Spiele-Geheimtipp 2016 - Micha: Das Spiel, in dem Petra eine Niere verlor

Rimworld ist die Sims mit Freaks - und abgeschossenen Körperteilen. Dafür liebt es Micha abgöttisch.

Alles brennt, Roboter greifen an - Rimworld gibt sich stets alle Mühe, mich umzubringen. Alles brennt, Roboter greifen an - Rimworld gibt sich stets alle Mühe, mich umzubringen.

Ein Spiel, in dem ein wildgewordenes Eichhörnchen dem Kollegen Heiko Klinge die Augen auskratzt, kann kein schlechtes Spiel sein. Oder vielleicht doch, aber dann ist es zumindest ein schlechtes Spiel mit wundervoll absurden Momenten. Rimworld ist zum Glück ein gutes Spiel mit wundervoll absurden Momenten. Und ein Spiel, in dem ich meine Spielfiguren selbst benennen kann, zum Beispiel nach Kollegen. Tut mir wirklich leid, Heiko, aber Petra und Markus sind rechtzeitig vor dem Eichhörnchen geflüchtet.

Spielerisch erinnert Rimworld an den Zeichensatz-Strategieklassiker Dwarf Fortress, allerdings mit mehr Grafik und Science-Fiction: Mit einem Trio von Weltraum-Schiffbrüchigen (alternativ einem einsamen Überlebenden oder einem fünfköpfigen Primitivlingsstamm) kämpfe ich ums Überleben auf einem fremden Planeten. Und genau das macht mir Rimworld so schwer wie möglich.

Mit dem Schwierigkeitsgrad und der einstellbaren Bosheit des Erzählers (also gewissermaßen des Zufallsgenerators) steigt die Schlagzahl an kleinen und großen Katastrophen rasend schnell. Da überlebe ich wie ein Wunder ohne Tote (Petra hat nur ein Bein verloren, puh) den Angriff garstiger Mechanoiden, nur um drei Minuten später bei Heikos Begegnung mit dem Eichhörnchen Blut und Wasser zu schwitzen.

Da legt eine Sonneneruption alle elektrischen Geräte und damit auch meine automatischen Geschütztürme lahm, während gleichzeitig eine Horde Piraten meine mühsam aufgebauten Holzbarracken abfackelt. Zum Glück hat Johannes eine Minigun - wenn er damit nur nicht gerade auf Elefantenjagd wäre …

Emergent Storytelling: Wenn das Spiel zur Geschichte wird (Plus)

Der Autor
Michael Graf gehört zur GameStar-Chefredaktion, leitet das Kolumnen- und Reportressort und verantwortet die Inhalte für GameStar Plus. Das beste Spiel aller Zeiten ist seiner Meinung nach Homeworld, da duldet er auch keine Diskussion. Oder hört einfach weg, falls jemand doch eine anfängt. Über die Feiertage hat er sich fest vorgenommen, Enderal endlich durchzuspielen. Wer braucht denn noch Vollpreisspiele, wenn er solche Mods hat?

Wundervolle Zufallsgeschichten

Aus seinem Zufallsprinzip und seiner detaillierten Simulation generiert Rimworld immer wieder neue Geschichten. So wird jedem Körperteil meiner Schützlinge ein Zustand zugeordnet, von »gesund« über »vernarbt« bis »abgeschossen«, was sich wiederum auf ihre Arbeitskraft auswirkt.

Nachdem Petra ihr Bein eingebüßt hat, kann sie nicht mehr so schnell gehen, was ihren Nutzen als Rohstoffherumträgerin empfindlich einschränkt. Für eine bionische Prothese fehlt das Kleingeld, also muss ich Dimi (unseren Arzt) ein Holzbein schnitzen lassen. Weil sein Medizintalent zu niedrig ist, geht die Operation jedoch schief, und er schneidet Petra versehentlich in die Niere! Die NIERE! Bei einer Bein-OP! Kann hier überhaupt mal irgendwas klappen?

Ja, das kann's. Und wenn es klappt, ist das herrlich befriedigend. So wie damals, als Markus sein Kochtalent steigerte und fortan aus Elefantenfleisch und selbst gezogenen Kartoffeln feine Mahlzeiten zaubern konnte, die sogar die Moral ihrer Konsumenten erhöhten.

Kein Vergleich zum einfachen Essen, das er zum Partiebeginn zusammenmatschte, und das die Kollegen dazu brachte, seltsame grüne Flecken auf dem Boden zu hinterlassen, die Teilzeit-Putzmann Johannes wegmoppen musste. Ich meine, gut, kurz danach gab's einen Kurzschluss in einer Stromleitung und Markus verbrannte im Bett, weil ihn Elena nicht rechtzeitig löschen konnte. Aber das mit dem Kochen, das war toll!

Rimworld - Zu Recht ein Steam-Verkaufsschlager Video starten 18:23 Rimworld - Zu Recht ein Steam-Verkaufsschlager

Rimworld dreht sich eben um Survival, darum, aus widrigen Umständen das Beste zu machen. Und wenn das Beste heißt, dass pro Stunde ein Kollege stirbt, dann ist das eben so. Ich muss ja auch mit den Neuzugängen leben, die zu meinen Überlebenden stoßen. Oder die ich gefangennehme und zwangsrekrutiere.

Das sind dann gerne mal Neurotiker, Frauenhasser, Faullenzer, krankhafte Säufer oder Psychopathen, die beim kleinsten Ärgernis durchdrehen und um sich schießen. Also im Prinzip alles, was zu einer Spieleredaktion gehört. Und ja, ich muss mich um die Bedürfnisse meiner Kolonisten kümmern: Nahrung, Schlaf, Wärme oder Abkühlung, Spaß - Rimworld ist Die Sims mit Freaks. Und verlorenen Körperteilen.

Noch fehlt natürlich ganz viel Feinschliff, etwa beim Interface, für das es aber schon zahlreiche Mods gibt. Auch die Vielfalt an Gegenständen - etwa beim wichtigen Crafting - lässt sich mit User-Inhalten gehörig steigern. Außerdem ist Rimworld ja noch Early Access, das wird. Und ist schon jetzt ein Spiel, das man sich zumindest ansehen sollte - auf Youtube und Twitch gibt's jede Menge Videos.

Die könnte sogar Heiko gucken, seine Augen waren nach der Eichhörnchenattacke zwar zerkratzt, aber nicht völlig kaputt. Seinen Job als Bildhauer musste er dennoch aufgeben. Aber man kann nicht alles haben. In Rimworld muss man schon froh sein, wenn man überhaupt irgendwas hat.

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