Space Hulk - Funktioniert das Brettspiel am PC?

Space Hulk, das bedeute für mich ein Abend im Keller mit Chips, Pizza, Bier und Freunden. Man sitzt gemeinsam am Tisch und betet zu den...

von - Gast - am: 17.08.2013

Space Hulk, das bedeute für mich ein Abend im Keller mit Chips, Pizza, Bier und Freunden. Man sitzt gemeinsam am Tisch und betet zu den Würfelgöttern, nicht zum Imperator, den dem sind seine treuen Diener scheinbar egal. Heute, ca 24 Jahre nach dem Release des Games Workshop Brettspiels können wir über Steam Full Control's PC Version erwerben. Lohnt es sich?

1989 erschien Space Hulk, das Brettspiel. Ein simples Taktik Spiel von GW in dem Space Marines einen Space Hulk (quasi eine riesige Ansammlung ineinander verkeilter Raumschiffwracks) betreten, dort auf Genestealers der Tyraniden treffen und sich dann in den engen Korridoren des Hulks hoffnungslos von den Aliens abschlachten lassen bzw. versuchen das zu verhindern.

Gespielt wurde Space Hulk typischer Weise zu zweit, einer übernahm die Kontrolle über die Space Marines der andere steuerte die Genestealers. Wie genau das Spielfeld aussah, an welchen Punkten Genestealer spawnen durften und welche Bewaffnung die Space Marines zur Verfügung hatten wurde dabei präzise von der gespielten Mission bestimmt.

Ein Aktionspunktsystem legte fest wieviele Handlungen (1 Feld bewegen, um 90° drehen, Angreifen, ...) ein Modell während seiner Aktivierung ausführen konnte. Space Marine besaßen 4 AP sowie einen Command Pool der jede Runde W6 Punkte enthielt die als zusätzliche AP von beliebigen Marines genutzt werden konnten. Die Aliens mussten auf den Command Pool verzichten hatten dafür aber 6 AP pro Model.

Der Reiz des Spiels lag vor allem im asynchronen Setting. Marines setzten eher auf Fernkampfwaffen, Aliens waren ausschließlich Nahkämpfer. Auf einem freien Feld wäre so eine Konfrontation ziemlich einseitig, nicht aber in den engen Korridoren eines Space Hulk, in denen nur selten 2 Marines nebeneinander stehen können.

2013 wagt sich mit Full Control nun der nächste Entwickler an eine PC Umsetzung.

 

Orignalgetreu - Segen oder Fluch?

Eines muss man vorweg ganz klar sagen: Space Hulk ist wirklich eine orginalgetreue Umsetzung des Brettspiels. Hier wird nichts neu interpretiert oder dem aktuellen Mainstream angepasst. Das Spiel funktioniert am PC genauso wie auf dem Tisch. Ja, sogar die Kampagne ist vollkommen identisch. Wer also schon immer mal das Brettspiel gegen eine KI spielen wollte, der hat jetzt definitiv die Gelegenheit dazu. Kleine Abweichungen gibt es hier und da, so kann der Marine im PC Spiel zB keine Command Points im Zug der Aliens nutzen.

Leider erbt Space Hulk damit aber auch die Schwächen des Orignals. Zunächst hätten wir da das Problem des Mapdesigns. Enge Korridore tragen zwar zur Atmoshäre bei, schränken die taktischen Optionen des Spielers aber auch sehr ein. Welcher Marine sich wohin bewegt steht im Grunde schon fest sobald der Spieler seine Truppen auf dem Feld platziert. Die Maps lassen es kaum zu, dass ein Marine einen anderen überholt, und selbst wenn es genug Platz dafür gibt, benötigt man aufgrund der geringen AP eine ganze Runde dafür. Nicht gerade optimal für kurzfristige, taktische Entscheidungen.

Der zweite, und größere, Negativpunkt ist der für GW Spiele übliche, hohe Glücksfaktor. Bestes Beispiel hierfür ist der Command Pool der Space Marines. Zu Beginn jeder Runde wird durch einen W6 (6seitiger Würfel) ermittelt wieviele Punkt er enthält. Mit nur einem zusätzlichen Punkt lässt sich nicht viel Anfangen, mit 6 kann man hingegen schonmal ein ganzes Nest an Genestealern ausräuchern. Dieser Glücksfaktor macht es schwer etwas zu planen, und das ist bei einem Taktikspiel immer ungünstig.

Nicht falsch verstehen, das Gameplay funktioniert, man muss halt nur mit den Schwächen leben können.

 

Atmosphäre

Okay, Space Hulk hat seine Schwächen, aber das wusste jeder von uns, der bereits das Brettspiel gespielt hat schon längst. Lassen wir den Kleinkram also beiseite und stürzen uns gleich auf die große, wichtige Frage: Stimmt die Atmosphäre?

