Die Eleganz der Sturmhaubitze

Kauft euch nicht Super Hexagon!   Es ist kalt, saukalt. Der Boden ist mit Schnee bedeckt, die Tannen der beiden Wälder wiegen im Winterwind und nur...

von HolyHerbert am: 14.04.2013

Kauft euch nicht Super Hexagon!

 

Es ist kalt, saukalt. Der Boden ist mit Schnee bedeckt, die Tannen der beiden Wälder wiegen im Winterwind und nur das Brummen der drei Motoren ist zu vernehmen. Drei Sherman-Panzer stehen in einer Engstelle und halten die Stellung, durch diese Waldschneise muss der Gegner kommen, ich weiß es. Aber alles ist still. Dann endlich setzt sich ein Gegnerkonvoy in Bewegung, meine Aufklärer haben alles auf dem Schirm. Es ist eine ganze Legion von Tank Destroyern, also fahrenden Panzerabwehrgeschützen, die von Infanterie begleitet wird. Meine drei Shermans sollten also ziemlich alt aussehen. Ich ziehe sie zurück, lasse mich vom Gegner durch die Waldschneise zurücktreiben, bis sein kompletter Trupp zwischen den beiden Wäldern ist.

 

Dann bricht die Hölle los: In den Wäldern habe ich Pak- und Flakbatterien stationiert, die aus allen Rohren schießen, á la Varusschlacht stürzen meine G.I.s aus den Büschen. In weniger als einer Minute sind die Tank Destroyer nichts mehr als brennende Wracks zwischen denen meine Panzer die verbleibenden Infanteristen zurück nach Hause treiben. Wundervoll.

 

Immer den Überblick behalten!

Es geht um R.U.S.E., es geht um Krieg, es geht um Zerstörung, es geht um schieren Größenwahn. Das Spiel, da man wohl am ehesten mit den Supreme Commander-Titeln vergleichen kann, führt ein Spielelement zu einer vorher nicht gekannter Größe: den Zoom. Der Grund ist die unglaubliche Größe der Karten, auf denen die munteren Schlachten zwischen den Mächten des zweiten Weltkrieges toben. Zoomt man ganz heraus, hat man die Karte von der Größe eines deutschen Landkreises mit seinen vielen Dörfern und Städten in handlicher Größe vor sich liegen. Man kann aber stufenlos und ohne Ladezeit bis auf Grundhöhe hereinzoomen und sich das Schicksal eines jeden Soldaten einzeln anschauen. Wer’s mag…

 

Es liegt also in der Natur der Sache, dass man im Spiel vor allem das Makromanagement beherrschen muss. Versorgungslinien wollen geplant werden, Einheiten produziert, Verbände verschoben werden. Es ist die Darstellung eines totalen Krieges, einer Materialschlacht.  Einheiten, die nahe beisammen stehen, werden auf der Übersichtskarte der Übersichtlichkeit zuliebe zu Verbänden gruppiert, die man als Ganzes verschiebt und nur so im Blick behält. Ich schreibe bewusst „verschieben“, da eine wirklich kleinteilige Aufstellungsordnung - eine Art von Mikromanagement - durch die Zusammenfassung von vielen Einheiten, die als Pulk bewegt werden wollen, fast nicht möglich ist und viel Zeit in der Nahansicht verlangt. R.U.S.E. stellt hier einen Gegensatz zum Genrekollegen Company of Heroes dar, bei dem die Positionierung von einzelnen Soldaten bis ins letzte Detail möglich und wichtig ist. Die Bedienoberfläche ist bewusst simpel gehalten und bedient sich nach kurzer Zeit ausgesprochen intuitiv.

 

Schrecklich schön

Trotz dieser planerischen Grundeinstellung, die den Spieler zum Manager des Krieges macht, wirkt es keinesfalls langweilig oder steril. In den ausufernden Schlachten ziehen Panzerverbände über die Felder, stürzen sich wagemutige Piloten in Dog Fights, legen Soldaten Hinterhalte, bombardiert die Artillerie Kleinstädte. Irgendwo ist immer ‘was los. Die Orgie der Zerstörung, des Schreckens ist faszinierend und unheimlich zugleich, zieht den Spieler aber auf jeden Fall in den Bann, dazu trägt auch die Soundkulisse bei.

 

Weniger Einfluss auf das Geschehen in R.U.S.E. als gedacht haben die namensgebenden Ruse-Cards. Diese sind eine Art Buff, den der Spieler in einem Sektor der Karte ausspielen kann und der dort gegnerische Züge sichtbar werden lässt oder die eigenen Einheiten stärker oder schneller macht oder tarnt, um nur ein paar der Möglichkeiten zu nennen. Das klingt im Grunde zwar recht interessant, entscheidet aber keine Partie. Entscheidend sind vielmehr Taktik und gute Planung, so soll es in einem RTS auch sein, trotzdem wäre da mehr drin gewesen.

 

Im Westen nichts Neues

Noch ärgerlicher ist allerdings, dass das Spielprinzip selbst auf das Stein-Schere-Papier-System heruntergebrochen ist. Eine Einheit ist besonders gut gegen eine andere, muss aber wiederum mit einer anderen beschützt werden, da sie selbst auch eine Schwachstelle hat und so weiter. Hat man einmal verstanden, eine ausgewogene Komposition der Kräfte mitzunehmen, hat man zumindest die KI locker unter Kontrolle und das Spiel mehr als halb verstanden. Rafft man dann noch, wie man mit Geschützen und Infanterie richtige Hinterhalte legt und dass man die leichten Vehikel besser nicht in die erste Kampfreihe stellt, gibt es nicht mehr viel zu lernen, nur das gelernte zu meistern.

 

Dennoch: Sich in ein Gefecht zu stürzen und die schiere Größe des Spiels auf sich wirken zu lassen, den Gegner mit Taktik und Planung in den Schatten zu stellen und hinterher als Sieger vom Platz zu gehen, das ist ein guter Gefühl und deshalb macht R.U.S.E. auch Spaß. Ach ja, meine drei Sherman-Panzer - wo die abgeblieben sind, weiß ich grade auch nicht…


Wertung
Pro und Kontra
  • Riesige Karten
  • Hitzige Gefechte
  • Taktikmöglichkeiten
  • Armeevielfalt
  • Soundkulisse
  • Stein-Schere-Papier-Prinzip
  • Ruse-Cards eher überflüssig
  • Schwammige Steuerung, schwieriges Mikromanagement
  • Schwache Kampagne

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nein

Spielzeit:

Mehr als 20, weniger als 40 Stunden



Kommentare(1)
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