Ein Klassiker der Aufbauspiele

Das Genre der Aufbauspiele hat ähnlich wie das der Strategiespiele mit einigen Problemen zu kämpfen. Nur noch wenige große Reihen wie etwa das kürzlich...

von beagletank am: 19.11.2011

Das Genre der Aufbauspiele hat ähnlich wie das der Strategiespiele mit einigen Problemen zu kämpfen. Nur noch wenige große Reihen wie etwa das kürzlich erschienene Anno 2070 halten sich erfolgreich auf dem Markt, gefolgt von zahlreichen, kleineren Indie-Titeln. Wer noch dazu ein Aufbauspiel (oder eine Simulation) sucht, in dem es eine moderne Stadt aufzubauen und zu verwalten gilt, der wird zumindest im Jahr 2011 enttäuscht.

Cities XL ist nicht mehr als ein fehlerhafter, halbgarer Abklatsch der Sim City Reihe.
Deshalb kann es nicht Schaden sich genau dieser Reihe nochmal ein wenig näher zu widmen, genauer gesagt Sim City 4 aus dem Jahr 2003. Das Spiel erfreut sich nach wie vor einer aktiven Community und ist gerade deshalb einen Blick wert.

Stadtgründung: Die Qual der Wahl

In Sim City 4 dreht sich natürlich alles um den Bau einer wachsenden und gut versorgten Metropole. Zu Beginn wählen wir jedoch den Standort unseres zukünftigen Domizils. Das Spiel bietet einem dazu vorgefertigte Landschaften die in mehrere „Grundstücke“ unterteilt sind. Diese reichen von realen Regionen wie die Küste des heutigen San Franciscos oder der Gegend um Berlin bis hin zu fiktiven oder selbst erstellten Gebieten. Bei der Standortfrage bedarf es jedoch schon Denkarbeit. Gründe ich meine Stadt im Gebirge oder an der Küste? Oder vielleicht im Flachland?

Die Geländebeschaffenheit hat wesentlichen Einfluss auf den späteren Spielverlauf. Zum einen blockieren Seen oder Meere wertvolle Baufläche, ermöglichen aber den Bau von Häfen und somit eine Erhöhung der Wirtschaftsleistung. Bewaldete Gebirge erschweren den Ausbau der Stadt, erfreuen aber Umwelt liebende Sims und steigern die Attraktivität der Stadt. Zwar erlauben einem Geländewerkzeuge die Anpassung, was sich allerdings sehr fummelig gestaltet und nur begrenzt zu empfehlen ist.

Meine Kleinstadt

Hat man sich für einen Standort entschieden geht der Spielbetrieb auch schon los. Der Spieler hat die Wahl zwischen Wohn-, Gewerbe-, und Industriegebieten in jeweils drei unterschiedlichen Dichten. Aber keine Angst, dass man durch unübersichtliche Baumenüs erschlagen wird.. Per gedrückter Maustaste kann man bequem ganze Stadtviertel im Schachbrettmuster hochziehen. Doch auch hier bedarf es bereits Planung. Fabriken sollten (logischerweise) nicht neben Wohnvierteln hochgezogen, da der Verschmutzungsgrad einen wichtigen Faktor für die Zuwanderung darstellt. Auch ein Anschluss an das Stromnetz sollte gewährleistet sein. Das klappt jedoch ohne größere Probleme. Man erreichtet einfach ein Kraftwerk (zB. ein Kohlebetriebenes oder umweltfreundliche, aber leistungsschwache Windräder) und zieht Strommasten zu den Wohngebieten.

Nach kurzer Zeit können wir unserer Stadt beim Wachsen zusehen. Da zugewiesene Sektoren automatisch besiedelt werden, besteht die Hauptaufgabe zu Anfang vor allem darin die Viertel möglichst günstig anzulegen. So müssen Sims natürlich auch zur Arbeit gelangen, wofür sie die in erster Linie das Auto nutzen. Straßen existieren in unterschiedlichen Größen und Formen und auch hier gibt es einiges zu beachten. Wer Stau vermeiden will, sollte vor allem große Hauptverkehrswege anlegen. Zweispurige Alleen bilden dabei den Anfang und helfen dabei Verkehrschaos zu vermeiden. Später kommen auch Autobahnen hinzu, diese sind allerdings sehr kostenintensiv und sollten dementsprechend nur bei großen Städten zum Einsatz kommen.

Leider sucht die KI nicht nach dem schnellsten, sondern dem kürzesten Weg zur Arbeit.
Im Klartext bedeutet das, dass eure Sims auch durch eine Spielstraße (welche es glücklicherweise nicht gibt) rasen würden, nur um schneller zur Arbeit zu kommen. Trotzdem gelingt es dem Spiel den Berufsverkehr recht realistisch zu simulieren. Stausituationen treten vor allem Morgens und Abends auf; schlaue Spieler schaffen mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie Bussen oder U-Bahnen Abhilfe. Auch hier bedarf es einer gewissen Planung. Abhängig von der Bebauungsdichte und dem Wohlstand der Sims,werden auch Busse unterschiedlich stark benutzt. Reiche und solche die es werden wollen nutzen meist ihr eigenes Auto (wer gibt nicht gerne mit seinem protzigen Mercedes an?). Die unteren Schichten können sich meist kein eigenes Fortbewegungsmittel leisten. Der Spieler muss sie also die Transportmöglichkeiten stellen um seinen Bewohnern Arbeit (und die damit verbundenen Aufstiegschancen) zu verschaffen.

