Angriff auf die Großen

Multiplayershooter mit taktischen Elementen, da sucht man schonmal längere Zeit nach Alternativen. Hat man, wie meine Freunde und ich, erstmal ein paar...

von orangutasi am: 01.02.2016

Multiplayershooter mit taktischen Elementen, da sucht man schonmal längere Zeit nach Alternativen. Hat man, wie meine Freunde und ich, erstmal ein paar hundert Stunden in diversen Battlefield-Ablegern versenkt, so hat man auch hohe Ansprüche an andere Spiele. Groß müssen sie sein, umwerfend schön, viel Abwechslung, viel Content, viel zum Freischalten, damit man auch bei der Stange bleibt. Möchte man zumindest meinen. Warum ich das schreibe? Weil ich bisher dachte, dass ein Team-Shooter diese Dinge unbedingt braucht um mich von Battlefield weg in seinen Bann zu ziehen. Weil ich zu einem der Gelegenheitsspieler geworden bin, die ich beim Lesen von Kommentaren und Foreneinträgen früher nur mit einem Kopfschütteln bedacht hätte.

Ich habe mich an anderen Shootern probiert, an AAA-Titeln wie Black Ops 3, an Free-2-Play-Titeln wie Planetside 2 oder auch am mittlerweile als "Hardcore"-Shooter-Primus bezeichneten Counter Strike, doch der Funke wollte nicht überspringen. Doch dann kam Rainbow Six: Siege.

Angefangen hat dabei alles mit dem ersten Let's-Play zum Spiel auf dem Youtube-Kanal "Battle Bros" von Ex-Redakteur Fabian Siegismund. Die Prämisse des Spiels ist schnell erklärt: 2 Teams, jeweils 5 Spieler. Team 1 greift an, Team 2 verteidigt, nach jeder Runde wird gewechselt, soweit, so bekannt. Doch Rainbow Six bringt mutig taktische Tiefe dazu, in einer Form, wie man sie heute leider nur noch selten finden kann. Jeder Spieler wählt zu Rundenbeginn einen von 10 Operators pro Seite, jeder mit einer speziellen Fähigkeit. Diese ist nie Übermächtig, kann von gegnerischen Operators immer ausgehebelt werden und geht, bei unkoordiniertem Vorgehen, auch gern mal ins Leere.

Bei den Karten handelt es sich dabei immer um geschlossene Räume, Rainbow Six bietet Infanterie-Kämpfe in geschlossenen Umgebungen und auf engem Raum. Die Wege sind dabei zahlreich, an welcher Stelle die Angreifer eindringen lässt sich meist erst bestimmen, wenn der erste schon drin ist. Die Verteidiger haben allerdings die Möglichkeit Wege zu blockieren oder mit Fallen zu spicken. Ein Beispiel: Jeder Verteidiger kann während der Vorbereitungsphase 2 Wände verstärken. Diese können dann nicht mehr durchschossen oder von Sprengladungen zerstört werden. Einzig der Angreifer Thermite verfügt über Sprengsätze, die verstärkte Wände und Falltüren öffnen können. Ist dieser im Angreifer-Team nicht vertreten, so ist an der verstärkten Wand Schluss, das Team muss sich einen anderen Weg bahnen.

Und genau das ist die Paradedisziplin von Rainbow Six: Es gibt keine Situation die unlösbar ist, keine übermächtigen Operators oder gar die Möglichkeit, einen Raum hermetisch gegen einen Angriff abzuriegeln. Vielmehr entscheiden Mapkenntnis, Gehör und Teamwork über Sieg oder Niederlage. Rainbow Six ist eines dieser Spiele, die den Spieler dazu auffordern sich einzuarbeiten, klar zu kommunizieren und am Ball zu bleiben und belohnt dies mit einem unglaublich intensiven Spielerlebnis.

Wer hingegen zwischendurch gern mal allein unterwegs ist, auch ohne menschliche Mitspieler, der wird an Rainbow Six wahrscheinlich nichts finden. Die "Situationen" genannten Tutorial-Missionen erklären zwar in immerhin 11 Einsätzen die Grundlagen des Spiels, sie sind aber auch der einzige Inhalt der in entfernter Form an eine Singleplayer-Kampagne erinnert. Hier sind wir, bis auf den letzten Einsatz, allein unterwegs gegen KI-Gegner, die uns bei vorsichtigem Vorgehen aber auch auf dem höchsten Schwierigkeitsgrad kaum gefährlich werden können. Zudem haben wir in den Einsätzen keinen Zeitdruck, sodass wir in aller Ruhe Sprengfallen räumen und Terroristen mit unserer Drohne aufspüren können, bevor wir dann einen nach dem anderen still und heimlich ausschalten. Spannend ist das nicht.

Der Koop-Modus "Terroristenjagd" schließt daran nahtlos an. Allein oder mit Freunden wirft uns das Spiel in ein zufälliges Szenario gegen die KI. Das hat neben den Nachteilen der Situationen aber noch einen unschönen Design-Fehler: sind wir mit einem Trupp kleiner als 5 unterwegs, so wird die Anzahl oder stärke der KI-Gegner nicht angepasst. Müssen wir uns dann zu zweit mit einer Geisel verschanzen kommt es dazu, dass uns die KI spätestens in der letzten von 4 Gegnerwellen bereits sämtliche schützenden Wände, Türen und Deckenluken weggesprengt hat, nur um uns anschließend aus allen Richtungen über den Haufen zu ballern. Das ist besonders schade, denn auch der Multiplayer-Part des Spiels entfaltet sein volles Potential erst, wenn wir in einer Gruppe von 5 mit Voicechat ausgestatteten Spielern spielen. Kleineren Gruppen verwehrt sich das Spiel, vor Allem Trainingsrunden gegen die KI, um zum Beispiel die Maps besser kennenzulernen, sind so nur bedingt möglich, auch, da wir Karte und Modus nicht frei wählen dürfen.

