Aus dem Leben gegriffen
In der Autorenfeder von Jan Müller-Michaelis liegt auch eine der großen Stärken vieler Daedalic-Adventures, nämlich der spielerische, aber dennoch durchdachte und tiefsinnige Umgang mit der deutschen Sprache. Immer wieder nehmen die Figuren Redewendungen oder Metaphern wörtlich, was dann zu entsprechenden Komplikationen führt, oder sie greifen auf banale Worthülsen zurück, um ihre eigene Unzulänglichkeit zu übertünchen (»Also ich hab einen Kumpel, der…ist schrecklich verliebt/hat ein Problem«). Das ist sehr genau beobachtet und deshalb bekommen die Charaktere durch die Sprache eine eigene, sehr glaubhafte Qualität.
So zum Beispiel Rufus´ ewig nörgelnde Ex-Freundin Toni, die auf allen kleinen (Abwasch, Müll, Essensreste im Sofa) und großen (Egozentrik, Selbstüberschätzung, Rücksichtslosigkeit) Fehlern von Rufus rumreitet und die kaum mehr als Verachtung für ihn übrig hat. Mit umso mehr Sarkasmus und Genugtuung verfolgt sie dabei das Scheitern seiner Bemühungen. Jeder mit (Ex-)Beziehungsstress kann dieses Verhalten sofort nachvollziehen und als wir Toni dann in flagranti bei einer Person erwischen, von der wir das am allerwenigsten erwartet hätten, stellt sich uns nur noch die Frage: Ob und wie realitätsnah hat der Autor hier wohl seine Erfahrungen mit Beziehungsstress verarbeitet?
Greifbare Charaktere
Nahezu jede Figur besitzt so einen individuellen Charakter samt Sprachfärbung und Hintergrundgeschichte. Auch unser Anti-Held Rufus, den wir zunächst als naiv, selbstüberschätzend und egozentrisch wahrnehmen, wandelt sich im Laufe seiner Läuterungsgeschichte. Während er zunächst vor allem Tagträumen samt lautmalerischer Unterstützung (»Yeah«, »Pschiu«, »Damdadam«) nachjagt, bekommt er später in einem unvermittelten Wutmonolog eine ungeahnte Tiefe, wenn er all seine Kindheitstraumata herausbrüllt.
Erwartet uns am Ende dann etwa doch eine selbstlose Tat von Rufus? Das verraten natürlich nicht, müssen bei aller bisherigen Lobhudelei aber merken: ausgerechnet das etwas abrupte Ende lässt uns seltsam unbefriedigt zurück und lässt sehr viel Fragen und angedeutete Handlungslinien offen. Die Erklärung dafür: Deponia ist als Trilogie angelegt und die nächsten Teile sollen bald (Teil 2 noch in diesem Jahr) folgen.
Das Rätseldesign
Auch beim Rätseldesign gibt sich Deponia ausgerechnet gegen Ende hin leichte Blößen. Während wir anfangs im Dorf Kuvaq noch viele Schauplätze, mehrere Ziele sowie Rätsel und unzählige Inventar-Gegenstände im Blick behalten müssen, begeht Deponia wie die meisten anderen Adventures auch den Fehler, diese angenehme Komplexität im Finale zugunsten einer vermeintlich spannenderen Dramaturgie zurückzufahren. Dort gibt es dann entsprechend weniger Schauplätze und meist immer nur genau ein Rätsel beziehungsweise Ziel zu verfolgen - mit der Folge, dass das Spiel mit fortschreitendem Spielverlauf eher leichter denn schwerer wird. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau, da die Rätsel ansonsten angenehm fordernd gestaltet sind, ohne dabei unlogisch oder frustrierend zu sein.
Auch die meisten Minispiele sind gut und logisch ins Spielgeschehen eingebettet und drehen sich zum Beispiel um den Bau von Stromumkehrern statt einfach nur irgendwas abzuschließen. Und wer keine Lust oder Geduld hat, kann die meisten davon auch überspringen. Nur gelegentlich halten sie das Spielgeschehen unnötig auf, wie etwa ein Weichen-Stellwerkpuzzle, das wir auf einer etwas fitzelig geratenen Anzeige-Tafel koordinieren und (anfangs) im Try-&-Error-Modus lösen müssen. Die Bedienung geht dagegen exzellent von der (Maus-)Hand, denn wir können das komplette Spiel ohne Tastatur bedienen. So sitzt die Hotspot-Anzeige auf der dritten Maustaste und das Inventar scrollen wir bequem per Mausrad rein und raus. Vorbildlich.
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