Zu wenig als Actionrollenspiel, zu wenig als Actionspiel

Action-Rollenspiele sind sehr weit verbreitet, wenn man an Genrevertreter wie Diablo, Dungeon Siege, Sacred oder Titan Quest denkt. Dagegen ist Space Siege ein...

von - Gast - am: 17.11.2009

Action-Rollenspiele sind sehr weit verbreitet, wenn man an Genrevertreter wie Diablo, Dungeon Siege, Sacred oder Titan Quest denkt. Dagegen ist Space Siege ein wenig beachteter Vertreter und sagen wir es, wie es ist: das ist es auch zu Recht. Denn obwohl das Spiel mit einem für Rollenspiele wenig beackerten SciFi-Szenario daher kommt, ist es dennoch mehr oder minder mies umgesetzt, denn gerade das, was Action-Rollenspiele ausmacht, wurde reduziert: die Jagd nach Erfahrung und Items.

Einstieg mit Komplikationen

In etwa 200 Jahren besiedeln die Menschen andere Planeten, die Aliens dort sind sauer und greifen daraufhin den Verteidigungsring der Erde an, so die Grundhandlung von Space Siege, also alles andere als besonders einfallsreich. Wenigstens lässt sich aber das Hauptmenü aufrufen, während im Hintergrund weiter das nette Introfilmchen läuft.
An dieser Stelle sollte man übrigens ins Optionsmenü gehen, da das Spiel in der Standardeinstellung annimmt, dass die Eingabe über eine QWERTY-Tastatur erfolgt. Wer nicht gerade in Besitz einer englischen oder sonst einer anderen Tastatur sein sollte, kann aber hier auch auf QWERTZ-Tastaturen umstellen.
Dann kann es aber losgehen. Das Spiel beginnt mit einem Angriff der Alienrasse Kerak auf Ihr Schiff, der zurückgeschlagen werden soll. Bei dieser Mission werden Ihnen auch direkt die wichtigsten Steuerungsbefehle erklärt, die etwas vom Genrestandard abweichen. Hier erlaubt sich das Spiel den Fauxpas, dass es die Befehle nicht sofort dann erklärt, wenn sie gebraucht werden. Der Angriff wird etwa direkt am Anfang benötigt, aber erst deutlich später erklärt. Schmerzhaft: Wer hofft, dass man mit der linken Maustaste sowohl angreifen als auch laufen kann, der steht direkt am Anfang schon direkt neben dem Gegner, ohne ihm Schaden zugefügt zu haben. Die Angriffstaste ist nämlich die linke Maustaste.
Mal von solchen Missverständnissen abgesehen, erlaubt sich das Spiel einige Schnitzer in der Bedienung. Da das Spiel in teilweise engen Gängen eines Raumschiffs spielt, gibt es bei Türen immer wieder Kameraprobleme und die Kamera muss immer wieder gedreht werden, weil das Spiel nur in seltenen Fällen Wände ausblendet, was gerade bei Angriffen nervt. Außerdem ist das Spiel schon mal zickig, wenn wir etwas anklicken, sodass wir noch mal klicken müssen.

