austoben.

Zu simpel?

Wie gesagt: Charakterentwicklung gibt es nicht, und auch wenn wir unsere Buggys tunen oder auch Einzelteile zu Spezialausrüstung verbauen können, bleibt Rage ein recht einfach Vergnügen. Planungsphasen sind hier nicht mal annähernd an der Tagesordnung, so dass man den Eindruck schnell wieder verliert, sich in einem RPG-Spiel zu befinden. Trotzdem erscheint Rage einen Ticken komplexer als Borderlands, wenn auch lange nicht an Fallout 3 heranreichend, was dazu führt, dass man das Spiel irgendwo dazwischen einordnen wird.

Man darf ja froh sein, dass sich id überhaupt die Mühe gemacht hat, ein Quasi-Open-World-Spiel zu entwickeln, und langweilig ist das Spiel bei Gott nicht. Wem die ersten Shooterpassagen nur ein müdes Lächeln entlocken konnte, darf sich später auf recht anspruchsvolle Abschnitte freuen. Da zieht der Schwierigkeitsgrad nach drei bis vier Spielstunden an, was sich spätestens bei der ersten Totenstadt-Mission bemerkbar macht. Da haben wir es nicht nur mit den üblichen Mutantenbauern zu tun, da kommt auch schon mal der Läufer und der Springer auf´s Spielbrett. Dann beharken uns neben Schleimmutanten auch haushohe Zwischenbosse, Spießgesellen mit eingebauter Peitsche oder mit Granaten bewaffnete lange Lulatsche. Das waren aber nur die Mutantengegner, auch die Regierung hat so ihre Gegnertypen mit verschiedenen Eigenschaften. Die regulären Soldaten sind schon eine Hausnummer, doch gibt es die auch mit Schilden ausgestattet oder die, die wie ausgebildete Turner durch die Landschaft hüpfen und in unserer Nähe explodieren. Die sehen wirklich ulkig aus, sind aber ziemlich gefährliche Zeitgenossen.

Für einen motivierend Einstieg ist Rage sehr geeignet, trotzdem sollte man sich auf eine steile Lernkurve einstellen. Zum Glück versorgt uns id mit allen Annehmlichkeiten eines Shooters. Schnellspeichern, gelegentliche Checkpoints und Speicherpunkte anlegen – da dürfen wir schalten und walten, wie wir wollen. Als zu simpel würde ich es trotz allem Komfort nicht ansehen, da die Levels immer schwerer werden und gar den Schwierigkeitsgrad von Doom 3 übertrumpfen.

Letztlich muss ich in dem Punkt aber doch wieder meckern, weil das Finale trotz der Ambitionen und, wie man id eben so kennt, sehr mau ausgefallen ist. Da drückt man ein paar Knöpfe, wartet auf ein paar mickrige Gegnerwellen und ist einige Minuten später Zeuge eines kurzen Renderfilmchens. Man wird da zwar von den NPCs vorgewarnt, aber trotzdem hätte man sich doch im Gesamten etwas mehr erhofft.

Zum Schein

Mit dem Fahrelement hat der Entwickler Neuland betreten, und man darf neidlos anerkennen, dass ihnen die neuartige Auslegung sehr gut gelungen ist. Die Fahrzeuge steuern sich angenehm, und man kann sich im Ödland gerne zu weiteren Schandtaten antreiben lassen. Neben den üblichen Fahrten zu den Aufträgen kann man auch durch beherzte Sprünge fliegende Regierungssonden sammeln oder als Kurier Geld verdienen. Richtig fordernd sind die Scharmützel mit Banditenbuggys, die uns auf unserem Weg ein um´s andere Mal angreifen und so zu spannenden Gefechten zwingen (man kann die aber auch ignorieren und per Turbotaste abhängen).