Wer sich aber nach aller Singleplayer-Hatz in den Multiplayer wirft, der wird via UPlay-Matchmaking mit anderen Spielern in einen Trupp gesteckt. Haben wir vorher im Hauptmenü Freunde zu unserem Trupp hinzugefügt, so werden wir auch immer mit ihnen in ein Team gesteckt, freie Plätze füllt das System auf. Das klingt zwar logisch, funktioniert aber trotzdem in vielen anderen Titeln, wie Battlefield 4, aus nicht nachvollziehbaren Gründen nicht. Ein weiterer Pluspunkt für Rainbow Six, dessen zwar rar gesäte aber dennoch durchdachte Komfortfunktionen allesamt Sinn ergeben.

Startet der Multiplayer einmal, so erklärt sich von hier an eigentlich alles von selbst. Verlassen Spieler die laufende Partie, füllt das Matchmaking die offenen Plätze meißtens sofort wieder auf. Wer zu spät in eine laufende Runde kommt, kann allerdings keinen Operator mehr wählen und wird mit der Klasse "Rekrut" aufs Spielfeld geschickt. Diese besitzt keine Spezialfähigkeiten oder Waffenaufsätze, hat somit also merkliche Nachteile. Doch überlegt man sich, was passieren würde, wenn man einfach ins laufende Match einsteigen und sich den Operator aussuchen könnte, der gerade gebraucht wird, so ist das doch zu verschmerzen.

Die noch frische Community des Spiels trägt außerdem zum großartigen Erlebnis bei. Vor allem die Nutzung der integrierten Voicechatfunktion hat es uns als Gruppe angetan. Wer schonmal GTA Online gespielt hat der weiß, wie lustig es ist, wenn ein Spieler in einem Match den Staubsauger oder russisches Popradio auf Anschlag laufen lässt und es die Mitspieler promt während des ganzen Einsatzes hören. Wer hingegen im Bereich der niegehörten Beleidigungen forschen möchte, dem sei der Voicechat der Call of Duty-Reihe ans Herz gelegt. Und bei Rainbow Six? Naja, perfekt ist es nie, die Nutzung des Voicechats als tasächliches Kommunikationstool für Absprachen ist im Vergleich zu den anderen Vertretern der Zunft aber durchaus vorbildlich, zwar kein Ersatz für eine Truppe mit TeamSpeak, aber dennoch gut. Scheinbar ist die Community doch deutlich älter und reifer als bei GTA oder CoD - hoffentlich bleibt das auch so, denn am Ende sind Absprachen genauso entscheidend wie das Halten der Klappe, wenn man nichts zu sagen hat.

Denn auch wenn Rainbow Six in seiner Präsentation eher zweckmäßig ist und auch auf älteren Rechnern in immernoch angemessener Form laufen sollte, so ist ein gutes Gehör von Nöten, ebenso wie ein gutes Headset. Wer aufmerksam zuhört, der kann einen unachtsam rennenden Gegner auch gern mal aus dem Stockwerk darunter verfolgen und dann im Treppenhaus mit gezogener Waffe abfangen. Oder der Gegner rennt durch einen Korridor bis jemand die nebenstehende Wand zersiebt.

Denn die Umgebung ist in Teilen zerstörbar. Welche Wände, Böden und Barrikaden sich unter Beschuss oder Sprengung wie verhalten, erfährt man in 3 kurzen Tutorial-Videos im Hauptmenü des Spiels. Eine Gipswand können wir zerballern und Sprengen, bei manchen Wänden bleibt das unterliegende Stahlgerüst immer erhalten, Beton und Stahl hingegen zeigen sich gänzlich unbeeindruckt von unseren Abrissversuchen.

Lobende erwähnung muss hier auch noch die zugehörige Homepage rainbow6.ubi.com finden. Sie bietet einen Überblick über das eigene Spielerprofil, inklusive Statistiken, die man wiederum mit Freunden vergleichen kann. Außerdem findet man hier ein browserbasiertes Taktiktool, mit dem sich auf den Maps verschiedene Laufwege einzeichnen lassen. Auch die gewünschten Operators und deren Ausrüstung ist hier wählbar.

Fazit: Der Multiplayerableger Rainbow Six: Siege, der außer dem Namen eigentlich nichts mit seinen Vorgängern gemein hat, ist ein rundum durchdachter, anspruchsvoller und abwechslungsreicher Taktik-Shooter, der vor allem für Gruppen von 5 Spielern jede Menge taktischen Tiefgang bietet und trotz einer überschaubaren Anzahl an frei- und zuschaltbaren Ausrüstungsgegenständen mehr als genug Möglichkeiten bietet das Spiel an die eigenen Vorlieben anzupassen. Auch und vor allem im E-Sport-Sektor könnte das Spiel die Shooter-Szene aufmischen.


Wertung
Pro und Kontra
  • Taktik und Teamplay
  • tolles Sounddesign
  • riesige taktische Vielfalt
  • komfortable Gruppenbildung
  • tolles Leveldesign
  • schwache Singleplayerinhalte
  • Matchmaking scheint zufällig

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



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