Shadowrun Returns - Ja? Nein? Ein Bißchen?

Im April letzten Jahres starteten die Jungs von Harebrainded Schemes um Jordan Weizman eine Kickstarter Kampagne für Shadowrun Returns, ihr versuch das...

von - Gast - am: 29.07.2013

Im April letzten Jahres starteten die Jungs von Harebrainded Schemes um Jordan Weizman eine Kickstarter Kampagne für Shadowrun Returns, ihr versuch das erfolgreiche Pen&Paper Rollenspiel zurück auf den PC zu bringen; stolze 1.8 Millionen kamen dabei zusammen. Anderthalb Jahre später erscheint der Titel nach kurzer Verzögerung, doch kann das Spiel den Erwartungen gerecht werden oder hat das Team das Budget nur verbrannt und wir erleben eine weitere Katastrophe wie bei Microsofts FPS von 2007 über das im Grunde niemand sprechen mag?

Die Antwort ist, wie so oft, ein klares Jain, Shadowrun Returns macht vieles richtig aber leider auch einiges falsch. Es ist ein Kickstarter Erfolg, keine Frage, aber es ist dennoch kein Spiel für jeden, wer nicht weiß worauf er sich einlässt kann leicht enttäuscht werden.

 

Wieviel Shadowrun steckt in Shadowrun Returns?

Einigen mag diese Frage vielleicht egal sein, dennoch hat sie ihre Berechtigung, vor allem wenn man bedenkt, dass Devs und Publisher in letzter Zeit dazu neigen bekannte Namen zu verwenden nur um Spiele zu verkaufen die den Namen eigentlich nicht verdient haben. Das neue XCom zum Beispiel ist ein nettes Taktikspiel aber kein XCom dafür wurde zu vieles verwässert und anderes komplett weggelassen. Hat Shadowrun ein ähnliches Problem?

Die Atmosphäre von Shadowrun fängt das Spiel auf jeden Fall schonmal ausgezeichnet ein, Kulissen, Charaktere und Dialoge sind authentisch und vermitteln einem eine gute Vorstellung vom dystopischen Seattle der 2050er Jahre.

Leider überträgt sich diese Ähnlichkeit aber nicht aufs Kampfsystem, hier greift man auf Standardkost zurück die rein gar nichts mit Shadowrun zu tun hat. Den bekannten Zustandsmonitor sucht man vergebens, Schaden wird nicht in körperlichen und geistigen aufgeteilt und auch das Initiativesystem fehlt. All das wirkt sich dann natürlich auch auf das Magiesystem aus, statt sich über die Stufe des Zaubers und Entzugschaden Gedanken machen zu müssen geht es einfach nur um AP Kosten und Cooldown. Schade, hier wurde wirklich viel Potential verschenkt, man hätte sich mehr am komplexeren Pen&Paper Rollenspiel orientieren sollen.

 

Wie spielt es sich denn nun eigentlich?

Wer eine offene Welt sucht der ist bei Shadowrun fehl am Platz, man kann nicht frei durch Seattle oder auch nur die Barrens streifen und in dunklen Gassen Quests entdecken. Stattdessen schickt uns das Spiel von einer mehr oder weniger kleinen Szene zur nächsten. Auch lassen sich Szenen nur dann ein zweites Mal aufsuchen wenn die Kampagne es will, es gibt keine übergeordnete Karte durch die man von einer Szene zur nächsten springt. Alles ist sehr linear, zumindest in der Basiskampagne.

Dabei steuert man ein Team aus bis zu 4 Shadowrunnern wovon man aber nur seinen Hauptcharakter designen und mit Karma (XP des Shadowrun Universums) leveln oder ausrüsten kann. Anderer Runner heuert man vor jedem Run individuell an und legt sich danach wieder beiseite.

Solange keine Gegner in Sicht sind steuern wir unseren Hauptcharakter in Echtzeit, der Rest des Teams läuft einfach hinterher. Das ist zwar meist die bequemste Lösung, hat aber den Nachteil dass wir nur auf die Skills des Hauptcharakters zugreifen können. Muss zB ein schweres Objekt bewegt werden und die Stärke unseres schwächlichen Elfen Deckers reicht dafür nicht aus dann kann ihm der muskelbepackte Troll im Team leider nicht zur Hand gehen. Auch Gegenstände und Zauber lassen sich außerhalb des Kampfes nicht benutzen. Fragwürdig.

Trifft die Gruppe auf Gegner wechselt das Spiel sofort in einen rundenbasierten Modus und wir dürfen ab jetzt auch jeden Charakter direkt steuern. Große Überraschungen gibt es nicht, das System ist recht gewöhnlich. Charaktere haben Aktionspunkte mit denen sie sich bewegen, Angriffe ausführen, Ausrüstung benutzen oder Zauber bzw Kräfte nutzen können, auch eine Overwatch Funktion fehlt nicht.

Die Kämpfe der Basiskampagne, welche im Übrigen nur etwa 10h dauert, sind dabei nicht sonderlich taktisch. Selbst auf höheren Schwierigkeitsstufen läuft die KI im Grunde nur stur auf unsere Runner zu und eröffnet das Feuer wann immer es möglich ist. Deckung sucht der Computer kaum und Overwatch wird nur genutzt wenn es die Szene vorsieht, von selbst kommt kein NPC auf den Gedanken dass man lieber auf eine feindliche Aktion warten sollte als eine Schrotflinte über die ganze Karte hinweg abzufeuern.