Hier ein klares Jain mit einer leichten Betonung auf den letzten Teil des Wortes. Einen großen Schritt in die richtige Richtung macht Full Control zunächst durch das Kopieren der Orginaltexturen von Space Hulk. Für jemanden, der das Brettspiel nicht gespielt hat mag das nicht wichtig sein, aber für jeden, dessen Vorstellung vom Innenleben eines Space Hulks von diesen 24 Jahre alten Kartensegmenten geprägt wurden ist es mMn von Bedeutung.

Auch durch die Orignalgetreue Umsetzung des Regelwerks, und hier vor allem durch das Zufallselement, gewinnt das Spiel an Atmosphäre. Man hat wirklich jederzeit das Gefühl, dass alles schief gehen kann. So mächtig ein Terminator mit Sturmbolter auf dem Schlachtfeld auch ist, so hilflos kann er sein wenn ihn ein Genestealer im engen Korridor überrascht. Und genau dieses Gefühl vermittelt einem Space Hulk. Herrlich.

Leider jedoch gehört zur Atmosphäre eines Spiels noch mehr, Voice Acting, Soundtrack, Animationen und Soundeffekte zum Beispiel. Und das hat Full Control wohl niemand verraten, denn hier fahren es die Jungs an die Wand.

Das Voice Acting ist gerade noch in Ordnung, wenn man mit dem emotionslosen Stil einverstanden ist. Jaja, es sind Terminatoren, das stimmt schon, aber auch diese erfahrenen Krieger sind nicht immun gegen jegliche Art von Emotion, GW hat das mehrfach deutlich gemacht. In Space Hulk allerdings klingen sie immer gleich anteilslso und blechern. Ich erwarte kein panisch Kreischenden Kinder, aber Krieger die sich dem Ernst der Lage und der Bedrohung in der sie sich befinden bewusst sind.

Der Soundtrack hingegen ist ein sehr großer Schnitzer, er fehlt nämlich, es gibt keine musikalische Untermalung der Missionen, einzig im Menü hört man immer das gleiche Stück. Auf den zweiten Blick ist das dann aber gar nicht mal so schlecht, denn das, was man im Menü zu hören bekommt passt nur am Rande ins 40k Universum, dem Stück fehlt einfach die Schwere die man aus den anderen Spielen kennt.

Animationen und Soundeffekte geben der Atmosphäre dann aber den Rest. Sturmbolter klingen kein bißchen wie Sturmbolter, sie sind viel zu blechern und haben eher den Charme von vollautomatischen Nagelpistolen und schwere Flammenwerfer schienen mit Rasierschaumdosen verwandt zu sein. Die Bewegungsanimationen der Marines sind ungelenk und stellenweise einfach komisch. Sie können z.B. keine Kurven laufen, bewegen sich mit willkürlich wechselnder Geschwindigkeit und drehen sich am Ende ihrer Bewegung mitunter schon zweimal, erst in die falsche, dann in die richtige Richtung. Die Kampfanimationen sind einfach lächerlich. Bolterfeuer geht durch Wände und Modelle hindurch und Trefferfeedback gibt es nur in Form von komisch ausehenden Blutwolken. Der Nahkampf ist auch nicht besser, hier schlagen die Modelle für gewöhnlich aneinander vorbei bis dann eines von beiden, scheinbar vor Schreck, stirbt. Abwechslung sucht man auch vergebens, alles sieht immer genau gleich aus, was, da man die Animationen nicht abbrechen kann, nach einiger Zeit ziemlich nervt.

 

Gameplay

Space Hulk spielt sich wie das Orignal, nur langsamer. Wie bereits erwähnt lassen sich Animationen nicht abbrechen oder gar ganz überspringen und dadurch ziehen sich die Züge ganz schön in die Länge. Während sich ein Marine bewegt kann man zwar schon dem nächsten Befehle erteilen und diese auch Ausführen lassen, aber dennoch stapfen diese dann mit einer selbst für Terminatoren geringe Geschwindigkeit durch die Korridore. Kommt es zum Kampf muss man sich hingegen das Spektakel jedes mal ansehen, und das kostet wirklich Zeit.

Taktische Tiefe kommt auch kaum auf, da einfach zu viel vom Zufall abhängt. Ein gutes Beispiel sind die Trainingsmissionen. Hier gibt es keine zverweigten Korridore oder Räume die aus mehreren Seiten angegriffen werden könnten, in der ersten und zweiten Mission steuert man sogar nur 2 Marines. Auch die Missionsziele sind hier noch relative stupide "Töte 8 Genestealer" und "Bringe Marine A zu Marine B udn gibt ihm Objekt C". Im Grunde entscheidet der Zufall ob und wann man eine dieser Missionen schafft. Würfelt man gut für den Command Pool so treffen sich die Marines in der zweiten Mission recht schnell, würfelt man hingegen niedrig kommt einer der Marines nicht mal um die erste Ecke bevor er sich mit einem Haufen Genestealer prügeln muss. In der Kampagne ist es dann zwar nicht mehr ganz so schlimm, aber auch hier zeigt sich mehr als nur deutlich, dass Würfelwürfe sowie die Startaufstellung viel wichtiger sind als taktische Entscheidungen. Allerdings ist das eben typisch für GW Spiele, man kann es Space Hulk also nicht wirklich vorwerfen.

