Seite 2: Silence - The Whispered World 2 im Test - Ein neuer Adventure-Meilenstein

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Herzerwärmend wie ein Disney-Film

Eine knackige und kompakte Story muss nichts Schlechtes sein und die Enden der Kampagne (es gibt mehrere) wirken auch wie ein runder Abschluss, allerdings entwickelt Silence weitaus weniger Figurendynamik als The Whispered World. Zum Beispiel bei Sadwick, der im Vorgänger mit seinem depressiven Sarkasmus einen großartigen »Helden« abgegeben hat (»Diesen Gegenstand kann ich nicht erreichen. Wie so viele Dinge im Leben.«). Aus Storygründen ist er in Silence nicht wirklich dieselbe Person wie im Vorgänger, seine zynischen Kommentare verfehlen den gewohnten Charme und Witz, zumal es deutlich weniger optionale Dialoge gibt, in denen sich das entfalten könnte.

Renie bleibt als neue Hauptfigur ihrem Charakter als neugieriges, naives Kleinkind treu, Kyra ist die taffe Kämpferin, Samuel der friedvolle Riese, Janos der schrullige Weise, und Noah wird ab der zweiten Hälfte des Spiels als Charakter mehr oder minder obsolet. Gleiches gilt für den Support Cast.

Das soll nicht heißen, die Story sei schlecht, ganz im Gegenteil: Daedalic erzählt hier das spielbare Äquivalent zu einem herzerwärmenden Disney-Klassiker, allerdings mit einem ähnlich tragischen Unterton wie in »Pan's Labyrinth«. Man muss sich nur darauf einstellen, dass die Story nicht so bissig und selbstironisch erzählt wird wie im Vorgänger, sondern vor allem auf ein überraschendes Finale setzt. The Whispered World war ein klassisches Adventure mit innovativem Heldenensemble, Silence ist ein innovatives Adventure mit klassischem Heldenensemble. Allerdings gibt es eine Ausnahme.

Gebt dieser Raupe ein eigenes Spiel!

Sadwicks kleine Raupe Spot ist der Wahnsinn. Der kleine Sidekick konnte im ersten Teil noch viel zu selten glänzen, in Silence gibt es diverse Situationen, in denen das putzige Maskottchen selbst zum Helden wird. Beim Testen mussten wir an so vielen Stellen laut loslachen, weil das kleine Kerlchen mit dem viel zu süßen Gesicht entweder zum Liebhaben einfältig oder zum Bewundern mutig auf Gefahren reagiert.

Gestatten: Spot, das beste Maskottchen der Spielegeschichte. Gestatten: Spot, das beste Maskottchen der Spielegeschichte.

Mal quiekt er triumphierend, weil er einem Drachen den Rücken verbrennt, mal wagt er einen tapferen Sprung über einen Abgrund, nur um mit treudoofem Lächeln in den Abgrund zu segeln. Man weiß bei Spot nie, ob er wirklich begreift, was hier gerade passiert, aber er handelt immer wie ein treuer Held in Baby-Raupen-Gestalt. Einfach toll. Da kann selbst Disney sich eine Scheibe von abschneiden.

Dass er in Silence so glänzen kann, liegt aber auch daran, dass seine Passagen die spielerisch besten sind. Das Spiel krempelt an der klassischen Adventure-Formel relativ viel um: Es gibt kein Inventar mehr, die altbekannten Multiple-Choice-Dialoge fallen größtenteils weg, alles wirkt ein bisschen dynamischer und stromlinienförmiger. In einigen Situationen müssen wir die Maus gedrückt halten, um beispielsweise an Gegenständen zu ziehen, oder auch mal einen Balance-Akt überstehen, indem wir den Cursor nicht wackeln lassen. Items, die wir in die Hand nehmen, müssen wir direkt mit einem anderen Hotspot in der Szenerie kombinieren.

Als Spot müssen wir den Splitter aus dem Schoß des Drachen erbeuten Als Spot müssen wir den Splitter aus dem Schoß des Drachen erbeuten

Aber bevor jetzt wer »Telltale!« ruft: Silence spielt sich trotzdem noch wie ein Point&Click-Adventure, allerdings mit recht wenig Raum für Abschweifungen. Das verhindert den Leerlauf, der The Whispered World an einigen Stellen noch geplagt hat, macht die Erfahrung aber auch einen Tick linearer und dürfte gerade Adventure-Hardliner mit Faible für riesige Inventartaschen enttäuschen.

Es geht auch ohne Inventar

Auf der anderen Seite hatten wir auch ohne Inventar viel Spaß mit den Knobeleien. Das verdankt das Spiel dem nach wie vor tollen Rätseldesign von Daedalic. In der magischen Welt von Silence müssen wir erstmal rausfinden, was beispielsweise ein Geräuschball macht, wie die riesigen Leuchtzecken funktionieren, warum Pilze aus Gummi sind oder wie wir einem Menschen sein Lebenslicht zurückgeben.

Spot verkleidet sich mit seiner Löwenmähne als Lumi und schleicht unerkannt durch den Raum. Spot verkleidet sich mit seiner Löwenmähne als Lumi und schleicht unerkannt durch den Raum.

Wir begegnen pelzigen Lumis, die auf Süßigkeiten stehen, kleinen Torwächterinnen, die auf Lumis stehen, und gefährlichen Suchern, die auf Torwächterinnen stehen. Sadwick kann viele Probleme mit Körperkraft lösen, die kleine Renie nutzt hingegen ihre Zwergengröße. Mit Spot manipulieren wir unsere Form, werden dicker, dünner, verschaffen uns Feueratem oder werden durch die Nüstern eines Drachen in viele kleine Raupenbällchen zerkleinert.

Statt die genreüblichen Inventarkombinationen arbeitet Silence mit den Mysterien und Wundern seiner Fantasywelt. Zwar sind wir beim Testen über keine Kopfnuss gestolpert, über die wir mehrere Stunden lang grübeln mussten, aber die dürften ohnehin nur hartgesottene Adventure-Profis suchen. Silence fordert angenehm, ohne zu überfordern, und erreicht damit genau die richtige Mitte zwischen interaktivem Film und frustrierender Hirn-Plackerei. Auch wenn wir uns ein paar mehr Rätsel-Highlights gewünscht hätten.

Zu Beginn stellen wir quasi als Tutorial die Story des Vorgängers nach. Zu Beginn stellen wir quasi als Tutorial die Story des Vorgängers nach.

Mit dem größten Adventurebudget der Firmengeschichte erschafft Daedalic in jeder Hinsicht ein Hochglanz-Rätselabenteuer, das auch über Genrefans hinaus ein großer Fang werden soll. Deshalb werden viele klassische Spielmechaniken ein weniger modernisiert, dynamischer gemacht, es fallen Leerläufe weg, und die zauberhafte Geschichte des Spiels dürfte eigentlich jeden Spieler erreichen, der bei Disney-Filmen nicht mürrisch das Gesicht verzieht.

Der grandiose Daedalic-Humor und der Mut zu skurrilen Charakteren und Story-Ideen kommen weniger zum Tragen als bei The Whispered World, Edna bricht aus oder Deponia, außerdem fällt das Spiel ziemlich kurz aus. Aber das ändert nichts daran, dass Silence wirklich ein zauberhaft schönes Adventure mit herzergreifenden Momenten ist, das uns mehr berührt hat als quasi jedes andere Spiel in diesem Jahr. Bleibt nur noch die Hoffnung auf ein Spot-Spinoff für 2017.

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