Die Charakterentwicklung ist solide, hier weicht man nicht wirklich von der Norm des Genres ab. Für erledigte Aufgaben gibt es Karma welches man in Attribute und zugehörige Fähigkeiten investieren kann.

Bezüglich der Ausrüstung muss man jedoch Abstriche machen. Jeder Charakter hat nur einen Outfit-Slot sowie 3 für Waffen, Drohnen oder Kampfzauber und 6 für sonstige Items. Magier können noch Zauber mit sich führen, wie viele hängt von ihren Attributen ab.

Auch bezüglich der Cyberware weicht HBS von der Vorlage ab. Jeder Charakter kann nur bis zu 7 Implantate erhalten welche allerdings auch seine Essenz (Startwert 6) senken wodurch sich der Cooldown auf Zaubern oder Adaptenfähigkeiten erhöht.

Alles in Allem geht das Konzept aber auf. Die Kämpfe machen Spaß und die Mechaniken sind einfach zu erlernen, leider aber auch extrem generisch worunter das Shadowrun Feeling deutlich leidet.

Ohja, und dann ist da noch der Elefant im Raum: Es gibt kein freies Speichern. Shadowrun Returns verwendet ein Checkpoint System welches das Spiel automatisch beim betreten einer neuen Szene speichert, mehr ist nicht drin. Anfangs ist das kein Problem, wenn die Runs später aber mal länger als nur 15 Minuten dauern, dann kann es schon kritisch werden.

 

Da war doch noch was

Richtig. Der Editor! Shadowrun Returns kommt inklusive Editor was Fluch und  Segen zugleich ist. An sich ist das Tool wirklich mächtig, wenn es auch nicht in der Liga eines SC2 oder WC3 Editors spielt. Problematisch ist allerdings die Nutzerfreundlichkeit, hier muss HBS noch deutlich nachbessern.

Es fängt schon damit an, dass man der Client selbst laufen muss um die erstellten Szene zu testen, einem das aber niemand sagt. Es erscheint nicht einmal eine Fehlermeldung, stattdessen passiert ohne aktiven Client nach einem Klick auf den grünen Test Pfeil einfach gar nichts.

Eine Szene zu erstellen klingt auch einfacher als es ist. Am laufenden Band kommt es zu Clipping Fehlern die es eigentlich nicht geben dürfte da die Footprints der Elemente korrekt platziert wurden. So verschwindet schonmal ein drittel einer Bar in der benachbarten Wand oder eine Uhr muss am unteren Ende der Szene platziert werden um am oberen Ende an und nicht in der Wand zu erscheinen.

Auch ist der Editor alles andere als selbsterklärend, nicht einmal die hauseigenen Tutorials auf Youtube können dem gewillten Kampagnentüftler die langwierige Einarbeitungsphase ersparen.

Hat man sich allerdings erst einmal an das, vorsichtig ausgedrückt, umständliche UI gewöhnt und beginnt hinter den Denkprozess des Editor Entwicklers zu steigen kann man mit dem Tool so einiges anstellen. Eine offene Welt lässt sich zumindest simulieren und auch zufällige Begegnungen oder ein Reputationssystem lassen sich realisieren.  Wer die anfänglichen Schwierigkeiten überwindet und eine Wand zum einschlagen in der Nähe hat kann aus dem Editor einiges raus hohlen und dem Spiel einen ganz neuen Anstricht verpassen.

Allerdings sind dem Editor auch eindeutige Grenzen gesetzt. So kann man die Grundmechaniken des Spiels nicht beeinflussen. Kämpfe werden immer gleich ablaufen, freies Speichern bleibt ein Wunschtraum und auch neue Fähigkeiten oder Waffen lassen sich nicht erstellen, wir müssen mit dem Leben, was HBS uns gibt.

 

Alles in Allem ...

... macht Shadowrun Returns Spaß und ist für den Preis von $20 absolut in Ordnung. Allerdings sollte man als Spieler damit leben können, dass die mitgelieferte Kampagne sehr linear und generell eher als Demo zu verstehen ist. HBS baut hier eindeutig auf die Community, sie soll Runs oder ganze Kampagne erstellen und sich selbst unterhalten. Das funktioniert auch, allerdings eben nur für jene, die beim Anblick des Editors nicht gleich wahnsinnig aus dem Fenster springen.

Wer allerdings nicht versteht, dass $1.800.000 nicht viel Geld ist um ein Spiel zu entwickeln, vor allem nicht, wenn man davon noch gesalzene Lizenzgebühren bezahlen muss, der wird keinen Gefallen an SR:R finden. Das Spiel ist ganz klar nicht für jeden und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht für den Mainstream Gamer der hechelnd den AAA Publishern hinterher hinkt.


Wertung
Pro und Kontra
  • Shadowrun
  • Stimmungsvolle Grafiken und Charaktere
  • Gute geschriebene Kampagne (auf Englisch)
  • Mächtiger Editor
  • Kein freies Speichern
  • 08/15 Kampfsystem
  • Editor nicht gerade benutzerfreundlich

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(7)
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