Einfach nette Kämpfe

Der Fokus von Space Siege liegt ohnehin auf den actionreichen Kämpfen, die tatsächlich ganz nett umgesetzt sind, da es überall Dinge gibt, die explodieren, sodass viel auf dem Bildschirm passiert. Dennoch nutzen sich die Kämpfe irgendwann ab, da es insgesamt etwas wenige Gegnertypen gibt und es meistens doch nur auf einfacher Geklicke hinausläuft. Es gibt auch ein ordentliches Talentsystem, aber das bietet wenig Abwechslung im Vergleich zu anderen Titeln wie Diablo 2. Noch am spektakulärsten ist ein spezieller Nahkampfangriff.
Neben „gewöhnlichen“ Kampftalenten gibt es Maschinenbaufähigkeiten, mit denen verschiedene Typen von Drohnen und Granaten erstellt werden können. Die sind auch durchaus nützlich, wirklich nötig werden diese aber erst bei den Bosskämpfen, von denen es im Spielverlauf etwa eine Hand voll gibt. Jedoch ist nur der letzte Bosskampf wirklich taktisch, die restlichen Bosse sind nur besonders starke Einheiten, die aber mit Standardattacken angreifen.
Beim ganzen Monstermetzeln hilft Ihnen schon recht früh ein Roboter namens HR-V (gesprochen: Harvey), der von alleine halbwegs intelligent agiert und dem Sie Befehle geben können. Blöd ist jedoch, dass HR-V einige Spezialattacken kann, Sie diese aber selbst aufrufen müssen und er sie nicht automatisch anwählt. Da Sie aber selbst in den Gefechten so stark eingebunden sind, kommen HR-Vs Attacken nur selten zum Einsatz, vor allem nicht in schwierigen Gefechten.
Dumm ist HR-V dann, wenn Sie in die Nähe von Minen kommen, denn statt diese zu meiden, läuft er auch gerne mal mitten rein, wenn Sie grade explodieren. Sollte aber HR-V mal sterben, müssen Sie nicht direkt das Handtuch werfen, denn an vielen Stellen gibt es Fabriken, an denen Sie einen neuen Roboter besorgen können und im Kampf ist HR-V zwar nützlich, die Gefechte sind aber auch so durchaus machbar.

Vereinfachtes Charaktersystem

Generell ist das Space Siege einfach gestrickt. Zum Beispiel gibt es kein ausführliches Stufensystem oder ein Inventar wie in allen anderen Actionrollenspielen, stattdessen sammelt man im Kampf Materialpunkte, die man an bestimmten Stellen in langweilige Verbesserungen investieren kann, wie z.B. mehr Gesundheit oder mehr Widerstandskraft. Alternativ dazu kann auch HR-V so verbessert werden oder man kann Bomben, Heilpakete oder Drohnen dafür erhalten.
Auch Ausrüstungsgegenstände gibt es nicht, stattdessen gibt es nur an bestimmten Stellen in der Kampagne neue Waffen, die sich ebenfalls mit Materialpunkten verbessern lassen. Jedoch muss man aufpassen, weil einige Waffen schwächer sind als andere, sodass am Ende nicht alle Waffen nützlich sind. Rüstungen im eigentlichen Sinne gibt es nicht.
Zwar gibt es einen Talentbaum, in dem Sie aber auch meist nur recht einfallslose Fertigkeiten steigern können, Punkte für den Talentbaum gibt es aber auch nur, wenn Sie in der Kampagne einen bestimmten Fortschritt gemacht haben. Dem entsprechend kann man seinen Charakter nicht nahezu endlos skillen, sondern nur im Rahmen der Kampagne, was den Gestaltungsspielraum arg einschränkt.
Insgesamt kann man aber ohnehin sagen, dass die Ansätze in dem Spiel überhaupt nicht ausreichen dafür, dass das Spiel ein Actionrollenspiel sein will.

Eingebildete Gewissensbildung

Ein weiteres Herausstellungsmerkmal soll die Kybernetik sein, mit der man entscheiden soll, ob man sich zu einem seelenlosen, aber starken Roboter entwickelt oder menschlich bleiben will. Jedoch ist das System aufgesetzt und wirkt wie ein verzweifelter Versuch, Jade Empire oder D&D-Rollenspiele nachzuahmen, was jedoch deutlich misslingt.
Zwar finden wir hin und wieder kybernetische Teile, aber wie die anderen Charaktere auf einen reagieren, macht erst in der Endsequenz einen Unterschied. Das gleiche gilt für die „Gewissensentscheidung“ nach etwa dreiviertel des Spiels, die vor allem dadurch unglaubwürdig wirkt, weil man die gleichen Levels durchläuft und am Ende auch den gleichen Endgegner hat unabhängig davon, ob man sich gut oder böse entscheidet (vor allem die Begründung dafür ist einfach ungenügend).
Mal davon abgesehen, ist die Idee ganz OK in einigen Abschnitten kybernetische Bauteile zu finden, die man anstatt Rüstungen an seinen Charakter operieren kann, jedoch ist die Balance etwas daneben gegangen. Tendenziell haben es die voll ausgebauten Cyborgs einfacher als diejenigen, die kein einziges Kybernetikteil benutzt haben, da sie nicht nur dickere Waffen bekommen, sondern auch mehr nützliche Talente frei schalten können.
Einfach ist auch, dass man nach seinem Ableben nahezu straflos an der letzten Heilstation (die in den Levels verteilt sind) wiederbelebt wird. Nur HR-V muss gegen läppische 25 Materialpunkte an der nächsten Fabrik angefordert werden. Wer kaum noch Lebensenergie hat, kann auch einfach zurücklaufen, da die Wege meist nicht besonders lang sind. Als Ausgleich dafür darf man aber auch unsinnigerweise nur vier Heilpakete mitnehmen, was gerade den Endkampf im Gegensatz zum Rest des Spiels ziemlich knifflig macht.