RP Elemente sucht man auch vergebens. Pro Mission erhält man ein vollkommen neues Squad an Marines mit fixer Ausrüstung und nach der Mission verschwinden diese im Nirvana. Ob ein Marine stirbt oder überlebt ist also vollkommen egal, man behandelt ihn wie Wegwerfware. Shoot and forget. Orginalgetreu aber nicht unbedingt zeitgemäß.

Alles in Allem bietet Space Hulk seichte Unterhaltung, es ist keineswegs ein XCom (nicht einmal ein XCom 2013) im 40k Universum. 

 

Bugs, Bugs, Bugs

Nein, ich meine damit leider nicht die Tyranide. Space Hulk gehört zwar nicht zu den bugverseuchtesten Spielen wird von den kleinen Viechern aber auch nicht verschont.

Es beginnt mit Kleinigkeiten wie dem komischen Verhalten von Lautstärkereglern im Menü, verschiebt man sie bewegt sich die Maus schneller als der Regler. Weiter geht es mit einigen Clipping Fehlern über den Undo Button der Marines manchmal falsch ausrichtet und endet schließlich bei Marines die nach einem Befehl komplett in die falsche Richtung rennen am Ende der Animation aber zu ihrem eigentlichen Zielort teleportiert werden.

Das Gameplay selbst bleibt von Bugs aber scheinbar verschont, bis auf den Mist mit der falschen Ausrichtung durch den Undo Button habe ich bisher nur Anzeigebugs gefunden. Allerdings berichten einige Spieler im Steam Forum von nicht funktionierenden Missionszielen und ähnlichen Schwierigkeiten. Es gibt sogar Berichte, dass sich Mission 6 der Kampagne überhaupt nicht abschließen lässt.

 

27.99€ - Ernsthaft?!

All das könnte man problemlos verschmerzen wenn nicht irgendwer auf den lächerlichen Gedanken gekommen wäre 27.99€ für Space Hulk zu verlangen. Ja, Entwickler müssen auch von etwas Leben und, wie die meisten mittlerweile sicherlich wissen, sind GW Lizenzen nicht gerade günstig zu haben, aber das rechtfertigt noch lange nicht einen derart hohen Preis.

Für meinen Geschmack ist Space Hulk in seiner gegenwärtigen Form 15-20 Euro zu teuer. Gameplay, Umsetzung und Technik des Titels rechtfertigen einen Preis um die 10, vielleicht 15 Euro, sicher aber nicht knapp 30.  

Liebe Entwickler, 5-6 Euro pro Stunde Spielzeit ist nicht in Ordnung. Nicht für AAA FPS und nicht für Indie Remakes alter Brettspiele.  

 

Fazit

Gegenwärtig würde ich niemandem raten Space Hulk zu kaufen, außer man will unbedingt eine (nahezu) orginalgetreue Umsetzung des Brettspiels am PC spielen. Aber selbst dann ... Leute, Nostalgie hin oder her, ein wichtiges Element des Brettspiels war es zusammen mit seinen Freunden am Tisch zu sitzen und sich über die Würfelwürfe des Gegenspielers zu amüsieren oder über die eigenen zu ärgern während man Bier, Chips und Pizza verdrückte und über Gott und die Welt laberte. Und das kann euch Space Hulk nicht geben.

Mein Rat an alle: Testet das Spiel bevor ihr es kauft. Vielleicht hat ein Kumpel es bereits, vielleicht kennt ihr einen anderen Weg. Testet es, egal wie. Wenn es euch gefällt und ihr der Meinung seid, es ist die 27.99€ wert dann greift zu, davon will euch keiner abbringen. Kauft es aber nicht wegen dem Namen, das wäre ein Fehler.

Abschließend möchte ich noch etwas loswerden von dem ich niemals gedacht hätte, dass ich es je sagen würde: Weniger Orginaltreue wäre besser gewesen. Full Control hätte mit Space Hulk den gleichen Weg wie die Entwickler vor ihnen gehen und eine Neuinterpretation des Brettspiels statt einer orginalgetreuen Umsetzung abliefern sollen.  Wow ... das fühlt sich echt komisch an.


Wertung
Pro und Kontra
  • Orignalgetreue Umsetzung des Brettspiels
  • Digitales Handbuch
  • Sauberes UI
  • Undo Button
  • Erbt alle Schwächen des Brettspiels
  • Extrem überteuert
  • Kein Ingame-Soundtrack (nur im Menü und am Ende jeder Mission)
  • Schlechte Animationen
  • Schlechte Soundeffekte
  • Schlechtes Voice Acting

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

genau richtig

Bugs:

Häufiger, unregelmäßig

Spielzeit:

Weniger als 5 Stunden



Kommentare(8)
Kommentar-Regeln von GameStar
Bitte lies unsere Kommentar-Regeln, bevor Du einen Kommentar verfasst.

Nur angemeldete Benutzer können kommentieren und bewerten.