Hier ist sogar etwas Aufbauarbeit vonnöten. Wer im Ödland fahrenderweise überleben will, sollte dringend seinen fahrbaren Untersatz aufrüsten. Sei es der Wagen selbst, der mit verstärkter Karosserie oder solch fiesen Gimmicks wie mit Spitzen versehenen Felgen die Überlebenschancen erhöht, oder die Bewaffnung, die man sich nach und nach verdient. Dafür braucht es Rennscheine, die man sich bei Rennen verdient, zusätzlich versorgt uns Sally aus der Bar der Stadt Wellspring regelmäßig als Belohnung damit. Das hält den Motivationsfaktor hoch, bringt uns aber nicht in die Verlegenheit, nicht zu wissen, wohin mit dem vielen Geld. Wer was kaufen will, muss auch was dafür tun, und genau das ist es, was ich von einem Spiel dieser Art erwarte.

Typisch id - Horrorelemente gehörten schon immer zu den Stärken des Doom-Entwicklers.

Zum Fürchten

Id versteht es einfach, dem Spieler das Fürchten zu lehren. Zwar ist Rage kein Doom, und getriggert wird hier auch wieder bis zum Erbrechen, jedoch kann ich nicht verhehlen, dass ich wieder schön schaurige Momente erleben durfte. Das liegt nicht nur eben an den getriggerten Situationen, die der Doom-Macher wieder gut gesetzt hat, sondern auch wieder mal an der Atmosphäre, die die Levels versprühen. Denn nicht nur der postapokalytische Look sorgt für Wohligkeit von Endzeitfans, sondern hat man mal, salopp gesagt, den Glibber und die Ekligkeiten aus dem Höllenshooter einfach mit eingebaut. Das kommt zwar nur in den Shooterabschnitten überhaupt zur Geltung, macht aber rein gar nichts, weil sie schon vom Prinzip her aufzeigen, wo der Horrorhammer hängt. Nicht ganz so blutig wie Doom, aber trotzdem wieder vorhanden und ein sicherer Garant für Schocker.

Das kann nur nicht ganz die läppische Erzählweise übertünchen, mit der Rage seinen roten Faden spannt. Die Story wird nämlich hauptsächlich durch die Locations und Ansagen der NPCs (Dialoge kann man sie ja wegen dem stummen Held nicht nennen) erzählt, und das verhindert ein völliges Eintauchen in die Materie. In der Umgebung passen wiederum die Kommentare ganz gut, die Einwohner lassen gerne mal ein paar nette Worte heraus. Das Drumherum ist also recht gut gelungen, doch fehlt dem Ganzen das gewisse fundamentale Etwas. Warum dann noch die Regierungstruppen und deren Stützpunkte endgültigen Stilbruch begehen, wage ich mal in die Routine der Entwickler hinein zu interpretieren, denn kann id es einfach nicht sein lassen, kalt-technologisches Design in ihre Spiele einzubauen. Eigentlich mag ich solches Design ja sehr gerne, aber hier wirkt das nicht konsequent.

Auch ist man mit den wichtigsten NPCs nicht so glücklich und voll erfüllt, wie es sich für ein Spiel höherer Spielzeit gehört. Wir werden zuerst mit dem oben erwähnte Dan Hagar kollaborieren, anschließend mit ein paar Figuren in der Stadt Wellspring Bekannschaft machen und dann hauptsächlich mit den paar Widerständlern zu tun haben. Auch hier fehlt mir ein wenig der Bezug, den ich aufbauen will, und die Personen tun sowieso nichts anderes als Situationen zu erklären sowie Aufträge zu beschreiben. Anfangs ist das nicht schlimm, um sich in der Welt zurecht zu finden, jedoch bleibt dieser Umstand bis zum Finale hängen, so dass ich lediglich „Alléz, man sieht sich.“ sagen würde und die Jungs während meiner Abschlussfahrt schon wieder aus dem Gedächtnis getilgt hatte.