Meine Großstadt

Mit zunehmender Einwohnerzahl beginnt sich das Stadtbild grundsätzlich zu wandeln und fordert selbst geübten Spielern einiges ab. Ab einem gewissen Punkt reicht es nicht mehr aus die Karte einfach nur mit Wohnflächen zuzubetonieren. Stattdessen wird die zukünftige (zum Teil auch anfängliche) Entwicklung eurer Stadt durch mehrere Faktoren beeinflusst. Aus zahlreichen Unterkategorien setzen sich 6 Hauptfaktoren zusammen, die simstypisch durch grüne/rote Balken Ein Klassiker der Aufbauspiele dargestellt werden. Egal ob es die Sicherheit, den Verkehr oder die Umweltverschmutzung geht, auf diese Weise habt ihr die Situation in eurer Stadt stets im Blick.
Obwohl Sim City 4 auch sonst nicht mit Statistiken und Graphiken geizt, wäre etwas klareres Feedback durchaus angebracht gewesen. Zum einen dürfte es vor allem Einsteigern Probleme bereiten anhand der riesigen Bilder- und Pop Up-Flut zu erkennen, was sie eigentlich genau falsch gemacht haben. Profis hingegen erfahren zum Beispiel nicht wie sich die Bürgermeisterwertung wirklich zusammensetzt. Etwas mehr Übersicht hätte dem Spiel an dieser Stelle sehr gut getan.

Aber zurück zu euren Bürgern. Mit wachsender Einwohnerzahl beginnen eure Sims, wie bereits erwähnt, Forderungen zu stellen. Der Spieler muss diese dann etwa mit dem Bau von Schulen, Polizeirevieren uvm. erfüllen. Natürlich wirkt sich das auch auf das Leben eurer Sims aus. Sinkende Kriminalität und bessere Bildungschancen bescheren eurer Stadt eine große Flut an Zuwanderern.

Neben dem Wachstum wirkt sich die bessere Bildungslage natürlich auch auf den Arbeitsmarkt aus. Hochschulabsolventen bevorzugen zum Beispiel Büros, anstatt den kleinen Gebrauchtwagenhändler von nebenan. Ist für das neue Hochhaus aber kein Platz, muss der Spieler entweder neue Baugebiete hochziehen oder die Dichte der alten erhöhen. Die funktioniert jedoch ohne größere Probleme. Man wählt einfach eine dichter bebaute Version im entsprechenden Menü aus und platziert sie über dem bisherigen Gewerbegebiet. Die bestehenden Gebäude werden dabei nicht eingestampft, sondern verwandeln sich mit der Zeit in größere/schönere, inklusive schicker Bauanimation.

Doch wie lockt man eigentlich die reicheren Gewerbezweige in seine Stadt? Reichen intelligente Sims aus? Natürlich nicht. Vor allem im (Hightech-) Industriebereich müssen auch optische Voraussetzungen gegeben sein. Computerunternehmen zB. siedeln sich vor allem in Gegenden mit einer ausgeprägten Parklandschaft an, stinkende Fabriken werden hingegen gemieden.
Darin liegt eine der großen Stärken von Sims City 4. Dem Spiel gelingt es auf überraschende Weise die soziale Situation einer Stadt sehr realistisch wieder zu spiegeln. In ärmeren Regionen entstehen hässliche Plattenbauten und Gebäude mit unzureichender Einwohnerzahl „vergammeln“ mit der Zeit. Selbst im Sound spiegelt sich dies wieder. Hohe Kriminalität zieht etwa Polizeisirenen nach sich, stark befahrene Straßen machen sich durch Hupkonzerte bemerkbar.
Trotz allem ist Sim City 4 natürlich nicht ohne Makel.

Mein Steuerberater

Einen der wichtigsten Faktoren in Sim City 4 stellt ein ausgewogenes Finanzbudget da. Fast alle Gebäude verursachen monatliche Kosten, die abhängig von der momentanen Einwohnerzahl regelmäßig angepasst werden müssen. Damit die Schule auch mehr Schüler aufnehmen kann, braucht sie natürlich Geld. Und das erhält sie nur, wenn der Spieler ihr das auch zukommen lässt. Besonders Anfängern dürfte es Schwierigkeiten bereiten ihre Finanzen in den ersten Spielstunden in den Griff zu bekommen.

Zwar existieren Budget-Regler die eine ganze Gebäudegruppe umfassen (zB, Polizei und Feuerwehr), schlussendlich ist es aber sinnvoller öffentliche Einrichtungen individuell an die jeweilige Situation im Wirkungsbereich anzupassen. Besonders bei großen Städten artet das aber oft in langwierige Fummelarbeit aus.