Einfallslose Quests

Gute Quests sind in Action-Rollenspielen von Spielern gerne gesehen. In Space Siege sieht das anders aus: Als Ausgangspunkt für die meisten Quests dient das Medcenter Delta, in dem Sie sich mit einigen anderen Überlebenden verschanzen. Von dort aus gehen Sie entweder durch Shots zu benachbarten Bereichen (zwischen denen das Spiel immer wieder neu laden muss) oder Sie kommen per Transitbahn in weiter entfernte Bereiche. Bei zweitem wird Ihnen dabei eine Karte des gesamten Schiffs angezeigt, worauf man das Gebiet für die Hauptquest anwählen soll. Ansonsten ist die Karte zu nichts zu gebrauchen, was sehr schade ist, da man schließlich auch Nebenquests hätte gestalten können, die in andere Gebiete führen.
In den Hauptquests geht es schließlich darum bestimmte Punkte im Level zu erreichen und dann wieder zurückzukehren. Abwechslung bieten nur die seltenen Bosskämpfe, was eindeutig zu wenig ist. Noch alberner ist jedoch das, was man in Space Siege Nebenquests nennt. Diese laufen nämlich darauf hinaus, dass man eine Waffe für sich oder HR-V oder ein Kybernetikbauteil findet, über das man so oder so gestolpert wäre, wenn man das gesamte Level erkundet. Das ist wirklich sehr erbärmlich.
Ärgerlich ist auch die Karte innerhalb der Levels, denn die ist vollkommen inkonsequent dargestellt. Mal sieht man alle Bereiche direkt, mal sieht man nur die Bereiche, wo man schon war, mal nur eine Etage, mal sind alle Etagen überlagert, mal nahezu in Miniatur, mal in riesig. Vor allem ist dämlich, dass das Spiel keine Minikarte hat, man muss also immer wieder die Karte aufrufen um sich in den immer gleich aussehenden Levels zu orientieren. Da hilft auch nicht die Ausschilderung innerhalb der Levels.

Einschnitte in der Story

Wer nach dem Auftakt hofft, dass wenigstens eine gescheite Handlung erzählt wird, der wird ziemlich enttäuscht. Denn nach dem Angriff der Kerak geht es primär nur darum gegen die Kerak und gegen Cyborgs anzutreten. Woher die Cyborgs nur kommen….tja, das wird zunächst links liegen gelassen. Der einzige (vorhersehbare) Kniff in der Geschichte wird dabei bereits nach etwa fünf Stunden aufgelöst. Danach trudelt alles nur noch auf die (bereits erwähnte) Gewissensentscheidung und das lausige Ende zu.
Spannung könnten ja noch die in den Levels verstreuten Datapad-Aufzeichnungen von einzelnen Überlebenden bringen. Jedoch sind die so zusammenhangslos, dass man irgendwann kein Interesse mehr daran hat, weil die Durststrecken teilweise zu groß sind.
Da ist es also kein Wunder, dass das Spiel insgesamt gerade mal acht bis zehn Stunden kurz ist (zum Vergleich: für das einmalige Durchspielen von Titan Quest braucht man mindestens 25, 30 oder noch mehr Stunden, bei Diablo 2 kann man mindestens etwa 30 bis 40 Stunden veranschlagen). Selbst die Kybernetik und die verschiedenen Endsequenzen lohnen nicht zum mehrmaligen Durchspielen.