Immer im Fokus - Rage spielt sich ähnlich knackig wie sein Vorgänger. Man beachte den Stilbruch (Soldat zur restlichen Umgebung)

Zu alt

Eine etwas aufgemotzte id-tech-5-Engine wurde angepasst, um Außenareale besser zu verarbeiten, und trotzdem wurde ich das Gefühl nicht los, als ob sich außer eben diesem Punkt rein gar nichts geändert hätte. Der Doom 3-Look ist immer noch als solcher erkennbar, pumpt höchstens den Detailgrad auf und hat ziemliche Probleme mit dem Texturenladen. Dass mich das unweigerlich an Borderlands erinnerte, kann man aufgrund des ähnlichen Spielprinzips glatt als Ironie des Schicksals annehmen. Dafür sieht die Grafik zwar nicht mehr taufrisch aus, hat aber immer noch ihren Reiz. Leveldesign, Animationen oder Lichtspielereien; das ist immer noch eine Hausnummer. Es sieht immer noch imposant aus, wenn sich organische Fleischklumpen über zerfallenen Stein legen. Dabei sind die Anforderungen gar noch etwas moderater als befürchtet, denn außer dem Texturenmanko spielt sich Rage ziemlich flüssig. Wer in den Einstellungen alles aufföhnen will, braucht jedoch schon eine kräftige Maschine unter´m Hintern (wichtigste Framebremse ist hier der Texturencache). Ein Tipp dazu: Wer trotz mittelprächtiger Kiste ein bisschen frisieren will, schaltet einfach Texturencache auf niedrig und GPU Transkodierung ein, dann sind die Nachladezeiten deutlich geringer und man kann das Spiel auch eher genießen, anstatt ständig Zeit für den richtigen Look zu vergeuden. Denn behält sich Rage nur die unmittelbare Umgebung im Gedächtnis und lädt gar nach, wenn wir alte Areale nur wenig später wieder betreten.

Soundtechnisch gibt es da kein größeres Problem zu vermelden, auch wenn ich schon mal gerne gelacht hatte, als ein Menü- oder Ereignissound aus den Boxen tönte. Irgendwie passte das nicht so ganz ins Szenario, aber ok, davon kann man auch mal absehen, weil das Gesamtbild eh kein stimmiges abgibt. Musik ist hier deutlich zur Untermalung da, und das ist rein stimmungstechnischer Natur als es catchy bezeichnen zu wollen, also sind die Tracks eher keiner großen Erwähnung wert. Man ergötzt sich ja sowieso eher an den Hintergrundsounds oder Monstergurglern, die als Unterstützung für die Atmosphäre richtig gewählt sind. Und wenn die Figuren nur rumstehen und den Lehrer raushängen lassen, haben gar die deutschen Sprecher ihren Job sehr gut erledigt. Da wirkt jeder von ihnen engagiert, was sich letztlich auch gut im Gesamteindruck niederschlägt.

Fazit

Wäre da nicht dieser lasche Schluss gewesen, würde ich Rage weit besser beurteilen als es der Fall ist. Man kann sich als Open World-Fan durchaus auf das Spiel einlassen, muss aber auch einsehen, dass das Erkunden nur im enger abgesteckten Rahmen möglich ist und als Vergleich zu Borderlands oder Fallout 3 nur den Kürzeren zieht. Wer allerdings einen reinrassigen id-Shooter erwartete und vielleicht auch wollte, wird sich sicherlich auch mit der Fahrerei abgeben können, weil die Auftragsdichte recht üppig ist und selbst bei sturer Abhandlung der Hauptquests lange genug zu tun haben dürfte. Für einen zweiten Durchlauf ist Rage allerdings zu wenig von allem.


Wertung
Pro und Kontra
  • Wohlig-schaurig passender Grafikstil
  • Soundkulisse
  • Sehr gute (deutsche) Sprecher
  • Horror- und Endzeitatmosphäre
  • Durch Open World aufgeblähter Umfang sorgt für Motivation
  • Steuerung durchgängig gut
  • KI vielseitig und recht clever
  • Texturen laden ständig nach
  • Musik belanglos
  • Stil zu inkonsequent gestaltet
  • Keine richtige Karte vorhanden
  • Handlung schwach präsentiert

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(2)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.