Außerdem ist es enorm schwierig einen guten Balanceakt zwischen einer funktionierenden und einer schönen Stadt zu finden. Die amerikanische Blockbauweise erweist sich praktisch immer am effektivsten. Wer Abwechslung haben will, muss fast immer mit wirtschaftlichen Einbußen rechnen.

Meine Beschäftigung

Obwohl man in Sim City 4 fast immer gefordert ist zeigen sich zum Teil deutliche Schwächen im Endlosspiel. Zum einen mangelt es an konkreten Missionszielen. Auch die Belohnungsgebäude, die am einem gewissen Punkt freigeschaltet werden, kennt man irgendwann in und auswendig.

Abhilfe schafft hier in erster Linie die Zonenstruktur der Sim City-Karten. Die Sims pendeln nämlich nicht nur innerorts, sondern auch zwischen verschiedenen Gebieten hin und her. So ist es zum Beispiel möglich die umweltbelastende Industrie einfach in die Nachbarstadt zu verlegen und seinen Einwohnern trotzdem Arbeit zu verschaffen. Ein wenig unlogisch ist jedoch in dieser Hinsicht, dass öffentliche Gebäude nicht grenzübergreifend funktionieren. Warum sollten die Kinder im Nachbarort nicht die Schule am Stadtrand besuchen? Der Weg ist doch eigentlich viel kürzer als zum eigenen Lernzentrum.

Irgendwann kommt aber trotzdem der Punkt an dem sämtliche Karten besiedelt und alle Städte optimal ausgelastet wurden. Zwar kann das durchaus mehrere Monate dauern, eine Kampagne wäre trotzdem eine zusätzliche Motivation gewesen.
Erfreulicherweise ist die Modding-Community von Sim City nach wie vor sehr aktiv und bietet dem Spieler zahlreiche neue Gebäude, Texturen, usw. Wer will kann so auch eine typisch deutsche Innenstadt hochziehen, inklusive passenden Fahrzeugen, Straßen und Reihenhäusern.

Das Addon 'Rush Hour' liefert neben neuen Verkehrsverbindungen, auch Fahrzeugmissionen. Über diversen Autos, Hubscharubern, etc. tauchen immer wieder kleine Symbole auf, die beim Anklicken eine Quest starten. So fahren wir mit einem Buss etwas Passagiere zu den passenden Haltestellen oder versperren mit einem Polizeiwagen einem Fluchtfahrzeug den Weg. Als Belohnung winken neue Gebäude, Geld oder eine bessere (manchmal auch schlechtere) Bürgermeisterwertung.

Insgesamt bringen die Missionen eine nette Abwechslung ins Spiel, eine echte Kampagne ersetzen sie aber nicht.

Mein(e) Augenweide/Ärgernis

Obwohl Sim City bald acht Jahre auf dem Buckel hat, sieht das Spiel immer noch recht ansehnlich aus. Vor allem der stimmige und detailverliebte 2D-Stil täuscht über die veraltete Technik hinweg. Daran ist auch die große Animationsvielfalt nicht ganz unschuldig. Egal welchen Teil eurer Stadt ihr betrachtet; es gibt immer etwas zu entdecken. Um die Mittagszeit begeben sich spielende Kinder auf die Schulhöfe, Polizeiwagen patrouillieren (sofern ein Revier vorhanden ist) durch die Straßen oder Sims grillen in ihrem Gärten. Hin und wieder finden sich auch kleine Gags, etwa wenn die Soldaten des ortsansässigen Militärstützpunktes mit dem Panzer einkaufen fahren oder ein High-Tech Unternehmen „Kane Tiberium“ heißt.

Leider läuft Sim City 4 vor allem auf neueren Systemen alles andere als stabil. Unter Windows 7 (64 bit) kam es zu regelmäßigen Abstürzen, mal fror das Spiel ein oder man konnte nicht vernünftig abspeichern.

Ich empfehle daher dringend das Spiel im Kompatibilitätsmodus auszuführen und auf nur einen Rechenkern umzuschalten.

Fazit

Sicher ist Sim City 4 kein maklelosen Spiel. Es ist eher wenig einsteigerfreundlich und die Balance zwischen Schönheit und Funktionalität zu finden extrem schwierig. Für mich stellt Sim City4 dennoch eine der besten und schönsten Aufbautitel der letzten Jahre da. Wer 2011 komplexe Städtesimulationen vermisst, der liegt bei Sim City 4 genau richtig. Die Einarbeitungszeit lohnt sich.
Zum Schluss noch eine kleine Anmerkung: Der Text war eigentlich für einen Langtest geplant, die Website verweigert mir jedoch das Abspeichern. In diesem Sinne entschuldige ich mich für die vielleicht etwas unübersichtliche Struktur.
 


Wertung
Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher schwer

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 40, weniger als 100 Stunden



Kommentare(5)
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