Technische Einfachheit

Die Grafik ist alles in allem ganz OK. Vor allem die Kämpfe sind gut animiert, aber auch die allgemeine technische Qualität ist auf einem ordentlichen Niveau. Leider haben die Entwickler es nicht geschafft, wirklich abwechslungsreiche Umgebungen in dem Raumschiff darzustellen. Viele Levels sind grau in grau, selbst private Bereiche wie die Offizierskammern wirken düster. Außerdem hat das Spiel gerade mal zwei Zoomstufen, also eine weniger als Sacred…vier Jahre vor Space Siege. Die Physikeffekte sind ebenfalls ein nettes Feature, wobei die auch etwas heftig ausfallen, wenn Stühle und Kisten wie Luftballons wegfliegen. Für die dargebotene Qualität sind Hardwareanforderungen aber recht happig, vor allem im Vergleich zum gut aussehenden Titan Quest. Mit meinem Rechner, der etwa der empfohlenen Systemvoraussetzung entspricht, lief das Spiel knapp in niedrigsten Details.
Die Soundqualität ist auf ähnlichem Niveau. Die Sprecher sind meist ganz gut, aber eine musikalische Untermalung fehlt oft. Außerdem sind neben vielen guten Kampfgeräuschen einige wenige schlechte dabei (vor allem die schnell feuernden Waffen verursachen fiese Soundfehler).

Fazit

Space Siege hat mich als Fan von Actionrollenspielen schwer enttäuscht, weil das Setting zwar nicht neu erfunden, aber mal was anderes ist im Vergleich zu anderen Titeln ist, dafür stimmt das Spiel in sich aber nicht richtig. Die Kybernetik, das Charakter- und Waffensystem, der Einfluss auf die Handlung und alles, womit groß geworben wurde, ist viel zu inkonsequent umgesetzt. Was bleibt sind nette, aber auf Dauer eintönige Ballereien, übrigens auch im Multiplayermodus (den ich nicht gespielt habe, aber besonders actionreich sein soll, da man von vornherein alle Drohnen und Granaten haben soll). Da sollte man lieber bei Titan Quest oder Diablo 2 bleiben, denn hier gibt’s auch spannende Kämpfe mit einer guten Charakterentwicklung.


Wertung
Pro und Kontra
  • Grafik: gute Kampfeffekte, Animationen, Physik...
  • Sound: Sprecherqualität, Kampfeffekte
  • Balance: viele Rücksetzpunkte, immer machbar
  • Atmosphäre: bedrohliche Stimmung, Datapads...
  • Bedienung: einfache Maus-/Tastatursteuerung
  • Umfang: Multiplayer vorhanden, viele viele Kämpfe
  • Quests: Hauptquest führt durch alle Levels
  • Charaktersystem: Verbesserungen per Materialpunkte, Talentbaum
  • Kampfsystem: Bosskämpfe,HR-V,Fähigkeiten taktisch einsetzbar...
  • Items: Kybernetikbauteile, Waffen, Materialpunkte
  • Grafik: ...die oft zu extrem ist, einheitlich grau
  • Sound: wenig Musik, Probleme beim Sturmgewehr
  • Balance: oft zu leicht, mit Kybernetik im Vorteil
  • Atmosphäre: ...die zusammenhangslos sind, miese Handlung
  • Bedienung: Probleme in engen Gängen, reagiert nicht immer
  • Umfang: etwa acht bis zehn Stunden Spielzeit
  • Quests: keine Nebenquests im wirklichen Sinne
  • Charaktersystem: keine Levelaufstiege, Talentpunkte vorgegeben
  • Kampfsystem: ...was nur selten notwendig ist
  • Items: kein Inventar, Gegenstände vorgegeben

Zusätzliche Angaben

Schwierigkeitsgrad:

eher leicht

Bugs:

Nur sehr wenige

Spielzeit:

Mehr als 10, weniger als 20 Stunden



Kommentare(2)
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